Gedanken aus Plastik

in #misantrophie5 years ago

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Menschen sind manchmal ein wenig merkwürdig. Oftmals fahre ich recht gut damit bestimmtes Verhalten einfach damit zu erklären, wie dieses bei Affen funktioniert. Das mag sich auf den ersten Blick böser anhören als dies gemeint ist. Wer allerdings häufiger in Meetings sitzt und sich über das Verhalten von Alpha-Tieren und dem mentalen Scheiße bewerfen wundert, dem empfehle ich einmal einen Besuch im Zoo.

Schlimm wird dies immer dann, wenn man es nicht damit erklären kann. So kommt es immer wieder mal vor, dass man sich mit Freunden trifft und damit eben auch durchaus einmal Freude von diesen kennen lernt, die man bisher noch nicht kannte. Als Informatiker hat man sehr oft immer den Hauch des Geheimnisvollen an sich. Man gehört einer geheimen Kaste von Menschen an, die irgendwie verstehen wie diese merkwürdigen Dinge funktionieren. Die nicht nur in der Lage sind etwas aus Sicht des Anwenders zu sehen, sondern eben wirklich zu verstehen scheinen, wie die Dinge funktionieren.

Und wenn die Bekannte einem den Freunden dann ganz eifrig einen vorstellt, kommt es oft zu einem: Der Gamma ist furchtbar intelligent und verdient viel! Das mag man im ersten Moment dann vermutlich als durchaus schmeichelhaft gemeint sein, führt aber oft dann doch eher zu einem verlegenen Lächeln. Besonders intelligent bin ich nicht, sondern höchstens sehr durchschnittlich in Anbetracht der Gesamtpopulation. Und nur weil man gewisse Dinge versteht, heißt das auch noch nichts. Ich kriege eine seichte Vorstellung, was Ärzte wohl bei diesen Treffen durchmachen müssen, wenn sie als „Heiler“ geprießen werden.

Interessant hält sich allerdings das Gerücht, dass ich gut verdienen würde. Zum einen denke ich nicht, dass wir wirklich in einer Leistungsgesellschaft leben und man selbst mit viel Wissen noch lange nicht entsprechend bezahlt wird. Da kann eine laute Klappe einem schon das Konto wesentlich eher vergolden. Trotzdem! Scheinbar scheint die Kombination aus jemanden der Informatiker ist und gleichzeitig etwas mit Wirtschaft macht ein Garant dafür zu sein, dass man gut verdient.

Gerade als jemand der etwas mit Wirtschaft macht, holt man sich aber durchaus immer wieder auch einmal Informationen darüber ein, was die Leute so eigentlich verdienen. Somit weiß ich durchaus, dass so mancher im Bekanntenkreis in seiner Position als Beamter oder Consultant durchaus nicht schlecht verdient und das sogar so manches Mal ohne das man überhaupt ein Studium beschritten hat. Dies führt durchaus manchmal in einsamen Nächten dazu, dass man ein wenig sein bisheriges Leben in Frage stellt.

Irgend so etwas geht mir meist dann durch den Kopf, wenn ich auf diese Weise jemanden vorgestellt werde. Und das obwohl ich denke, dass ich wesentlich interessantere Eigenschaften hätte, noch wirklich bei Affen irgendwo das Verhalten kenne, dass man jemanden aus der Gruppe einer anderen Gruppe vorstellt mit dem Hinweis, dass dieser besonders viele Bananen horten würde.

Damit ich nicht am Wochenende beim Bau von elektrischen Leitungen helfen soll, gebe ich üblicherweise an so etwas wie Kammerjäger zu sein. Das ist nicht unbedingt gelogen, sondern höchstens ein Wahrheitsdehnung und gleichzeitig ein Garant dafür, dass niemand einem um Hilfe fragt ;)

„Und mit Aktien macht er ja auch viel!“, gibt es meist dann noch hinterher, wobei dies dann spätestens der Moment ist bei dem man sich durch das hastige Trinken des Weins ein wenig verschluckt. Ja, tatsächlich esse ich sogar manchmal morgens Brot. Keine Ahnung, warum man nicht diesen Aspekt erwähnen sollte.

Alleine die Kombination aus „er verdient gut“ und „er macht etwas mit Aktien“, wird dann beim Datenempfänger spätestens zu einem „er ist erfolgreich!“. Das ist in diesem Land keine Sache die besonders positiv besetzt ist. In Ländern wie Amerika oder anderen teilen von Europa wird wirtschaftlicher Wohlstand ja durchaus als etwas positives angesehen und man gönnt erfolgreiche Leistungen.

Das ist in Deutschland aber eher selten zu beobachten, immerhin steht man immer unter Generalverdacht, dass man ja irgend jemanden etwas gestohlen haben muss, wenn es einem etwas besser geht! Interessanterweise meiner Erfahrung nach gerade eher im liberalen Milieu und gar nicht so sehr bei den Linken. Etwas, was ich eigentlich in sich sehr paradox und befremdlich finde.

Unterm Strich spielt es aber auch gar nicht so eine Rolle, weil ich eben gar nicht so erfolgreich oder reich bin. Ich bin einfach nur recht sparsam und betone immer wieder, dass man sich eben auch mal etwas gönnen sollte. Wobei das eben nicht gleichbedeutend mit teuer sein muss, sondern eher „bewusst“ heißen sollte. Statt mir irgend einen Fusel zu holen, gibt es eben auch mal einen edlen Whisky den man zu besonderen Anlässen trinkt und eben nicht in Form eines Trinksports.

Noch während ich die Vorstellung verdaue, schaue ich einem mir unbekannten Menschen in die Augen, der sein Erstaunen durch einen offenen Mund und weit aufgerissenen Augen signalisiert. Das Verhalten kenne ich durchaus wieder! Und zwar von den Katzen. Kurz bevor man ihnen eine Dose öffnet oder durch das Rascheln der Plastiktüte signalisiert., dass man etwas hat, was ihre vollste Aufmerksamkeit bedarf.

Ja, die Vierbeiner sind durchaus sehr bewusste Konsumenten. Sie sind brav erzogen worden, dass insbesondere Plastiktüten etwas ganz besonderes sind. Menschen packen grundsätzlich wichtige Dinge immer gerne in Plastik ein. Warum sie dies tun, wird der Katze vermutlich ein eben so großes Rätsel sein wie mir. Aber wenn es raschelt, dann ist es ganz klar etwas wichtiges.

Zunächst habe ich noch versucht sie davon zu überzeugen, dass dies ein Irrtum sei und wir durchaus auch mal unwichtige Dinge einpacken. Aber die Statistik gab ihr dann doch irgendwie recht. Ich bin stets beeindruckt, wenn ein Lebewesen einfache Muster erkennt, die eine universelle Richtigkeit haben und diese auch ohne scheinbar einen überrangenden Intellekt zu besitzen. Kudos an die Katzen für ihren herausrangenden Beitrag der Primatenforschung!

„Oh, dass letzte Jahr lief dann ja gar nicht so gut!“, beginnt die Gegenseite das Gespräch. Innerlich bin ich erleichtert. Scheinbar jemand der sich doch ein wenig in der Materie beschäftigt und nicht völlig retardiert nun einen Monolog über die Ungerechtigkeit der Lohnverteilung in diesem Land sinniert und damit in mir einen sehr ambivaletes Gefühl auslöst, weil ich denke: Ja, es stimmt ja auch! Und dies obwohl man selbst ja gerade dafür als Sinnbild her zu halten scheint.

Scheinbar habe ich mich aber zu früh gefreut. Es folgt keine Diskussion über unterschiedliche Anlagestrategien oder den aktuellen heißesten Aktien, sondern lediglich ein Bemitleidendes: „Man kann an der Börse ja auch so furchtbar viel verlieren...“. Scheinbar wandelt sich mein strahlendes Reichenimage plötzlich in die eines quasi Obdachlosen um. Ich bin noch gewillt zu erklären, dass ich die Verluste des letzten Jahres fast in den ersten Wochen des Jahres schon wieder wett gemacht habe. Doch bevor ich dazu komme, übernimmt die Gegenseite den Narrativ zu übernehmen.

„Aber wenn man Geld hat, zahlt man ja sowieso keine Steuern“. Dies ist dann endgültig der Moment an dem ich den Rotwein fast an die Wand der Bekannten huste und froh bin, dass ich einen Teil davon noch rechtzeitig in die Lunge umleiten konnte. Während ich noch kurs die Hoffnung hege, dass es dort vielleicht schneller in die Blutbahn kommen könnte, versuche ich mich zu beruhigen und komme zum Schluss das ich da lieber nicht darauf eingehe.

Wenn jemand den Unterschied zwischen einem internationalen Konzern und einer Privatperson nicht kennt, ist es vermutlich ohnehin vergebene Liebesmühe. Ich schlucke dies aber runter und blicke der Bekannten in die Augen. Auch sie wittert wohl schon, dass der Abend gerade ganz knapp davor stand in einer langen Diskussion über die wahren Probleme des deutschen Fiskus abdriften könnte. Und wenn wir in diesem Land etwas nicht brauchen, dann ist es in der Freizeit über so etwas zu reden. Ich verstehe den Blick ja durchaus und bekenne mich schämend schuldig...

Irgendwie schade, dass die meisten Menschen hier in Deutschland so ticken. In UK kann man Abends durchaus in einem beliebigen Ort in ein Pub gehen und einige sehr interessante politische Diskussionen führen. Durchaus eben auch dann, wenn man nicht der gleichen Meinung ist. Man ist dann eben kein Feind, sondern man einigt sich irgendwann darauf, dass man nicht die gleiche Meinung hat. Steht man für Menschenrechte ein, ist man hier allerdings gleich „linksgrünversiffter Abschaum“ und wenn man Kapitalerträge nicht verteufelt mindestens eine reinkarnierte Form von Ackermann. Redekultur gibt es in diesem Land nicht wirklich.

Auf dem Heimweg beschleicht mich das Gefühl, dass der Abend unterm Strich mehr frustriert haben könnte als einem Freude bereitet hat. Dies macht mich traurig. Daheim sehe ich schon wie meine Katzen sich wieder den verstohlenen Blick untereinander zu werfen und dabei grinsen. Ich bin mir sicher, dass sie untereinander bereits Wetten abgeschlossen haben, ob der Primatenabend wohl erfolgreich verlaufen sein würde.

Das Studienobjekt hat sich natürlich wie erwartet geschlagen und darf zur Feier des Anlasses noch einmal etwas aus Plastik auswickeln. Wenn ich eines bisher von den Tieren gelernt habe, dann ist es, dass man weniger reden sollte und sich mehr auf die Couch einfach mal hinlegen sollte ohne zuviel zu denken, woher das nächste Stück aus Plastik wohl kommt.

Was soll ich sagen. Sie haben recht. Schade, dass ich dies als Mensch vermutlich nie begreifen werde und wir uns lieber gegenseitig mit Scheiße beschmeißen und einfachen Gedanken und Emotionen uns gegenseitig provozieren. Das dies nur noch mental stattfindet, erscheint mir nicht wirklich ein zivilisatorischer Fortschritt zu sein.

Sorry, ein solcher Beitrag muss auch mal sein. Aber es erscheint einem manchmal wirklich so als würde das Kennenlernen neuer interessanter Menschen manchmal wesentlich schwerer sein als man dies zunächst annehmen würde. Je älter ich werde, umso mehr langweilen mich solche 0815-Smalltalks, die auf Klisches aufbauen. Unsere Zeit ist zu kostbar dafür!

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Schöne Anekdote und tolles Fazit!

Hast du zufällig Wirtschaftsinformatik studiert, wenn man fragen darf?:D

Danke. Freut mich, wenn am Ende das böse Augenzwinkern verstanden wurde ;)

Hast du zufällig Wirtschaftsinformatik studiert, wenn man fragen darf?:D

Hm, Treffer und versenkt. Unbeliebtetes Studienfach über mehrere Jahre und stolz darauf ;D

Ja interessant, bin auch am überlegen, ob ich Wirtschaftsinformatik studueren soll:D

Hattest du als du angefangen hast schon Erfahrungen in Informatik und wie gut bist/warst du in Mathe?

Man hört ja immer wieder nur, dass Wirtschaftsinformatik relativ mathelastig sei bzw auch sehr anspruchsvoll.

Würde mich sehr interessieren.
Grüße!

Wirtschaftsinformatik hat halt zwei Themen dabei bei dem viele Menschen entnervt die Augen verdrehen. Ich erwähne dies nur, weil man es als Vor- und Nachteil sehen kann. Du siehst an Hand dieses Textes ja, was für Gespräche Dir irgendwann blühen.

Der Informatik bin ich bereits seit der Kindheit verfallen und extrem früh dabei gewesen. Außer eben die akademische Arbeit damit hat mir das Studium in dem Bereich nichts gebracht. Der wirtschaftliche Teil war somit das wirkliche Neuland. Am Anfang war dies quasi ein BWL-Studium, nur mit einigen zusätzlichen Fächern.

Ein wenig hartnäckig und verbissen sollte man sich einigen Themen schon widmen. Wer leicht Aversion gegen Themen aufbaut und damit nicht klar kommt, wird sicherlich an einige problematische Stellen laufen. Mathe bin ich nie besonders gut gewesen, es lässt sich eben auch da allerdings lösen, wenn man genug Zeit mitbringt sich dort auch einzuarbeiten.

Unterm Strich ist die Wirtschaftsinformatik eine Dolmetscherrolle zwischen der BWL und der Informatik, da es dort viele Kommunikationsprobleme gibt und man eben vermitteln kann. Entsprechend oft suchen Firmen heutzutage eben auch sowas. Meine Wahl damals war etwas zu nehmen, was ich kann (Informatik) und etwas in das ich mich einarbeiten muss (Wirtschaft). Gerade eben auch Themen wie VWL und Steuern, die eigentlich nirgends in Informatik vorkommen, helfen einem danach im Leben durchaus ein wenig weiter.

All meine Aussagen beziehen sich vorwiegend auf das Diplom. Kann sein, dass die Bachlor und Master heutzutage ganz anders organisiert sind. Wenn Du noch andere Fragen hast, stehe ich gerne zur Verfügung.

Okay danke!

Wenn Du noch andere Fragen hast, stehe ich gerne zur Verfügung.

Vielen Dank:)

Grüße und schönen Sonntag!

Ein schöner Rant! Ja, wenn man in unseren Breitengraden mal eine etwas differenziertere Einstellung an den Tag legt, hat man einen schwierigen Stand.

Ja, leider. Wobei eigentlich diese Art von Gesprächen jeden langfristig auf den Senkel gehen sollte. Es reicht ja oft eine neue Person im Kreise und schon beginnt wieder alles bei Null. Vermutlich muss man konsequent sein, den Kopf abschalten und dann das normale Programm (am besten Wortgetreu) wiedergeben... ;)

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Lieben Gruß
knochenhd

Teilweise musste ich mir immer wieder einen abgrinsen :D
Man liest die Introversion förmlich heraus, ich kann deine Gedanken in dem Zusammenhang wirklich gut nachempfinden :D
Fairerweise muss man zugeben, dass Smalltalks und nur flüchtige Informationsaufnahmen für extrovertierte Menschen einfach besser funktionieren und auch sie ihre Daseinsberechtigung haben.
Menschen sind nun mal nicht alle gleich^^

Das stimmt vollkommen. Und ja richtig erkannt, ich zähle mich da eher zu den introvertierten Charakteren. Da geht einem meist wesentlich mehr durch den Kopf als bei einem Extrovertierten, der manchmal scheinbar wirklich einfach nur losredet und nicht überall alles gleich auf die Goldwaage legt.

Trotzdem! Je älter man wird, umso mehr ermüden einen solche typischen Smalltalks, die man dann schon zig mal geführt hat. Wir haben einfach viel zu wenig Zeit um uns über solche Themen zu unterhalten und manchmal will man eben auch nur jemanden kennenlernen und nicht gleich ein neues Netzwerk aufbauen ;)

Ich kann das wie gesagt gut nachempfinden, es kann wirklich depremierend sein.

Ich kann mir vorstellen, dass das Smalltalkthema nicht mehr so anstrengend wirkt, wenn man es als das akzeptiert was es im Grunde ja auch ist, etwas total unpersönliches und gedankenloses.
Akzeptieren kann man in dem Fall wohl auch mit abstumpfen gleichsetzen^^ aber ich denke das anstrengenste daran wirklich, dass man es sich zu sehr zu Herzen nimmt oder wie auch immer man es nennen will.

und manchmal will man eben auch nur jemanden kennenlernen und nicht gleich ein neues Netzwerk aufbauen ;)

Mit "man" meinst du dich nehme ich an :P
Den Extrovertierten liegt oft ja reichlich wenig daran ,:D
Sind halt 2 komplett gegensätzliche Persönlichkeitstypen, die alle für sich irgendwie einen geeigneten Weg finden müssen/sollten/können/was auch immer, um miteinander zu leben^^

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