"Ich bin Diaspra"//(3) Prolog: Teil 3

in #deutsch6 years ago (edited)

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...

„Benötigen Sie etwas?“ Fragte sie mich mit klarer, emotionsloser Stimme und forschendem Blick.

Ich wunderte mich darüber nicht mehr. Alle Besatzungsmitglieder der Immortal verhielten sich mir gegenüber ausgesprochen distanziert. Verübeln konnte ich es ihnen nicht, immerhin war ich ihnen wohl ganz genauso fremd, wie sie mir.

„Nein.“ Erwiderte ich ebenso distanziert. „Ich möchte das Schiff lediglich kennenlernen. Noch immer erscheint es mir wie ein Labyrinth in dem ich mich nur schwer zurechtfinde.“

Das war nicht einmal gelogen. Zwar konnte ich den Bordcomputer von jedem Ort des Schiffes aus erreichen, indem ich ihn einfach direkt Ansprach – was ein seltsames Gefühl war, da ich mir anfangs ziemlich schräg vorkam, mit einem Roboter zu reden, doch auch diese Navigation half mir lediglich marginal, da die Gänge des Schiffs auf nahezu allen Decks beinahe identisch aussahen und ich sie bisher nicht unterscheiden konnte. Zudem wollte ich ja nicht immer mit der Navigation des Computers umherlaufen. Ich versuchte daher, eine Möglichkeit zu finden, mich auch ohne diesen zu orientieren.

Bevor sie etwas dazu sagen konnte, spürte ich eine Hand auf meiner Schulter.

„Diaspra.“ Es freut mich, dass du dich entschieden hast, uns Gesellschaft zu leisten.“

Ich musste mich nicht umsehen um zu wissen, wer hinter mir aus dem Aufzug getreten war, seine melodische Stimme war unverkennbar.

„Nathaniel.“ Antwortete ich mit einem Anflug von Freude. Nathaniel war der Einzige auf der Immortal, mit dem ich mich, nahezu, normal unterhalten konnte. Er beantwortete meine Fragen, hatte stehts ein offenes Ohr und vermittelte mir zumindest ein bisschen das Gefühl, nicht vollkommen fehl am Platze zu sein, obwohl sich auch er distanziert und beinahe übertrieben förmlich verhielt.

Ich drehte mich um und schüttelte ihm die Hand, die er mir bereits höflich entgegenstreckte.

Auch Nathaniel trug eine weiße Uniform, wie der Rest der Besatzung. Seine jedoch wies ähnliche Verzierungen auf wie mein Kleid und war neben den kristallenen Rangabzeichen mit den gleichen funkelnden Diamanten geschmückt.

Auch wenn man mit der Kleiderordnung der Immortal nicht vertraut war erkannte man sofort, dass er nur der Kapitän dieses Schiffes sein konnte.

„Kleine Schwester, es freut mich, dass du dich entschieden hat, uns auf der Brücke zu besuchen. Ich bin sicher, du wirst dich zeitnah an die Gepflogenheiten auf der Immortal gewöhnen. Das Volk der Ynaer'i steht dir jederzeit zu Diensten. Sie werden ihr Bestes geben um dir die Gepflogenheiten unserer Kultur näher zu bringen und dich auf deine kommenden Aufgaben auf Asgaenus vorzubereiten.“

Mit großen, ausladenden Schritten lief er auf das Hologramm der Sternenkarte, vor dem die weißhaarige Frau noch immer mit ihrem Tablet-PC stand, zu und winkte mich heran.

„Malinea, würdest du Diaspra bitte unseren Kurs erklären?“

Er formulierte es zwar wie eine höfliche Frage, verlieh seinen Worten jedoch so viel Nachdruck, dass jeder merkte, dass es sich zweifellos um eine Aufforderung handelte, auf die er keine Widerrede duldete. Malinea schien davon vollkommen unbeirrt und tippte etwas auf dem Tablet.

Die Karte veränderte sich und die vielen kleinen Punkte verschwanden. Offensichtlich vergrößerte sie einen Ausschnitt.

Nun erkannte ich auch, was dieser darstellte. Es handelte sich um eine maßstabgetreue Abbildung unseres Sonnensystems – ach nein, ich meinte natürlich: Dieses Sonnensystems.

Im Zentrum befand sich die Sonne, der Stern des Systems. Rund herum bewegten sich kleine Kugeln, die 9 Planeten.

Merkus, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto, der Zwergplanet. Sie waren jedoch nicht in einer Reihe aufgelistet, wie ich es aus meinen früheren Schulbüchern kannte, sondern entsprechend ihrer aktuellen Position rund um die Sonne angeordnet.

Die Ellipsen und Kreise ihrer Umlaufbahnen erschienen als silberne Striche ebenfalls auf der Karte.

Doch nicht nur das Sonnensystem wurde dargestellt, auch die Immortal war zu sehen.

Sie befand sich auf einer kreisrunden Umlaufbahn in nächster Nähe zur Erde. Näher noch, als der Mond. Sogar die kleine menschliche Raumstation, die ISS – oder was von ihr nach ihrer Aufgabe noch übrig war, war als kleiner Punkt zu erkennen.

Wieder überkam mich ein kurzer Anflug von Sentimentalität. Die ISS war einst das Fortschrittlichste, was die Menschheit zu bieten hatte. Ihr Versuch, das All zu erobern und einen Außenposten ihrer Art zu erschaffen und zu manifestieren.

Doch auch dieses Vorhaben scheiterte letztlich an ihnen selbst. Sie schafften es nicht, die Raumstation zu erhalten da sie sich nicht über deren Finanzierung einigen konnten und das Projekt schlussendlich einstellten.

Die Ynaer'i, soviel hatte ich bereits mitbekommen, verachteten sie deshalb für ihre grenzenlose Dummheit.

Auch ich besaß zuletzt nur noch wenige Sympathien für diese Rasse, zu der ich mich viele Jahre lang selbst gezählt hatte, bevor ich erkannte, dass sie mir eigentlich schon immer vollkommen fremd waren. Auch wenn ich damals noch nicht wissen konnte, wie Recht ich damit behalten sollte.

Dennoch machte es mich nach wie vor traurig, dass es ihnen in all den Jahren nicht gelungen war, tatsächliche Erfolge in der Raumfahrt zu erzielen.

Sie haben Curiosity zum Mars geschickt, sich Fotos senden lassen und Signale aus fernen Galaxien abgefangen, jedoch nie ernsthaft daran gearbeitet, selbst tiefer in den Weltraum vorzudringen. Ja noch nicht mal eine Raumbasis auf dem Mond konnten sie realisieren.

Immer wurden Ausreden und Gründe gefunden, weshalb es angeblich nicht möglich sein sollte.

Kein Geld, technologisch zu aufwendig, ethisch nicht vertretbar – egal worum es ging, immer gab es angeblich gewichtige Gründe, die die Vorhaben letztlich verhinderten.

Dass dies alles nur vorgeschobene, meist frei erfundene Argumente waren, interessierte leider niemanden.

...


Prolog
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5

Kapitel 1
Teil 6

Sort:  

So, nun habe ich den Prolog fast geschafft. Mal sehen, wie lange es dauert, bis ich zum aktuellsten Stand vorgedrungen bin.


hatte stehts ein offenes Ohr [...]

Wird stets nicht "ohne h" geschrieben?

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