Gedichte und Fragmente #27 --- Über Liebesgedichte - #1

in #deutsch5 years ago


Die Menschen des 21. Jahrhunderts sind nicht mehr so empfänglich für Liebesgedichte. Es ist nicht von der Hand zu weisen; Zahlen belegen es und einige psychologisch-soziologische Tatsachen lassen logisch darauf schließen. Dennoch gibt es noch die Ausnahme unter der Regel — Menschen, die sich sehr wohl noch von einem Liebesgedicht bewegen und beeindrucken lassen und die in der Geste eines selbst geschriebenen Gedichts einen unweigerlichen Liebesbeweis sehen.

Zur Zeit der Mînne – um ca. 1150 bis 1250 nach unserer christlichen Zeitrechnung – stand es noch anders um das Liebesgedicht, denn am Hof der Adeligen war die Liebeslyrik ein fixer Bestandteil der alltäglichen sozialen Normen. Es galt damals noch als eine Ehrerweisung einer Dame am Hof ein Mînnelied vorzutragen, obgleich der Dichter um die Unerreichbarkeit der Angebeteten wusste. Diese Form der Liebesdichtung gegenüber seiner Herrscherin nannte man die »Hohe Mînne« — Hartmann von Aue wird der bedeutende Schritt einer Differenzierung zugewiesen, die aus der Hohen Mînne eine Mînne der Gegenseitigkeit entstehen ließ. Zur höchsten Vollendung brachte diese Art der Mînne Walter von der Vogelweide, indem er eine neue Erlebniskraft und Gefühlswärme erzeugte. Das folgende Gedicht will dies veranschaulichen:

„Nehmt, Gräfin, diesen Kranz!“
So sagte ich zu einem schönen Mädchen.
„Dann schmückt Ihr diesen Tanz
mit den schönen Blumen, die Ihr tragt.
Hätte ich Edelsteine,
sie müssten auf Euer Haupt,
wenn Ihr mir das glaubt.
Seht meine Aufrichtigkeit, dass ich es wirklich meine.“

Dem Wissenschaftler Norbert Elias zufolge sei die Liebeslyrik eine Mittel die Triebe zu steuern gewesen; ein Versuch den Menschen zu regulieren — In Anbetracht der Tatsache, dass viele Adelige einfache Mädchen und Frauen einfach vergewaltigt haben, blieb es in den meisten Fällen wohl eben nur ein Versuch.

Im Laufe der Zeit verschwand diese Art des Werbens aus den verschiedensten Gründen. Doch auch wenn das Liebesgedicht in den heutigen Tagen eher eine antiquierte Form ist, um seine Zuneigung zum Ausdruck zu bringen, ist der Wunsch nach Aufmerksamkeit und Umwerbung nicht versiegt. Auch heute noch kann ein selbst geschriebenes und aufrichtig gemeintes Liebesgedicht, das Herz einer anmutigen und begehrten Frau erobern.


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