Man selbst im Wandel - Musik im Wandel

in #deutsch6 years ago (edited)

Vor einigen Jahren hatte ich einmal eine Studie gelesen (ich finde sie nicht mehr), in der nachgewiesen worden ist, das Menschen, die ihr dreißigstes Lebensjahr überschritten haben, kaum noch offen sind für neue Musik und sie anfangen, diesbezüglich stehenzubleiben. Für mein Umfeld mag dies weniger zutreffen. Ich bin umgeben von Kreativen, von Künstlern, Außenseitern mithin, Nerds. Verlasse ich dies Umfeld aber, dann muss ich der Studie recht geben. Es scheint, als wären bestimmte Musikstücke eng verwoben mit Erinnerungen. So wie es Gerüche sind, die uns in bestimmte Phasen zurückholen und eine Zeitreise machen lassen. Manche Songs verdrängen wir sogar, weil sie das Thema einer Beziehung gewesen sind. Man hörte es, man verliebte sich, man lebte die Liebe, man trennte sich. An irgendeinem Punkt spielte oft Musik eine tragende Rolle. Viele der einprägsamsten Momente im eigenen Leben sind verbunden damit.


Meine erste große Liebe. Ich war 17, sie gerade 15. Wir waren fast 2 Jahre zusammen. Höre ich einen Titel vom Album "Stirb mit mir ein Stück" von Wenzel, werde ich augenblicklich zurückversetzt in diese Zeit. Es war aufregend, verwirrend, große Gefühle, eine völlig neue Welt, die wir beide gemeinsam zum ersten Mal betreten haben. Ich brauchte Jahre, um mich davon zu erholen, das diese Liebe nicht blieb. Und so konnte ich lange keinen Titel dieses Musikers mehr hören. Heute verbinde ich nur noch gute Erinnerungen damit und jedesmal bin ich zutiefst gerührt.


Mein folgendes Studium wurde eine einzige Party. Die Liebe war für mich kein Thema in dieser Zeit, hatte ich doch viel zu viel mit mir selbst zu tun. Findungsphase, zweite Pubertät oder wie man es sonst nennen mag. Es wurden Grenzen ausgelotet. Gefühle hatten viel Platz. Es war sogar so, das alles viel intensiver wahrgenommen wurde. Ein Rausch. Nach den üblichen Verdächtigen, wie Cypress Hill und Rage Against The Machine, entdeckte ich mehr und mehr meinen eigenen Geschmack. Drum'n Bass war groß im Kommen. Doch nicht nur die Mainstream-Tracks hatten es mir angetan. Da gab es auch ganz verrückte Stücke, die sich mir eingebrannt haben und ein gutes Beispiel dafür sind, was mich wirklich bewegt hat in dieser Zeit. Limit.

Und die Energie zu sowas abzugehen, die hab ich immer noch. Überhaupt, das Zappeln einen in eine Art Tunnel bringen kann, einen Rausch - diese Erfahrung machte ich in meinen Studienjahren. Es wurde teils immer härter, bzw. monotoner, aber ich habe das lieben gelernt. Natural high, ein Zustand, in den ich kommen kann, ohne harte Drogen zu nehmen. Aber vielen Aufnahmen Anfang der 90'er Jahre fehlt es an Dynamik. Höre ich mir heute Depeche Mode an, klingt das gar nicht so, wie ich es damals wahrgenommen hatte. Mitte der 90'er jedoch kam der Durchbruch in dieser Richtung und das, was ich immer gesucht habe: fetter Sound.


Ich war zu Besuch bei einem Kommilitonen, ich glaube im Jahr 1998 und er nannte eine größere CD-Sammlung sein eigen. Mir fiel eine CD von Radiohead in die Hände, die ich mir lieh und seitdem hat diese Band einen festen Platz in meinem Herzen. Nein, ich bin kein Fan und besitze nicht jedes Album oder gar Promo-Artikel. Ich mag diese Band einfach, vieles berührt mich, manches auch nicht so. Aber keine andere Band vermag es, mich so zu faszinieren, zu bannen und kreativ zu bewegen.


Eine unglückliche Liebe ist mir während meines Studiums begegnet. Nein, nicht ich war unglücklich verliebt. Aber ich war unglücklich darüber, das ich ihre nicht erwidern konnte. Denn sie war sehr rein, schien groß zu sein, sehr weit gehend. Ich bedauerte eine Unmöglichkeit, wenngleich ich es versuchte. Das war gut gemeint, stürzte sie jedoch nur tiefer in die Misere. Ich lernte etwas sehr wichtiges daraus: Man kann es nicht erzwingen. Mir blieb diese Begegnung im Gedächtnis, bis heute, wo wir befreundet sind und lächelnd darüber reden können. Sie brachte mir damals Jeff Buckley nahe, dessen Song mich nach wie vor in diese Zeit zu versetzen vermag.


Neue Liebe, neuer Film, neue Stationen - die Bindung an Musik nimmt ab. Ich suche neue Stücke, finde neue Stücke, liebe neue Stücke, mag und kann tanzen gehen zu Techno, House, Drum'n Bass. Was aber nicht endet ist, das mich Musik zu Tränen rühren kann. Was tief aus dem Herzen kommt, wenn jemand etwas mit Leib und Seele singen kann, das lässt mich nicht kalt. Es hat sich manches verändert, aber manches eben auch nicht und so hoffe ich, dass das bis zum Ende meiner Tage so bleibt.

Sort:  

Zuerst ein kurzer Abstecher zu der "zum Glück" nicht greifbaren Studie. Hier hat wohl mit Sicherheit wieder einer, der an der Quelle sitzt, Steuergelder verbraten, indem er in seiner eigenen, kleinen Familie eine "repräsentative" Umfrage gestartet hat und den gesammelten Mist auch noch als Studie vergolden konnte.

Wer mit 30 die Schotten für musikalische Neuerungen oder Entdeckungen zu schließen beginnt, der nimmt auch kein Buch mehr in die Hand und beginnt im Kopf ranzig zu werden.

Ich empfände (hier sei der Konjunktiv erlaubt) es als sehr angenehm, solche Menschen würden nicht meine Gesellschaft suchen. Wg. der Ansteckungsgefahr! 😉

Deine musikalische Zeitreise, unterlegt mit sehr unterhaltsamen Gedanken, ist schon alleine aus dem Grund interessant, da sie einem die Person näher bringt. Wieso nutzt man auch sonst in manchen Situationen lieber einen Song, um die Gefühle auszudrücken, für die gerade nicht die passenden Worte bereitliegen?!

Meine Auswahl sähe ganz anders aus - und das ist wohl auch gut so!
Denn nichts ist langweiliger als deckungsgleich zu sein.

Zusammengefasst: Du hast mich bereits früh am Morgen prächtig unterhalten.

Gruß, Wolfram

Wer mit 30 die Schotten [...] zu schließen beginnt, der [...] beginnt im Kopf ranzig zu werden.

:-) aber davon gibt es nicht wenige! es kommt sicher darauf an, in welchem umfeld man sich aufhält, aber doch so einige streben es an, mit 30 ein haus zu haben, eine frau, ein kind und einen hund (ne fette karre nicht zu vergessen). ohne scheiß, ich kenne von diesem schlag eine gute hand voll leute, die so drauf sind. und ich will es auch gar nicht bewerten. es ist mir einfach fremd.

lieber Wolfram, vielen dank für deinen sehr netten kommentar! die auswahl wäre selbstverständlich für jeden von uns eine ganz andere und ja, natürlich ist das gut so. lg

Haus, Frau, Hund, Kind & Karre (egal in welcher Reihenfolge) - die beliebtesten Schleier um das eigene Versagen im Umgang mit dem aktiven Leben zu überdecken.

I suspect the music of adolescence has an especially powerful impact on us as we make the transition from childhood to adulthood -- the rush of hormones, the discovery of new and exciting things, and the commingling of physicality with emotions.

Music and the sense of smell have a way of transporting us back in time. I'm not so sure about that study. Perhaps if someone only listens to pop music, then it makes sense that after 30 the appeal of music intended for teenagers is lessened -- but even in that case, there are exceptions.

Even as a teenager, the music I loved the most wasn't necessarily the most popular -- it took me a while to find it. Anyway, that was an honest and open post, tip of the hat.

Toller Bericht . Ja man verbindet viel mit der Musik . Und das ist das tolle.
Wenn ich nur mike maren höre oder jean michael Jahre, wie wäre es mit The Cranbarries usw. da gebe es viele Geschichten zu erzählen leider bin ich im schreiben nicht so gut wie du . Aber die Erinnerungen bleiben lg max

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