Wie es sich anfühlt mit dem Wohnmobil als Familie los zu machen - Oder - Vom Gefühl frei zu sein

in #deutsch5 years ago

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Ballast loswerden - Wie entwickelte sich alles?

Den Platz in unserer Wohnung haben wir stets ausgekostet. Wir verfügten über 60 qm Wohnraum. Viel Platz zu dritt. Genügend Raum, vor allem wenn der Haussegen schief hing. Als wir unsere Weltreise planten, wollten wir den ganzen Ballast loswerden. Nach dem Motto: Umso weniger Besitz, umso leichter. Hierzu gibt es auch viele spirituelle Weisheiten. Wieviele von den Dingen, die du besitzt, hast du seit längerer Zeit bis hin zu Jahren nicht mehr angesehen, nicht mehr gebraucht und trotzdem besitzt du sie.
Wir sind in den letzten Jahren ein paar mal umgezogen. Spätestens da merkt man immer wieder wie sinnlos es ist, all die Sachen „die man ja noch gebrauchen kann“ zu behalten. Genau so passiert es, dass wir irgendwann die Schränke von Opa und Oma ausräumen und uns fragen warum sie all die Sachen aufgehoben haben. Aber am Ende nimmst du eben nichts mit – nur deine Erfahrungen und Erkenntnisse...
Wir sortierten die Dinge in Kisten 1. Weltreise und 2. Einlagern.

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Zwei Kartons hatten wir zum Einlagern vorgesehen – am Ende wurden es vier.
Alles loszuwerden stellte sich aber schwerer raus als Gedacht. Besonders bei geliebten Dingen... Ich weiß noch als ich meine analoge Spiegelreflexkamera verkaufte. Ein Käufer meldete sich - ach war das schwer. Plötzlich wurde mir ganz anders, ich hätte heulen können. Dies war meine erste professionelle Kamera, die ich mir mit meinem ersten ersparten Geld gekauft hatte. Sie bedeutete mir viel. Doch ich wollte sie verkaufen um einer digitalen Kamera Platz zu machen. Nach und nach verkaufte ich unsere Wohnzimmer Möbel, Flurschränke, Kleiderschrank, - Bett & Waschmaschine ganz zum Schluß. Wir wohnten lange sehr chaotisch. Weil uns letztlich die Möbel für all die Sachen fehlten. Stück für Stück wurde es aber ernster und realer. Wir haben einiges auf die Beine gestellt um Sachen zu verkaufen. Alles was noch gut und in Schuss war, verkaufte ich über ebay Kleinanzeigen. Das war schon viel Arbeit, die sich aber voll gelohnt hat. Die Wohnung wurde immer leerer und die Sachen bekamen ein neues Leben.
So vieles was sich nicht verkaufen lässt, aber dennoch gut ist, konnten wir bei Marcels Mutter unterstellen. Wir hoffen es findet sich Verwendung dafür.

Einräumen unseres Wohnmobils

Am 27. Dezember 2018 begann unser großes Abenteuer. Wir luden die ganze Familie ein um nochmal Abschied und Weihnachten gemeinsam zu verbringen und zu feiern. Erst in den Tagen begannen wir das Wohnmobil einzuräumen. Da grenzte an eine Mammutaufgabe. Wir hatten uns zu viel auf einmal vorgenommen. Es wurde also ziemlich chaotisch. So geschah es auch, dass wir vieles vergessen haben. Wir wohnten zu dieser Zeit in einem großen Haus bei Marcels Mutter mit 220 qm. Unsere Sachen waren im ganzen Haus verteilt und verräumt. Auch wenn man denkt, so ein Wohnmobil ist schnell eingeräumt, hat man falsch Gedacht :-).
Marcel hatte große Angst, dass wir Überladen sind. Dadurch hat er ständig Grenzen gesetzt, als ich das Wohnmobil einräumte. Am Tag des losfahrens räumten wir immer noch ein. Mittag sollte Abfahrt sein. Wir wollten Neos Mittagsschlaf nutzen um gleich eine längere Strecke zu fahren. So weit wie möglich in Richtung Frankreich. Doch wir wurden und wurden einfach nicht fertig. Hier und dort noch was und da auch noch...Puh. Ein Ende war nicht in Sicht. Gegen 14 Uhr waren wir dann doch fertig. Marcel machte ziemlichen Druck. Ich verkniff mir am Ende den letzten Rundgang, da er das Gefühl hatte, dass ich den Start raus schiebe. Genau so passierte es, dass wir einiges vergessen haben.

Reisen im Wohnmobil

Wir waren mega euphorisch und doch angespannt. Wird alles klappen, wie wir uns das wünschen? Wie kommen wir mit der Kälte zurecht? Wie kommt Neo mit dem Reisen klar? Haben wir an alles gedacht? Fragen, die die ganze Zeit im Kopf herumschwirren. Freude und Angst nah beieinander. So musste sich dies auch irgendwann entladen. Was auch passierte. Es krachte oft zwischen Marcel und mir.

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Jeder ging anders mit dieser Reise um. Wir wünschten uns locker und gelassen zu sein. Wir konnten aber die Ängste nicht einfach loslassen. Ich wäre am liebsten losgefahren mit einem funktionierendem Einkommen. Aber bis dahin generierte ich mit meinem Onlinebusiness noch gar nichts. Das machte mir sehr zu schaffen. Ich konnte diesen Gedanken einfach nicht loslassen. Gleichzeitig wusste ich, dass ich locker lassen musste. Sobald du vertrauen in den Kosmos setzt und bereit bist für dein Ziel zu arbeiten, bekommst du etwas vom Universum zurück. Genau die Erfahrung hatte ich auch schon oft gemacht in meinem Leben. Alles was ich mir vornahm ist mir auch gelungen. Die hermetischen Gesetze spielen hierbei eine Rolle. Das zu erklären würde zu umfangreich für den Artikel werden. Aber ich bin überzeugt davon. Klar ist aber, dass es nicht positiv ist, so stark an einem Gefühl festzuhalten, schon gar nicht an der Angst. Aber mach das mal – lass einfach los :-)

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Nun 4 Monate später arbeite ich immer noch daran. Aber es wird besser.
Unabhängig von den Ängsten, stellen wir fest, dass wir es lieben so zu leben. Ständig neue Orte zu sehen, begeistert uns. Die Menschen, die wir so treffen, besonders die anderen Wohnmobilreisenden, sind solch inspirierende, offene und herzliche Menschen. Das tolle Wetter, welches wir nun schon vorzeitig genießen dürfen, ist herrlich. Ich war schon paar mal im Meer baden und ich liebe es. Gleichzeitig vermissen wir auch jetzt schon Deutschland. Es ist ein wunderschönes Land, vor allem unsere Heimat – Thüringen. Besonders jetzt wenn der Frühling beginnt, sehnen wir uns zurück. Das Herz hängt halt doch an der Heimat. Satte grüne Wiesen, überall blühen Bäume und Sträucher. Die ersten warmen Sonnenstrahlen – Ach da bekommt man etwas Heimweh. Aber nicht so sehr das wir zurück wollen.
Es gibt Dinge, wie eine Badewanne oder eine richtige Dusche, die ebenfalls immer vermisst werden. Aber auch das ist kein Grund um zurück zu kehren.
Wir leben auf engem Raum, dennoch haben wir uns Rückzugsmöglichkeiten innerhalb des Wohnmobils geschaffen. Es gibt oben den Alkhofen – Neos und mein Bett. Unten den Sitzbereich – Marcels Bett und ganz hinten die Couch (siehe unser Video zum Wohnmobil-Rundgang:

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Wir merken dennoch, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben.

Persönliche Entwicklung auf Reisen

Wir wollten uns auch persönlich und spirituell weiterentwickeln auf der Weltreise. Ich dachte daran mehr zu meditieren und Yoga zu machen, aber natürlich auch daran an sich selbst zu arbeiten. Die Reise zwingt uns sogar dazu. Die Streitereien fordern uns und zwingen uns sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. So dass die persönliche Entwicklung nicht weit weg in der Zukunft liegt, sondern direkt JETZT beginnt. Was wollen wir? Wie soll unser Leben laufen? Welche Kompromisse bin ich bereit einzugehen. Wo liegen meine absoluten Grenzen? Wie erziehen wir unser Kind? Lauter Fragen, die eine Klärung für sich selbst fordern.

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Eines unserer Hauptthemen ist die Erziehung unseres Kindes. Hier haben wir völlig unterschiedliche Auffassungen und doch wollen wir das Gleiche. Ich glaube alle Eltern kennen diese Herausforderung!
Auch Freizeiten und Raum für sich selbst zu schaffen, bekommt hier eine ganz neue Bedeutung. Schließlich sind wir 24 Stunden zusammen. Grundsätzlich hat uns das noch nie gestört, doch im Wohnmobil auf Weltreise, ist es doch etwas anderes. Zu Wissen, dass es keine Zuflucht gibt, spitzt die Situation manchmal zu. Bei einem Streit ist es schön, sich mal für paar Stunden abzuducken. Auf Reisen im Wohnmobil ist das nicht immer umsetzbar. Dadurch arbeiten wir an Freiräumen für uns. Auch für unser Kind wird das irgendwann noch relevanter werden. Aber auch jetzt schon, merke ich wie Neo immer und immer wieder versucht auch mal ganz abseits von uns zu spielen und eigene Lernversuche unternimmt. Beispielsweise ging er vor zwei Monaten eine Treppe nur mit unserer Hilfe. Doch er wollte alleine seine Erfahrungen machen und nutzt Situationen, in denen Marcel und ich abgelenkt sind (Natürlich hat das aber immer einer von uns trotzdem im Blick ;-)) und probiert sich selbst aus. Er ging immer wieder die Treppe hoch und runter ohne uns und lernte so selbstständig auf sich zu vertrauen. Diese Freiräume für die eigene Entwicklung sind unheimlich wichtig und auf Reisen ist uns dies noch mehr vor Augen geführt worden.

Freizeit/ Arbeiten auf Reisen

Zu denken auf Reisen hätte man mehr Zeit als zu Hause ist ein Trugschluss... Jaa wirklich! Denn der Tag schon immer nur 24 Stunden gehabt. Mit dieser Zeit müssen wir haushalten. Natürlich ist es ein Unterschied noch 40 Stunden pro Woche zu arbeiten. Aber ganz ohne Arbeit geht es ja nicht. Der Unterschied liegt darin, sich selbst die Zeit dafür einzuteilen und auch mal zu sagen, dass heute keine Lust dafür vorhanden ist. Im Grunde werden die Zeiten anders verteilt. Wir arbeiten hauptsächlich in den Abendstunden, wenn unser Kind schläft. Manchmal wird sich tagsüber abgewechselt, so dass jeder auch mal Nachmittags zum arbeiten kommt. Mit Kindern ist der Tag sowieso strukturiert und ausgefüllt. Und natürlich fordert ein Kind auch das was er braucht ein. Er lässt sich nicht stundenlang vertrösten und wenn doch so spürt man das später sehr. Auch dies ist aber ein anderes Thema und wird gesondert behandelt.

Frei sein

Ein Gefühl von "frei" sein überkommt uns aber doch. Selbst alles zu entscheiden ohne äußerliche Vorgaben, ist schon besonders. Kein Wecker, der dich jeden Tag zum arbeiten zwingt. NEIN, ganz allein deine Entscheidungen sind hierbei ausschalggebend. "Hier gefällt es uns" dann bleiben wir hier! Irgendetwas störrt und, dan fahren wir. Der ganze aufgelöste Besitz macht uns frei. Kein Ballast mehr. Sämtliche Ketten versuchen wir zu sprengen. Schon allein die Wohnsitzauflösung, samt Versicherungskündigung führt dazu, dass wir kaum noch Post erhalten. Keine Forderungen, keine Verpflichtungen - ach wie ist das schön...

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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir den Schritt nicht bereuen ins Wohnmobil gezogen zu sein. Es ist wunderbar die Welt kennenzulernen und nicht nur von ihr zu lesen, zu hören und zu sehen. Es selbst zu erleben und selbst zu sehen, ist so großartig und sensationell. Wir lieben es und Neo liebt es auch. Ein Alltag im Kindergarten könnte ihm all das nicht geben. Natürlich pflegen wir den Kinderkontakt, damit auch er sich entfalten und soziale Kontakte zu Gleichaltrigen erfahren kann. Er darf die freundlichen und offenen Südländer erleben. Wo ihn fast jeder Mann grüßt und anlächelt. Ganz anders als in Deutschland, wo jeder Mann Angst hat als Pädophiler gesehen zu werden und strikt den Kontakt zu Kindern meidet. Es begeistert uns alle, egal ob Land oder Leute. Diese Reise ist schon jetzt eine Weltreise, trotz dem es gerade erst das dritte Land ist.
Schon jetzt sind unsere Erfahrungen außergewöhnlich. Dieses „direkte“ nicht monotone Leben macht uns glücklich. :-)

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Danke für diesen Artikel - ich verstehe jetzt besser, warum ihr den Account jetzt reaktiviert habt.

sehr schön geschrieben.....

davon können wir auch ein lied singen-haben das ja alles durchgemacht und wohnen auch zu 2 t-auf 16 qm seit 8 jahren nun.....
alles was ihr beschreibt,kommt uns bekannt vor....

heute leben wir im vertrauen und sind als paar nicht umzuwerfen :-)

alles liebe weiterhin für euch.....

lg feuerelfe

Hallo @diereiseritter, ganz toller Bericht über eure Erfahrungen und Gefühle. Habt weiterhin eine gute Reise. Liebe Grüße Alexa

Eine sehr schöner Bericht. Wir selbst haben unseren Wohnsitz wohl nicht aufgegeben, sind aber ebenfalls leidenschaftliche Wohnmobilisten. Wir sind meistens nur noch zu zweit unterwegs, wie auch nächste Woche wieder, aber unser Sohn (bereits erwachsen und auf eigenen Füßen) besucht uns auf unseren Reisen immer noch sehr gerne.

Lasst es euch gutgehen und genießt eure gewonnene Freiheit.

Sehr schön geschrieben. Euer Bild mit eurem Kleinen mit Sonnenbrille und dem Karton zur Weltreise ist zu geil.

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