Ideologie 067 - Wort zum Katholikentag - kleiner Erfolg bei Twitter

in #deutsch6 years ago (edited)

12. Mai 2018

Vergangenen Mittwoch habe ich zufällig ein mir eigentlich wohlbekanntes Zitat aus der Bibel wiedergefunden, welches sich hervorragend dazu eignet, sogenannte Schriftgelehrte, religiöse oder auch politische Würdenträger, denen die Bescheidenheit und Demut alles andere als ins Gesicht geschrieben steht, zu ermahnen.

Es steht geschrieben im Evangelium des Lukas 20, 45-47 (Lutherbibel 2017) [1]:

Warnung vor den Schriftgelehrten
45 Als aber alles Volk zuhörte, sprach er zu seinen Jüngern: 46 Hütet euch vor den Schriftgelehrten, die gern in langen Gewändern umhergehen und es lieben, sich auf dem Markt grüßen zu lassen und obenan in den Synagogen und beim Gastmahl zu sitzen; 47sie fressen die Häuser der Witwen und verrichten zum Schein lange Gebete. Die werden ein umso härteres Urteil empfangen.

Dass in Deutschland an diesem Wochenende der Katholikentag stattfindet, habe ich noch nicht gewusst, aber bei Twitter ein Bild zu Gesicht bekommen, das Stefan Slaby (@Publizistikon bei Twitter) geteilt hatte. Darauf zu sehen sind die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel [3] mit den Kardinälen und Erzbischöfen Rainer Maria Woelki [4] und Reinhard Marx [5]. Letzteren habe ich wegen marx- und sozialismusfreundlicher Aussagen [6] in Kombination mit seiner namentlichen Nähe zu Karl Marx schon scherzhaft als Karldinal bezeichnet. Als weiteren Spass habe ich mir die kleine Respektlosigkeit nicht nehmen lassen, einen Teil des oben stehenden Bibelzitates als Antwort hinzuschreiben [7]. Ich tat dies nicht, weil ich in mir eine generelle Ablehnung der Kirchen in mir trage, sondern weil ich mit einigen Aussagen dieser Leute ein ernsthaftes Problem habe. Insbesondere bezüglich der Migrationspolitik, bei der diese Menschen sich wie die Regierung bereitwillig über die Köpfe und Interessen substantieller Anteile der heimischen Menschen hinweggesetzt haben und sich aus meiner Sicht empörte Reaktionen und Ermahnungen verdient haben. Aus meiner Sicht ist es nicht die Aufgabe einer Kirche, kurzfristige politische Aussagen von sich zu geben, geschweige denn unhinterfragt das zu repetieren, was auch Medien und Regierung sagen. Vor einigen Wochen habe ich mich in einem Artikel über das ungerechtfertigten «Wir / Uns / Unser» darauf bezogen [8].

2018-05 - Twitter Katholikentag.jpg
Bildschirmaufnahme meines Tweets.

Und siehe da, mit einem alten, aber durchaus deutlichen Bibelzitat habe ich meinen bisher grössten Erfolg bei Twitter erzielt. Wobei diese bisher sehr bescheiden ausfielen, da ich erstens nur wenig Tweets veröffentliche und zweitens nie mit #... um mich geworfen habe. Nun habe ich also immerhin mit einer kurzen Passage aus der alten Bibel und ohne irgendwelchem #...-Wildwuchs doch zu einer zweistelligen Like- und Retweet-Zahl gebracht. Ich weiss, das ist äusserst bescheiden und gleicht dem Umfallen eines Säckchen Reis, aber ich habe mich trotzdem gefreut. Und irgendwie brauchte ich eine kleine Bühne für das Zitat, welches man auch schon vor gegen 2'000 Jahren formulieren konnte.


Abschliessend will ich sagen, dass ich mich als bekennender Christ nicht fundamental gegen die katholische Kirche positionieren möchte. Es ist klar, die Geschichte dieser Kirche ist lang und sehr vielfältig, positiv und weniger schön. Aber es ist eine Kirche, die seit mehr als 1'500 Jahren existiert. Eine Institution aufzubauen und über einen solchen Zeitraum - 60+ Generationen - zu erhalten, ist eine aussergewöhnliche Sache. Das muss weit über die ziemlich stark wandelbaren, zeitgeistlichen Launen der Menschheit hinausgehen.

Dazu gibt es seit vielen Generationen in dieser Kirche Menschen, die sich mit der spirituellen Lehre und auch mit Wissenschaften beschäftigen und sehr viel Wissen aufgebaut haben. Das ist grundsätzlich verdienstvoll, auch wenn das Wissen da und dort zur Ausübung von Macht benutzt wurde. Ich habe auch einmal einen Jesuiten in einem meiner ersten Persönlichkeiten-Artikel vorgestellt, der sich intensiv und kritisch mit dem Sozialismus auseinandergesetzt hat und als Rechtsphilosoph über Naturrecht publiziert [9].

Das Positive will ich ausgesprochen würdigen und keine allgemeine, vernichtende Kritik anbringen. Eine solche würde ich anbringen, wenn ich in einer Sache über wirklich tiefgehendes Wissen verfügte und mich selbst von der überwiegenden Negativität überzeugt hätte. Über die vergangenen Jahrzehnte sind viele gegenüber der römisch-katholischen Kirche extrem kritischen Publikationen erschienen. Von denen sind sicherlich einige sehr informativ und wahrheitstreu, andere wiederum sind als Desinformation einzustufen. Es ist zum Beispiel bekannt, dass gerade die Sowjetunion, die in ihrer Frühzeit enorm kirchenfeindlich war, gegen die katholische Kirche zu agitieren versuchte, mit Desinformation.

In der deutschen Sprache dürfte das grosse Werk von Karlheinz Deschner (1924-2014) [11] - Kriminalgeschichte des Christentums in zehn Bänden - das wohl umfangreichste kirchenkritische Werk sein. Deschner hatte ein bewegtes Leben, diente als ganz junger Erwachsener im Zweiten Weltkrieg, wurde wegen seiner Eheschliessung aus der katholischen Kirche exkommuniziert und begann in der Folge mit seiner intensiven Arbeit, in der er von zwei Mäzenen gefördert wurde, namentlich Alfred Schwarz und Herbert Steffen. Bewerten kann ich dieses Werk bisher nicht, da ich noch nichts davon gelesen habe. Weil ich nicht dem Vorwurf ausgesetzt sein will, nur kirchenfreundlich zu sein, sondern auch Kritiker wahrnehmen will, habe ich dies erwähnen wollen. Jede sorgfältig erarbeitete Kritik ist für mich ein Anlass, in mich zu gehen, Dinge durchzudenken, zu lernen und mich weiterzuentwickeln. Das Werk Deschners ist bei archive.org [12] verfügbar.

Einer Verbindung zwischen Kirche und Staat stehe ich kritisch gegenüber. Aus meiner Sicht sollten Kirchen in Vereinsstruktur organisiert sein. Die Religionsfreiheit sehe als eine ganz wichtige Errungenschaft der Menschheitsgeschichte, die in alle Richtungen zu gelten hat. Es muss die Freiheit jedes Einzelnen sein, sich zu jedem beliebigen religiösen oder pseudoreligiösen Inhalt zu bekennen oder ihm zu entsagen. Religionsfreiheit ist nicht nur die Freiheit, sich zu einer Auswahl an als spirituell geltender und womöglich institutionalisierter Lehren bekennen zu dürfen.


[1] https://www.bibleserver.com/text/LUT/Lukas20
[2] Stefan Slaby @Publizistikon, 10. Mai 2018 https://twitter.com/publizistikon/status/994551839566819328
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Angela_Merkel
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Maria_Woelki
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Reinhard_Marx
[6] Marx: Ohne Karl Marx keine katholische Soziallehre. katholisch.de, 30. April 2018 http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/marx-ohne-karl-marx-keine-katholische-soziallehre
Kardinal Marx meint: Karl Marx hat nichts mit politischem Marxismus-Leninismus zu tun – der Millionen Tote forderte. Epoch Times, 03. Mai 2018 https://www.epochtimes.de/politik/deutschland/kardinal-marx-meint-karl-marx-hat-nichts-mit-politischem-marxismus-leninismus-zu-tun-der-millionen-tote-forderte-a2415809.html
[7] Samuel Christen @Saamy48, 10. Mai 2018 https://twitter.com/Saamy48/status/994555917957058561
[8] Ideologie 055 - Vom ungerechtfertigten «Wir / Uns / Unser». @saamychristen, 05. Februar 2018 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/ideologie-055-vom-ungerechtfertigten-wir-uns-unser
[9] Persönlichkeiten 002 - Viktor Cathrein, ein Jesuit. @saamychristen, 27. März 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/persoenlichkeiten-002-viktor-cathrein-ein-jesuit
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6misch-katholische_Kirche
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Karlheinz_Deschner
[12] Kriminalgeschichte Des Christentums. Karlheinz Deschner, Rowohlt, Reinbek 1986ff https://archive.org/details/KriminalgeschichteDesChristentumsBand3DieAlteKircheKarlheinzDeschner


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Oh mann schon krass. Habe es mal so überflogen.
Aber ja, wahre Religiosität strebt nicht nach weltlichen Strukturen wie Macht im Staate.
Leider werden die Institutionen heute wie Kirche auch missverstanden, denn sie führen nicht mehr die Ursprüngliche Arbeit im Sinne der Begründer weiter.

Danke für den Kommentar!

Wenn man einen einzelnen Begründer hat und dessen Erbe am Leben zu erhalten sucht, tut man das in der Regel irgendwann institutionell, mit allerhand möglichen negativen Konsequenzen. Es ist auch ganz grundsätzlich nicht einfach, das Gedankengut eines Menschen nachzuvollziehen, der 10 oder mehr Generationen zurück gelebt hat. Schon im täglichen Kontakt mit Menschen verschiedenen Alters und verschiedener Kulturen sieht man deutliche Differenzen in Interessen und Denkweise.

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