Eine freie Gesellschaft braucht ein Fundament. Teil 30 (Abschaffung der Monopole?)

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Abschaffung der Monopole?

Monopole agieren so oder so, jedenfalls aus sich heraus stets fraglos. Denn ihr Tauschgut wird gebraucht. Sonst gäbe es sie nicht. Deshalb ist ihr Tauschgut am Markt auch immer absetzbar, und zwar fast zu jedem Preis und fast in jeder Rechts-(Vertrags-)gestalt. Wenn die Tauschgutabnehmer die Monopole sich selbst überlassen, dann wuchern sie eben und praktizieren Willkür. Allein schon die Gefahren von Wucher und Willkür stehen dem Bestreben nach Freiheit entgegen, ganz unabhängig davon, ob Wucher und Willkür auch wirklich in Erscheinung treten.

Im Geschäftsumgang mit Monopolen verlieren die Tauschpartner ihre „König-Kunde“-Position (s. Teil 11 und Teil 25 in #freie-gesellschaft). Das beschränkt die individuelle Freiheit erheblich. Hier hat die Gesellschaft einen unübersehbaren und empfindlichen Schwachpunkt, und zwar sowohl in ökonomischer als auch in juridischer Hinsicht. In ökonomischer Hinsicht besteht Gefahr des Wuchers (s. Teil 11), in juridischer Hinsicht die Gefahr der Willkür (s. Teil 25). Diese Gefahren zeigen sich besonders beim Staatsmonopolismus. Sie können das Naturrecht des freiheitsbegabten Menschen zunichte machen.

Freie Güterbewertung („checking“) und Machtgleichgewicht („balance“) sind die untrüglichen Merkmale eines naturgemäß funktionierenden Wettbewerbs. Das Prinzip „check and balances“ verlangt, dass es beim Tausch jeweils zwei „Kunden-Könige“ gibt (Ludwig von Mises). Weil jeder Tauschpartner wegen der Bilateralität des Tausches auch Güterabnehmer ist (wobei das Tauschgut Geld eine große Rolle spielt), ist er in dieser Rolle stets König des Geschäfts. Das Herrschaftsverhältnis zwischen den Tauschpartnern ist ausgewogen und die Marktmacht, die jeder von ihnen hat, ist ausgeglichen.

Das Prinzip „check and balances“ kann innerhalb einer leistungsteiligen Tauschgesellschaft nur dort zum Zuge kommen, wo jeder Güteranbieter gezwungen ist, das Interesse des Güterabnehmers in seine Pläne und Aktivitäten einzubeziehen. So ist der Egoismus bei allen Tauschpartnern an den Altruismus gebunden (Bernard de Mandeville, Adam Smith). Das ist beim Auftreten von Monopolen nicht der Fall. Die Tauschpartner sind daher bestrebt, möglichst überall am Markt Wettbewerb zu haben. Und es liegt nahe, den Monopolismus ganz vom Markt verschwinden lassen zu wollen.

Bevor man Überlegungen in diese Richtung hin anstellt, sollte man sich an folgende Fakten erinnern:

  1. an den gesunden Egoismus eines jeden, d. h. den Drang, das eigene Leben möglichst weit auszudehnen;
  2. an den natürlichen Freiheitsdrang, d. h. sich nicht ungebührlich fremdbestimmen zu lassen.

Diese beiden Gegebenheiten zwingen zu folgenden Überlegungen.
Der Ökonom Walter Eucken erkennt: Bei allen Individuen ist „ein tiefer Trieb zur Beseitigung der Konkurrenz und zur Erwerbung von Monopolstellungen... lebendig“ (1990). Jeder von uns strebt, sofern er sich mit seinem Leistungsangebot im Wettbewerb befindet, wie selbstverständlich nach dem Sieg über die Mitbewerber. Und das soll er auch. Wozu sonst Wettbewerb? Manchmal gehen wir im Wettbewerb als Sieger hervor. Die anderen sind bezwungen. Wir sind Monopolist. Es besteht für die Anderen meistens wenig Hoffnung, uns vom Siegertreppchen wieder herunter zu stoßen. Wenn dies dennoch gelingt, steigt sofort ein Anderer da hinauf. Wenn es gut läuft, gelingt es ihm, seine Monopolstellung zu stabilisieren.

Noch eine weitere Beobachtung in diesem Zusammenhang ist interessant: Oft sind wir Monopogutabnehmer es selbst, die die Monopole machen. Unser Egoismus in Verbindung mit unserem freien Willen treibt uns geradezu, aus dem Wettbewerb heraus Monopole zu erzeugen. Wollen wir z. B. unser Recht durchsetzen, strebt jeder im Hirn einigermaßen übersichtlich Organisierte danach, die effektivste Rechtsdurchsetzungsinstanz (Exekutive) hinter sich zu bringen. Dadurch verschwinden über kurz oder lang alle anderen vom Markt. Die effektivste erlangt eine Monopolstellung. So entsteht aus dem Wettbewerb heraus auf ganz natürliche Weise ein Exekutivmonopol.

Ähnliches spielt sich auch in anderen gesellschaftlichen Leistungsbereichen ab. Das Prinzip Wettbewerb enthält offenbar das Prinzip Monopolismus schon in sich, und zwar unabtrennbar. Der Wettbewerb ist - im Verein mit dem Egoismus des Einzelnen und seinem Freiheitsdrang - aus sich selbst heraus stets darauf aus, Monopole zu erzeugen. Lässt man die beiden Voraussetzungen Egoismus und Freiheit (s. o.) fallen, dann ist eine monopolfreie Gesellschaft zumindest denkbar. - Ich überlasse es meinen Lesern, ob sie sich den Menschen als selbstloses und unterwürfiges Kuscheltier vorstellen wollen oder doch lieber nicht.

Wettbewerb impliziert Monopolismus. Wenn also die in den Teilen 11 und 25 aufgewiesenen Gefahren des Monopolismus dadurch beseitigt werden sollen, dass man die Monopole abschafft, müsste folgerichtig zugleich Wettbewerb abgeschafft werden. Weil es unter vernünftigen Menschen niemanden gibt, der das will, muss darüber nachgedacht werden, wie das Gespann Wettbewerb-Monopolismus angemessen eingeschirrt werden kann, und zwar im Hinblick auf den Egoismus und die Freiheitsbegabung des Menschen. Die Dichotomie „Wettbewerb oder Monopolismus“ ist jedenfalls unzulässig.

Solange der Wettbewerb am Mark so stark ist, dass er die Sieger immer wieder vom Podest stoßen kann, ist Monopolismus kein Problem. Denn im reinen Wettbewerb bestehen die Gefahren des Monopolismus nicht. Dieser Umstand veranlasst einige Ökonomen, ihren Wunschmarkt ohne Monopole zu denken. Gegen solches Denken spricht das Beobachtbare. Das spricht eher dafür, dass eine Gesellschaft das Prinzip „check and balances“ (s. o.) erst dann überall realisieren kann, wenn sie auf den Kampf gegen die Gefahren vorbereitet ist, die vom Monopolismus her drohen. Wie auch immer man zum Monopolismus stehen mag, man tut gut daran, mit dessen Auftreten zu rechnen.

Die Vorbereitungen für den Kampf gegen die Gefahren des Monopolismus sind schwierig und umfangreich. In späteren Teilen der Serie #freie-gesellschaft komme ich darauf zurück. Unabhängig davon, ob es überhaupt gelingt, Monopolstellungen überall niederzureißen, stellt sich die Frage: Kann die generelle Beseitigung des Monopolismus zugunsten eines allumfassenden Wettbewerbs die erwünschten Vorteile bringen? Die Antwort auf diese Frage suche ich zuerst auf dem Gebiet der Ökonomie, was jetzt im Anschluss folgt, dann auf dem Gebiet des Rechtsschutzes (im Folgenden in Teil 31). Schließlich nehme ich noch eine wichtige Unterscheidung beim Monopolismus hinsichtlich der Dringlichkeit seines Leistungspotentials vor (im Folgenden: Dies wird Teil 32 werden)

Monopole bei den Versorgungsnetzen

Auf den ersten Blick erscheint es als unnötig, regionale und überregionale Ver- und Entsorgungsbetriebe aus dem Wettbewerb herauszunehmen. Einrichtungen wie Wasser-, Abwasser- und Energieversorgungsbetriebe ähneln wirtschaftsstrukturell sehr stark den Versorgungsbetrieben für die übrigen alltäglichen Lebensbereiche, die im Wettbewerb stehen. Allerdings fällt auf, dass die Genannten im Vergleich zu letzteren außergewöhnlich boden- bzw. netzgebunden sind, z. B. die Abwasserentsorgung. Man stelle sich vor, man würde drei konkurrierende Wasserentsorgungsnetze auf ein und demselben Terrain nebeneinander haben. Man hätte zwar den Wettbewerb. Aber jedes hätte seinen Preis. Die dreifache Investition und Erhaltung wäre ein finanzieller Kraftakt, der letztlich von den Nutzern erbracht werden müsste, von der höheren Naturbelastung einmal ganz abgesehen.

Allumfassender Wettbewerb würde z. B. auch konkurrierende Straßen- und Stromverteilernetze auf ein und demselben Territorium erfordern. Vor allem bei Netzbetrieben ist leicht zu sehen, dass sie zum Vorteil aller Nutzer Monopole sein müssen. Von der Bestückung bzw. Beschickung der Netze hingegen dürfte eine Rechtfertigung des Monopolismus nicht gelingen. So wäre es aus Kostengründen durchaus marktgerecht, Straßen- und Schienennetzverwaltungen monopolistisch zu betreiben, Bus- und Eisenbahnbetriebe hingegen nicht. Diese könnten eine Domäne des Wettbewerbs sein. Auch müsste etwa die Einspeisung in territorialübergreifende Energieverteilernetze (z. B. beim elektrischen Strom) kein Monopol sein. Für die Verteilernetze selbst lassen sich jedoch gute Gründe für eine Monopolökonomie anführen. Bei Verkehrswegen zu Lande und zu Wasser, bei Kommunikationsnetzen wie Telefonleitungen, Medienkabeln, bei Leitungsnetzen der Wasser-, Gas-, Stromversorgung dürfte sich Wettbewerb nicht rechnen. Der hohe Ressourcenaufwand würde letztlich zulasten der Nutzer gehen.

Es ist bereits oft darüber debattiert worden, ob und wieweit der Schutz vor Unwägbarkeiten und Gefahren (z. B. durch Feuerwehren, durch technische und medizinische Hilfsdienste, durch Schutzeinrichtungen gegen Unwetter und Erdbeben usw.) eine wettbewerbswirtschaftliche oder eine monopolwirtschaftliche Dienstleistung sein sollte. Eine Legitimation des Monopolismus in solchen Leistungsbereichen hat allein im Tauschgutabnehmerinteresse zu erfolgen. Überall dort, wo das nicht gelingt, ist dem Wettbewerb der Vorzug zu geben.

Den Ausschlag für eine Entscheidung darüber, ob man Monopolismus dulden muss oder nicht, dürften Optimierungsgesichtspunkte geben, und zwar aus Sicht der Nutzer und Verbraucher. Jedenfalls wäre es unsinnig, sich mit viel Aufwand z. B. konkurrierende Schutzeinrichtungen zu schaffen, die man vielleicht nur einmal oder fünfmal oder gar nie im Leben braucht, die man jedoch ständig bereithalten muss.

In einigen ökonomischen Bereichen kann es also auch für ein radikal freisinniges Individuum durchaus als vorteilhaft erscheinen, wenn die wirtschaftliche Leistung von einer einzigen Einrichtung erbracht wird. Letztlich zählt die Effizienz, und zwar in Bezug und mit Rücksicht auf die Abnehmer des Tauschguts. Abgesehen von Wettbewerbszusammenbrüchen und Bestrebungen der Markteroberung werden früher oder später in jeder Gesellschaft Einrichtungen ent- und bestehen, die der Bedarf als Monopole verlangt. Für die Befriedigung dieses Bedarfs so etwas wie Staat zu fordern, lässt sich mit solcher Argumentation nicht begründen. Denn aufgrund bisheriger Erfahrungen darf erwartet werden, dass hier private Unternehmen durchaus von größerem Nutzen sind als die staatlichen, auch dann, wenn sie eine Monopolstellung innehaben. Nur muss man sich dann Gedanken darüber machen, wie die ökonomische Macht, die sie dadurch erlangen, im Interesse der Nutzer in Schranken zu halten ist (Dazu werde ich noch Möglichkeiten Zeigen, wie das gelingen könnte)

Teil 30 ist nun zu Ende, in Teil 31 der Serie #freie-gesellschaft schauen wir und Monopole beim Rechtsschutz genauer an.

Euer Zeitgedanken

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