"Ilumnia ~ Vermisst"//(36) Kapitel 5: Teil 1

in #deutsch6 years ago (edited)

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Chapter 5

Erschrocken blickte der Counsellor auf seine kleine Taschenuhr. Im Schein der Kerze fiel es ihm schwer, die winzigen Zeiger zu erkennen.
Erst auf den zweiten Blick schaffte er es, die korrekte Uhrzeit abzulesen. Verdammt.
Bereits weit nach Mitternacht.

Eigentlich hätte er schon lange im Bett liegen sollen. Wieder einmal war die Zeit wie im Flug vergangen, während er in den Chroniken von Ilumnia gelesen hatte.
Doch wie jedes Mal hatte er anstelle von Antworten lediglich neue Fragen gefunden. Manchmal hatte es den Anschein, je länger er in diesem Buch las, desto verworrener wurde alles um ihn herum.

Hinter jeder Zeile verstecken sich neue Geheimnisse, die es zu lüften galt und jeder einzelne Buchstabe konnte wichtige Hinweise enthalten.
Normalerweise fiel es dem Counsellor schwer, sich über längere Zeit am Stück zu konzentrieren. Las er jedoch in diesem Buch, dann gelang es ihm beinahe mühelos.

Obwohl die Texte sehr klein und verschachtelt geschrieben waren, lasen sie sich einfach und flüssig und er hatte am Ende meistens das Gefühl, das Gelesene auch verstanden und aufgenommen zu haben.
Doch auch heute war er dem Geheimnis des unbekannten Alphabetes kein Stück näher gekommen.

Er hatte versucht, die Texte per Transposition zu entschlüsseln, doch auch dieser Versuch endete erfolglos.
Manchmal dachte er, dass er kurz davor stand, hinter die Rätsel dieser Schrift zu gelangen, dann jedoch fühlte er sich wieder komplett auf dem Holzweg.
Es würde wohl noch eine ganze Weile dauern, bis er irgendwelche Fortschritte verzeichnen konnte.
Für heute aber, wollte er es dabei belassen.

Als er Aufstand wurde ihm schmerzlich bewusst, wie lange er gesessen hatte. Sein Rücken knackte, als er sich vorsichtig streckte und seine Beine kribbelten unangenehm. Er war wirklich zu alt für Nachtschichten dieser Art.
Wieder fuhr er mit seiner Hand über die Kerze. Diesmal, um die Flamme zu löschen.
Das Feuer erstickte sofort.

Dann ging er, im Schein der an der Wand hängenden Kerzen, zurück zur Treppe, lief diese langsam hinauf und verließ das Archiv.
Es herrschte schon lange Nachtruhe. Und niemand war auf dem Campusgelände zu sehen, hier draußen herrschte absolute Stille.
Gut so. Dachte er.

Sollte er um diese Zeit noch einen der Anwärter oder Rekruten außerhalb seines Raumes erwischen, würde dieser mit einer ordentlichen Strafarbeit rechnen müssen.

Jeder seine Schritte klackte unheimlich laut auf den Steinplatten des Weges und außer einigen wenigen Laternen lag das Areal im Dunkeln.
Jemand, der sich hier weniger auskannte, würde sich sicher unbehaglich fühlen und Angst haben. Der Counsellor jedoch hatte diesen Weg so oft in der Schwärze der Nacht zurückgelegt, dass es ihn nicht mehr kümmerte. Zu viele Nächte hatte er im Archiv verbracht und sich erst spät, in den frühen Morgenstunde, müde und vollkommen fertig in sein Quartier geschleppt.

Auch die Mitarbeiter waren längst in ihren Zimmern und schliefen wahrscheinlich bereits.
Um fünf Uhr begann ihr Arbeitstag.
Nun stellte er fest, wie geschafft er mittlerweile war. Es gelang ihm nicht einmal, das in ihm aufkommende Gefühl gähnen zu müssen, zu unterdrücken.

Rasch hielt er sich die Hand vor den Mund und gähnte laut und herzhaft. Was sollte es schon. Hier war sowieso niemand, der ihn hätte hören können.
Er erreichte das Wohngebäude, in dem sich sein Privatraum befand und stockte, als er die Tür öffnen wollte.

Irgendetwas war anders als sonst. Wachsam blickte er sich um.
Nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Dennoch fühlte er sich irgendwie seltsam.
Beobachtet.

Es brannte kein Licht hinter den Fenstern und so sehr er sich auch bemühte, er konnte niemanden sehen.
Da war keiner.
Er schüttelte den Kopf, um dieses ungewohnte Gefühl der Bedrohung zu verjagen.
Er wurde noch ganz paranoid, wenn es so weiter ging.
Wer sollte schon hier draußen sein, um diese Zeit?

Außerdem befand er sich auf dem wahrscheinlich am besten bewachten Gelände der Welt.
Hier kam niemand einfach so herein. Außerdem patrouillierten rund um die Uhr Wachen.
Besonders nachts um Rekruten, die sich nach den Sperrzeiten noch auf dem Campusgelände befanden, aufzusammeln, zu bestrafen und auf ihre Zimmer zu bringen.

Was auch immer ihn irritierte, er musste es sich eingebildet haben.
Er schloss die schwere Eingangstür des Gebäudes auf und sah sich noch ein letztes Mal um.
Wieder nichts.
Oder?

Dort, etwa zwanzig Meter entfernt, konnte er einen, sich bewegenden, Schatten ausmachen.
Direkt neben dem großen Baumstamm. Er versuchte sich zu konzentrieren und fluchte innerlich, dass er schon vor Monaten versäumt hatte, sich eine stärkere Brille machen zu lassen.


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