Von Willenskraft und den eigenen Grenzen - Für sich und andere ein guter Partner sein ! (Philosophisches Wandern mit Rachel)

in #deutsch6 years ago

Gestern war es wieder so weit, ich war wandern.


Ihr kennt das ja schon von mir, ich nehme euch gerne mit auf meine inneren und äußeren Wege und so kombiniere ich wieder meine Gedanken mit den entstandenen Bildern dieser Reise.

Als ich in der Ermitage startete, war mir schon durchaus bewusst, dass dieses Vorhaben symbolisch sein würde. Mir war nicht klar, wie weit ich später über meine Grenzen hinaus gehen muss, aber ich wusste, ich möchte mich mit meiner Willenskraft und inneren Stärke verbinden. Die Ermitage ist ein wundervolles Tal, umgeben von prächtigen Hügeln und einer Burg am Eingang, kann man den See in der Mitte auf diversen Wegen umrunden. Genau das machen die meisten Spaziergänger auch. Einfach die wundervolle Natur genießen.

Ich jedoch, wollte hoch hinaus.

Die Schlucht entlang, am Ende des Tales nach oben und dann über die Ebene weiter zum Gempenturm, dem höchsten Punkt der Gegend. Ungefähr 300 Höhenmeter zwischen dem Start und dem Zielpunkt. Für sportliche Menschen ein Kinderspiel, für mich jedoch eine riesige Herausforderung.

Ich dachte über meinen Lebensweg nach, meine Vergangenheit und meine Zukunft. Während meine Beine beim stetigen Bergaufgehen brannten, frage ich mich, wie viel Energie die Last meines Körpers mich all die Jahre gekostet hatte.
Ich meine damit nicht nur mein Gewicht, auch die seelischen Felsen, die auf meiner Seele lagen. So viel Lebenskraft, die ins Bodenlose hinein floss, anstatt ins Schöpferische.

Mit jedem Schritt wurde mir bewusster, jedes Kilo auf meiner Hüfte, steht für den Schmerz in meinem Innern. Ich trug die ganzen Polster all die Jahre symbolistisch mit mir durchs Leben.

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Ich stapfte hoch, Schritt für Schritt, während mir viele Leute von oben entgegenkamen und leichten Ganges den Berg hinunter schlenderten. Die meisten von ihnen, sind mit dem Postauto nach oben gefahren und ich musste lächeln. Natürlich hätte ich auch einfach hinauf fahren können und ja, ich gebe es zu, ich hatte sogar vorher darüber nachgedacht. Aber ich wollte gar nie den einfachen Weg gehen, ich wollte kämpfen. Ich brauchte diese Herausforderung genau jetzt, um mir selber zu beweisen, ich kann das.

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Als ich in der Mitte ankam, war ich schon fix und alle.

Ich warf einen Blick auf den Felsen, musterte kurz meine Füße und dachte, dass schaffe ich nie im Leben, never!

Ich wusste, es gibt 100 Wege nach unten, so viele Schnittstellen zwischen hier und dem Turm, an denen ich abbiegen und zurück ins Tal gehen könnte, wenn ich wollte. Also sagte ich zu mir, »du gehst jetzt einfach erst einmal bis da an die Weggabelung, dort schauen wir weiter.« Und so überwand ich Meter um Meter, nie den Gipfel, sondern immer die nächste Kreuzung im Auge. Irgendwann merkte ich, ich kann wirklich nicht mehr und begann, Freunde anzuschreiben um mir Unterstützung einzuholen.

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Ich wusste, auf wen ich da zählen kann und so ging ich die nächsten Meter zwar physikalisch alleine, aber mit dem Support meiner sportlichen Begleiter. Eines meiner Kiddies fragte mich zufällig, was ich gerade mache und ich sagte, ich wandere auf den Gempen. Ich schickte Joni ein Foto und sagte, »da hinauf will ich noch!«

Joni: »Woaaa, das sieht aber anstrengend aus, schaffst du das?«
Rachel: »Ich werde es schaffen, weil ich es schaffen will.«
Mein kleiner 10 jähriger Freund schrieb zurück: »Ich bin so stolz auf dich Rachel, schickst du mir ein Foto, wenn du oben bist, dann zeig ich das den anderen, hab dich lieb.«

Da wusste ich, aufgeben ist im Leben keine Option.


Wie soll ich den Kindern ein Vorbild sein, wie soll ich mit erhobenem Kopf durchs Leben gehen, wenn ich meine eigenen Versprechen nicht halten kann?

Ich ging Meter für Meter, mein ganzer Körper brannte inzwischen. Sämtlich Muskeln meldeten sich zu Wort, doch irgendwie genoss ich den Schmerz und die Kraft meines Willens über meinen Leib.

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Ich wusste, ich würde es schaffen und mir wurde bewusst, ich darf die Last meiner Seele loslassen. Ich brauche den Schutzpanzer meines Körpers nicht mehr. Das Gespräch, welches ich wenige Stunden zuvor mit der Nachbarin meiner Mama führte, kam mir in den Sinn. Mir wurde klar, mit wie viel Stolz ich mich geoutet hatte. Am Anfang, wenn ich jemandem versuchte zu erklären, wie ich mich selber wahrnehme, fühlte ich sehr viel Schuld und Scham. Ich hatte Angst vor Ablehnung und war mir meiner selbst nicht sicher. Doch an diesem Morgen outete ich mich voller Selbstbewusstsein, stolz auf den Menschen, der ich bin und den Weg, den ich gehe. Keine Spur von Angst oder gar Scham. Ich war kein Opfer mehr, ich war Schöpfer meines Körpers und meines Lebens.

Als ich oben auf dem Gipfel ankam, fühlte ich mich stark und ein Grinsen legte sich über mein knallrotes, schweißgebadetes Gesicht.

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Ich bin der Herr meines Lebens, meines Körpers und meiner eigenen Kraft.

Ich schickte Joni ein Bild von der Aussicht und schrieb ihm:

»Was immer du dir vornimmst in deinem Leben, ich weiß, du wirst es schaffen. Du bist ein wundervoller Junge und ich freue mich, dass ich dich auf deinem Weg begleiten darf. Du bist für mich etwas Besonderes, klug, stark, witzig und ein begnadeter Zeichner. Du bringst mich immer zum Lachen aber auch oft zum Nachdenken. Ich finde es toll, wie viele Gedanken du dir über die Welt machst und wie tolerant und großzügig du zu anderen bist. Ich hab dich lieb, grüß bitte deine Schwester, Mama & Papa von mir.«

Joni antwortete sofort:

»Danke Rachel. Du bist für mich ein richtig krasses Vorbild. Du machst vieles ganz anders, als alle anderen die ich sonst kenne, das finde ich richtig cool. Sorry das ich die ersten Jahre so blöd zu dir war und danke das du mich nicht aufgegeben hast. Die neue Kinderfrau, versucht es gar nicht erst. Ich wünschte, du würdest zu uns zurückkommen. Ich weiß das kannst du nicht, das versteh ich aber ich vermiss dich sehr.
In liebe, dein Jonathan.«

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Das Leben, was wir tun oder nicht tun, beeinflusst die Welt um uns herum. Es ist nicht nur für uns selber wichtig, wie wir zu uns stehen und unseren Weg gehen. Auch für die Menschen um uns herum, hat es eine große Bedeutung, wie Jonathan mir gestern sehr deutlich zeigte.

Ich bin so dankbar für alles und während ich da so sass, war für ein Moment jeder Groll auf meinen Körper, mein Leben, meine Familie vergessen. Völliger innerer Friede.

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Yeah es lebe meine alte Heimat. Diese Strecke habe ich, Du wirst es mir nicht glauben in meinen 20er Jahren mit einem Feund zusammen jede Woche als Trainingseinheit von Rheinfelden her kommend bis auf den Gempengipfel gemacht (Rhf-Magden-Olsberg-Arisdorf-Liestal) Ca. 50 km.

Ich hatte damals grad den Offizier im Militär abverdient und wir waren top fit. Spinner triffts wohl eher. Was will ich aber sagen. Deine beschriebenen Beschwerden, brennenden Beine, Gedanken ans aufgeben, all dies begleite mich jedesmal. Aber eines gab mir mein Grind nicht zu - wirklich abzubrechen und umzukehren, Niemals

Und wie sagte es schon Winston Churchill damals:

GIB NIE AUF, NIE, NIE, NIEMALS

Auch wenn Deine beschriebene Last unerträglich war, hast du über alle Höhen und Tiefen in deinem Leben gekämpft und wirst nun endlich dafür belohnt. Rachel es gibt keine schönere Genugtuung.

Und Du musst es auch niemanden sagen, erklären usw. Sie werden es an Deiner Positivität, deinem Strahlen und Lächeln eh merken, glaub mir.
Geh Deinen eigenen Weg unbeirrt weiter.

So ist es mein Lieber, niemals aufgeben und immer den eigenen Weg gehen 😊

Oh Rachel, wie schön! Da hast du ja wieder etwas ganz Besonderes zusammengezaubert... Du scheinst im Moment eine super coole Phase zu haben mit dir, deinem Körper und deinen Vorhaben. Du gehst deinen Weg - against all odds - und kommst an. Unterwegs verbreitest du noch deine Message!

Mal wieder sehr genial!

Ja total, mir gehts auch ruchtug gut gerade 😁

Ich wusste, es gibt 100 Wege nach unten, so viele Schnittstellen zwischen hier und dem Turm, an denen ich abbiegen und zurück ins Tal gehen könnte

Und du hast es nicht getan! Obwohl dir die Natur und das Leben so viele Möglichkeiten geboten hat den einfachen Weg zu nehmen, hast du den schwierigeren genommen. Warum eigentlich? Du hast es ja am Ende gemerkt: der Schwierigere Weg hat dir einfach mehr gebracht für dich und für die Zukunft!

Also keep on going you way! Es wird der Richtige sein! 😍

Jap, ich denke, es lohnt sich fast immer, den schwierigen Weg zu wählen 😊 schon alleine, weils der coolere ist 😉

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