Was ist Allmende?

in #de-stem6 years ago (edited)

Neulich habe ich mich mit ein paar Bekannten unterhalten und wie so üblich im Gespräch kam man "vom Hölzchen aufs Stöckchen" und irgendwann warf ich den begriff Allmende ein und ich war überrascht, dass keiner der Anwesenden den Begriff kannte, obwohl ich es vom Bildungsgrad der Leute her erwartet hätte: Abi, FH- und Uni-Abschluss.

Daher dachte ich mir, dass dieses Thema einen Artikel wert ist.

Was genau ist Allmende und woher kommt der Begriff?

Das Wort Allmende steht für eine besondere Form des gemeinschaftlichen Eigentums und stammt aus dem mittelhochdeutschen und bedeutet "was allen gemein ist". Im englischen ist Allmende unter dem Begriff "Common land" ebenfalls geläufig.

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[Symbolbild; CCO, Pixabay]

Im Mittelalter war die Allmende ein wichtiger Faktor, der vielfach sehr wichtig für das Überleben der einfachen Bevölkerung – also für die absolute Mehrheit – war.

So konnten die Bauern ihre Viehherden auf den Wiesen kostenlos grasen lassen, die Menschen konnten in den Wäldern frei Jagen und in den Seen frei fischen. Somit konnten die Menschen nicht nur für mehr Abwechslung auf dem Speiseplan sorgen sondern konnten aktiv etwas gegen Missernten unternehmen.

Aber auch die Bevölkerung, die nicht bäuerlich lebte, konnte in den größeren Dörfern oder kleineren Städten, von dem freien Wald- und Wiesenzugang profitieren.

So konnte man zum Beispiel seine einzelne Schweine einem Dorf- bzw. Gemeindehirten anvertrauen, der die Tiere auf die Wiese oder in die Wälder zum weiden trieb.


["Schweinehirte im Mittelalter", Quelle: Wikimedia]

Freier Zugang in die Wälder war auch aus anderen Gründen wichtig. So konnten die Menschen Brennholz oder Kräuter sammeln. Das zweite war nicht nur wichtig um diverse Krankheiten zu kurieren, sondern auch um die Speisen aufzwerten.

Dass das ganze ein wichtiges Anliegen war, sieht man darin, dass es auch offizielle Dokumente dazu gab. So garantierte die "Charter of the Forest" aus dem Jahr 1217 den Menschen folgendes:

"Jeder freie Mensch darf deshalb, ohne verfolgt zu werden, im Wald oder auf dem Land eine Mühle, [...] einen Wassergraben oder kultivierbares Land im Dickicht errichten, unter der Bedingung, dass dies nicht irgendeinen Nachbarn schädigt."

Ende des Mittelalters war auch das Ende für die Allmende

Das Ende des Mittelalters bedeutete auch das Ende für den großen Teil der Allmendegüter. Speziell in Deutschland und in England haben sich im Laufe des 15. und des 16. Jahrhunderts die weltlichen Herrscher große Teile der Allmendegüter angeeignet und sie als privat deklariert d. h. sie galten ab da hin als Privatbesitz → Allmende-Raub.

Dieser Raub hatte weitreichende Folgen. Die ersten Folgen äußerten sich in Form von bewaffneten Konflikten. In deutschsprachigen Gebieten kam es zu dem sog. Deutschen Bauernkrieg.

Die weiteren Folgen waren, dass eine kleine Schicht schnell reich wurde und den "Geldadel" bildete. Große Teile der Kleinbauern, die vorher selbständig waren und gut über die Runden kamen, konnten ohne Allmende nicht weitermachen, verarmten über die Zeit und aus denen rekrutierte sich nach und nach die Schicht der abhängigen Lohnarbeitern in den Städten.

Quellen:

  1. https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/allmende/256
  2. https://de.wikipedia.org/wiki/Allmende
  3. https://en.wikipedia.org/wiki/Common_land
  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeindehirte
  5. http://info.sjc.ox.ac.uk/forests/Carta.htm
  6. https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Bauernkrieg
  7. https://www.zeit.de/karriere/2016-11/martin-luther-reformation-arbeit-kapitalismus
  8. https://www.heise.de/tp/features/Ich-habe-was-was-du-nicht-hast-3368412.html
  9. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftswissen/allmende-wo-kuh-und-schaf-gemeinsam-grasen-1581179.html
Sort:  

Ich muss sagen, ich kannte den Begriff auch nicht. Asche über mein Haupt. Ist aber interessant zu wissen.

Eine Sache: Ob Kleinbauern im Mittelalter selbstständig waren, hängt doch sehr von der Gegend ab? Im Feudalismus waren sie ja oft Leibeigene des Lehnsherrn.

Ja, dass ist ein wichtiger Einwand, der Status der Bauern war je nach Mittelalter-Abschnitt und je nach der Region sehr unterschiedlich. Vielleicht gibt das ganze Thema (Leibeigene, Halbfreie, Wehr- und Freibauern) ein weiteren Artikel her.

@sco, habe da zu diesem Thema einen weiteren Artikel verfasst:

Das Leben der Bauern im Mittelalter

Die Allmende ist in der Tat eine sehr interessante Sache. Weil sie eben doch zeigt, dass einiges an Verständnis, dass wir über die "dunkele Zeit" haben eben doch eher ein verklärter Blick aus der heutigen Zeit ist. Den die Menschen damals haben durchaus auch bereits Kooperativ gelebt.

Der hier teilweise aufgekommende Feudalismus wird ja teilweise auch falsch verstanden. Zwar waren die meisten Menschen von anderen abhängig, doch es war ja keineswegs so, dass der Fürst ständig vor Ort rumlungerte. Dafür war die Infrastruktur und die Kommunikation zu schlecht und so mancher Fürst blieb lieber gleich ganz daheim. Somit war das Leben auf dem Land oft wesentlich freier als wir es uns heute vorstellen.

Die Allmende war vermutlich ein wirklich wichtiger Aspekt um den sozialen Frieden zu wahren und wurde IMHO vorwiegend im Süden praktiziert. Allerdings gab es ähnliche Ansätze auch in Skandinavien. Hier gibt es das sogenannte "Jedermannsrecht", dass sicherstellt, dass ein grundsätzliches Überleben gewährleistet sein muss. Dies führt soweit, dass Menschen für einige Tage bei Euch auf dem Grundstück campieren dürfen. Der Name hierfür ist dort "allemansrätten" und zeigt vom Namen her, woher es kommt. Ein ähnlicher Ansatz gibt es auch in Bayern und ich glaube auch in der Schweiz.

Somit wurde insbesondere der Norden mit seinen großen Fürstenhäusern im Laufe der Jahrhunderte doch ein wenig beraubt...

Danke dir - diese Bildungslücke muss ich auch gestehen - vielleicht ist es aber auch nicht gewollt, dass dies bekannt wird - Allmende ist auch kein Allgemeingut mehr ;-)

Es ist sicher nicht wünschenswert, wieder die Vergangenheit wiederzubeleben, aber den Grundgedanken schätze ich sehr. Da gibt es dann Verantwortung für das eigene Handeln und Respekt vor der Natur.

Unser Weg führt eher in diese Richtung:

„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

Weissagung der Cree

Danke für deine Anregung!

Den Begriff kenne ich auch erst seit etwa 5 Jahren, wenn ich ehrlich bin.
Und zwar durch die "Tragik der Allmende". Aber seitdem hat sich dieser Begriff, v.a. in diesem Zusammehang, förmlich in mein Gedächtnis eingebrannt. ;-)

Hier in der Schweiz hat jede Stadt eine Allmend. Das ist ein üblicher Begriff. Übrigens bedeutet "Allmende" grundsätzlich ein Allgemeingut, wie z.B. Wasser und Luft.
Kürzlich habe ich einen Blogartikel pber die "Tragödie der Allmende" geschrieben:

https://steemit.com/de-stem/@paaddor/ich-nehme-dieses-wunderbare-thunfischcarpaccio-es-sind-ja-bloss-100-gramm

Danke für deinen Artikel zum Thema - ich muss wohl noch mal neu sinnieren, weil ich nur die guten Seiten gesehen habe (siehe meinen Kommentar hier) - aber deine Geschichte - sehr nachvollziehbar - zeigt eben auch wie wir Menschen ticken bzw. wie die Umwelt uns beeinflusst, selbst wenn es ungünstig für uns ist. Wir merken es nur viel zu spät... Danke dir.

Da kommt mir noch eine Geschichte in den Sinn, die ich jeweils meinen Studenten erzählt habe: Zwei arme Bauern lassen ihre einzige Kuh auf der Dorfallmende grasen. Dafür ist die Allmende da. Die Kühe gedeihen gut und werden bald gross. Die Bauern können sie so gut verkaufen, dass sie mit dem Erlös je zwei Kälber kaufen können, die nun anstelle der Kühe die Allmende nutzen. Jedesmal, wenn ein Bauer eine schöne, grosse Kuh verkauft und dafür zwei weitere Kälber auf die Allmende treibt, macht es ihm der andere Bauer nach. Solange beide je ein paar wenige Tiere haben, geht alles gut. Doch ab acht oder zehn Kühe pro Bauer, gibt die Allmende nicht mehr genug her. Die Kühe finden nicht mehr genug Grass und magern ab bis sie notgeschlachtet werden müssen.

Ja die Menge macht's - bei uns Menschen auch. Je größer die Stadt desto mehr Anomität und so weiter...Und die Gier die sich irgendwie entwickelt... Futterneid?? Es wäre genug für alle da...

Danke auch für diese Geschichte.

Hi @vladimir-simovic!

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Noch nie gehört, weis nur dass es Holzsammel-Berechtigungs-Scheine gibt, die man sich beantragen kann. Wobei es ja kaum noch Wälder gibt, das meiste ist Forst.

Inhaltlich kenn' ich das Prinzip, aber der Name ist jetzt neu verdrahtet.

Sehr anschaulich von Dir erarbeitet, danke schön!

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