Zehn Jahre Glühbirnenverbot: Es wurde kaltes Licht

in #deutsch5 years ago

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Das Ende kam schleichend, ein langer, lange angekündigter Tod, dem vier Jahre schweres Siechtum vorausgingen. Noch zwei Wochen, dann ist es vorüber, dann endet zumindest in Europa eine Ära: Die Glühbirne, 1911 von der US-Firma General Electric erstmals in der noch heute verwendeten Form mit Glühdrähten aus Wolfram produziert, verlosch vor zehn Jahren auf dem ganzen Kontinent. Das Licht, das hundert Jahre Industrialisierung und Globalisierung beleuchtet hat, geht aus, zumindest für Freunde warmer, weicher Elektro-Lampen wird es zappenduster.

Denn der Nachfolger der guten alten Glühbirne, deren Grab treusorgende EU-Experten mit der Ökodesign-Richtlinie von 2005 zu schaufeln begonnen hatten, wird ein Hochleistungssportler der Energieeffizienz sein. Die umgangssprachlich Energiesparlampe genannte Kompaktleuchtstofflampe schafft es dank einer kleinen Gasentladungsröhre, in der sich Quecksilber und Argon befinden, und eines raffinierten elektronischen Vorschaltgerätes, mit einem Resonanzwandler die Netzwechselspannung gleichzurichten, sie anschließend in eine Wechselspannung höherer Frequenz umzuwandeln und mit dieser über eine Ferritkern-Drossel mit zwei Schalttransistoren zum Lampenstromkreis zu leiten, wo sie nach kurzer Anlaufzeit ein diskontinuierliches Spektrum an überaus sauber wirkendem Licht abgeben.

Entschuldigung, die Lampe der Zukunft ist nicht so leicht zu verstehen wie ihr Großvater, den seinerzeit kurz nacheinander ein Schotte, ein Franzose, zwei Amerikaner, ein Russe und ein Deutscher erfunden hatten. Da war noch alles einfach: Zwei Pole, ein Draht, der beim Briten Joseph Wilson Swan anfangs auch ein Stück verkohltes Papier sein durfte. Drumherum ein Vakuum - und schon glühte sie, die Birne, die quasi elektrisches Licht erschuf, indem sie ständig am Rande des Kurzschlusses vor sich hin brannte.

Die Glühbirne war immer dabei. Sie erleuchtete die "Titanic" in der Nacht ihres Untergangs. Sie setzte Josephine Baker ins Licht, als die in den 20er Jahren in Paris den Charleston tanzte. Sie ließ Filipo Tommaso Marinetti, den Verfasser des Futuristischen Manifests, gestehen: "Ich bete jeden Abend zu meiner Glühbirne, denn in ihr haust eine ungeheure Geschwindigkeit." Sie strahlte 1951 in Idaho, als der erste Atomstrom aus dem ersten Kernreaktor der Welt kam. Sie leuchtete in Stalins Büro und in Hitlers Bunker, erhellte die Apollo 8 auf dem Weg zum Mond und Jacques-Cousteaus Tauchboot SP-300 auf dem Weg zum Meeresgrund. Ein Fanal aus Glas und Blech, das über den Fließbändern hing, an denen Henry Ford Autos bauen ließ, und an der Decke baumelte, als Günther Krause und Wolfgang Schäuble den Einigungsvertrag unterschrieben.

Ein Stück Weltkulturerbe, dem es nun an den Kragen geht. Der Glühbirne, dem Werkzeug und Zeugen des menschlichen Sieges über Nacht und Dunkelheit, wird vorgeworfen, sie sei ein Energieverschwender. 95 Prozent des Stroms, den sie verbraucht, werden zu Wärme! Nur fünf Prozent werden zu Licht!

Die Energiesparlampe zauberte dieselbe Helligkeit mit bis zu 80 Prozent weniger Energieeinsatz. Obwohl die Herstellung einer Kompaktleuchtstofflampe etwa zehnmal mehr Energie benötigt als die Herstellung einer herkömmlichen Glühlampe, gilt der gar nicht so junge Neuling deshalb als umweltschonend. Alles zusammengerechnet, so befand die EU-Kommission, spare die Energiesparlampe im Vergleich zur Glühbirne über ihre Lebensdauer mehr als zwei Drittel Energie. Jeder Haushalt könne seine Stromausgaben so um etwa sechs Prozent senken.

Es muss den Damen und Herren in Brüssel schon klar gewesen sein, dass die Liebe zur Birne einem solchen Angebot widerstehen wird. Immerhin: Die Sparlampe kostet fast zehnmal so viel wie die Glühlampe, sie hält zwar länger, aber ob das stimmt, weiß man erst hinterher. So kam es zum Ausstiegsbeschluss: Über vier Stufen wurde die klassische Birne mit einem Verkaufsverbot belegt: Zuerst verschwanden die mit mattem Glas aus den Regalen, dann die mit 100 Watt, gefolgt von denen mit 75 Watt und denen mit 60 Watt. Ab 1. September 2012 nun endet die Glühbirnen-Geschichte endgültig. Alles, was mit Drähten Licht macht, darf nicht mehr angeboten werden.

Und das war wirklich ernst gemeint, auch wenn alle nur den Kopf schüttelten. Der Zoll ist schon seit 2009 gehalten, illegal eingeschmuggelte Glühware zu beschlagnahmen. Der Kölner Künstler Siegfried Rotthäuser, der Glühlampen als "Heatballs" zu Heizzwecken vertreiben wollten ("95 Prozent Wärme, nur fünf Prozent Ablicht!") unterlag sogar vor Gericht - nein, man darf das echt nicht.

Obwohl der zu Beleuchtungszwecken verwendete Anteil am Energieverbrauch der Deutschen nur bei zwei Prozent liegt, ist die Glühbirne zum am schärfsten bekämpften Stromfresser des Kontinents geworden. Die Standby-Funktionen von Computern und TV-Receivern verbrauchen ebenso viel Strom wie die Glühbirne, ohne etwas zu erleuchten. Und ohne, dass ihnen ein Verbot droht. Plasmabildschirme, Smartphones und Tablets saugen sogar mehr Strom. Pläne zur Regulierung aber gibt es nicht. Auch das giftige Quecksilber, das die Sparlampen zum Brennen bringt, im Fall eines Falles aber ganze Räume verseucht, konnte das Schicksal nicht wenden: Europa will seinen Energieverbrauch bis 2020 um 20 Prozent verringern. 40 Terrawatt-Stunden - der Verbrauch von elf Millionen Haushalten - soll der Tod der Glühbirne beisteuern. Der Nutzen, heißt es in der Verordnung, überwiege "etwaige zusätzliche Umweltauswirkungen".

Die Glühbirne, ursprünglich von Australiens Regierung zum Klimaschädling erklärt, ist ein Bauernopfer. Sie muss gehen, damit die anderen Klimakiller bleiben dürfen. Aber damit der Abschied nicht so schwer fällt, geht sie nicht so ganz.

Denn es bleibt immer noch ein Rest, weil die EU-Verordnung 244 / 2009 über die "Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von Haushaltslampen mit ungebündeltem Licht" den Verkauf "bereits in Verkehr gebrachter Glühlampen" weiterhin erlaubt. Was vor dem Verbot auf Lager war, darf auch nach dem Verbot noch verkauft werden. Und das scheint einiges zu sein, wie volle Birnenregale in allen Baumärkten, vor allem aber die endlosen Angebotslisten der Online-Händler zeigen. Vor jeder einzelnen Verbotsphase jagten die Deutschen bisher los, um sich zu bevorraten, die Glühbirnen-umsätze explodierten ebenso wie die Preise. Allein im ersten Jahr nach dem Verbot der 100-Watt-Birne ging weit über eine Viertelmillion Glühlampen über deutsche Ladentheken. Inzwischen ist Deutschland versorgt: Ein Jahrzehnt werden die Birnen-Berge alle deutschen Wohnzimmer beleuchten können, haben Experten ausgerechnet.

Und als wäre das noch nicht genug, bekommt die 1892 vom Berliner Physiker Martin Leo Arons entwickelte Quecksilberdampflampe auch aus anderer Richtung Konkurrenz. Weil eine Lücke in der EU-Verordnung stoßfeste Speziallampen für Baustellen, hitzefeste für Backöfen und besonders geformte für Dekorationszwecke vom Verbot ausnimmt, haben erste Anbieter bereits begonnen, diese legalen Birnen als Ersatz für den Ersatz anzupreisen. Auch Halogenlampen haben Konjunktur, zumindest noch bis 2016, dann sollen auch sie für immer verschwinden.

Wenn nicht noch alles anders kommt. Von Anfang an hatte die EU-Kommission versprochen, im Jahre 2014 zu prüfen, welche Wirkung das Verbot gehabt hat. Bei Absatzzahlen, die für normale Glühbirnen bis heute viermal so hoch liegen wie für Sparlampen, das E10 der Wohnraumbeleuchtung, kann es eine Wirkung im Sinne der Erfinder aber eigentlich gar nicht geben. Keine Wirkung, kein Verbot - so rechnen unentwegte Glühbirnenfans, die im Internet immer noch davon träumen, wieder Licht ins Dunkel bringen zu dürfen.

Es wäre nicht das erste Glühbirnenverbot, das selbst verboten wird: Neuseeland hat bereits Abstand davon genommen, seinen Bürgern stromsparende Beleuchtung vorzuschreiben. Mit der Begründung, dass es besser sei, wenn die Menschen selbst die Wahl hätten, hob die Regierung ein 2007 verhängtes Verbot wieder auf.

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Habe immer noch 100+ Glühbirnen im Keller. Der Vorrat reicht bis zum Sant Nimmerleins Tag :-)

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