Von Zeiten und Menschen

in #deutsch5 years ago (edited)

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Grafikquelle: Pixabay

Hallo Community,

Gestern hatte ich hier in Berlin einige Dinge zu erledigen, diese führten mich an Orte in der Stadt, die ich ganz anders in Erinnerung hatte.

Irgendwie empfand ich meine Stadt als kalt, fremd und düster. Ich lief auch an einem Spielplatz vorbei. Es mag ein sehr subjektives Empfinden gewesen sein, aber ich empfand, wie die Kinder "spielten", als gewalttätig und eher kaltherzig. Mir fiel auch auf wie schmutzig diese Ecke der Stadt war. Ich fühlte mich wie in einem Film oder PC-Game, wo ein Endzeit-Szenario spielte. Da dachte ich mir, diese düstere Stimmung könnte man mal in einem kleinen Gedicht verarbeiten. Kunst muss ja nicht zwingend immer Positives ausdrücken, sondern darf auch mal schlechtes thematisieren. Ich sehe hier eindeutig, dass die Gesellschaft immer mehr eine Ellenbogengesellschaft wird. Die Schwachen haben es immer schwerer und Randgruppen und Ausgegrenzte gibt es scheinbar immer mehr. Das hat sich sicher nicht nur in Berlin so entwickelt, denn als ich letztes Wochende in Hamburg war, und ich komme echt selten mal raus, sah es da in einigen Nebenstraßen auch nicht besser aus. Könnte es sein, dass Deutschland langsam verfault? Ich gehe mit offenen Augen durch das Leben und mir stellt es es sich so dar.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich der Einzige bin, dem diese Entwicklung auffällt. Ich denke an die Zeiten meiner Kindheit zurück und da war alles friedlich und fröhlich. Es war nicht alles Sonnenschein, aber das Leben fühlte sich wärmer und menschlicher an. Freundlichlichkeit war Normalität, aktuell ist es eine aussterbende Tugend.

Heute sehe ich fast nur noch gestresste und gehetzte Menschen mit schlechter Laune. Die Arztpraxen sind derart überfordert, dass z.B. meine Tante 2 Monate auf einen Termin warten muss. All das gab es früher nicht. Da hat man beim Arzt angerufen und bekam 2 Tage später einen Termin. Überwiegend treffe ich in Geschäften auf unfreundliche, ungeduldige und oft sichtbar arme oder kranke Menschen. Aus Gesprächen weiß ich, dass es andere auch so empfinden. Unsere Straßen werden wirklich belagert von Leuten, denen es wohl nicht sehr gut geht. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Ich kenne die Meinung: Jeder sieht, was er sehen will, aber ich will keine Gesellschaft sehen, die langsam zerfällt, aber ich sehe sie trotzdem.

Mein Gedicht

Das Ende der Liebe?

Düster sind die Tage und vollkommen finster.
Ich hetze durch die feuchten Straßen meiner Stadt.
An manchen Ecken tobt der Kampf der Dealer
Die Fenster sind zerschlagen und die Wege bersten.
Ein unbestimmter Lärm schleift meine Ohren.
Die Reiter aus der Bibel sind gekommen,
des Glanzes aller Torheit zu bestreiten.

Kinder arm und Greise Flaschen sammelnd,
der Qualm der City malt die Welt in Grau.
Wo einst das Paradies gewesen schien,
und glücklich Menschen lebten,
der Abschaum durch die Ritzen quillt
und tausend schwarzen Nattern gleich,
der ganze Tag in Frust versinkt.

Zerfallen sind die bunten Schulen allemal.
Bemalt mit Sex und Hass, und Blut ist eine Sprache.
Gewalt durchzieht die Häusermeere.
Sirenen bahnen sich von Fall zu Fall.
Der Schönheit fern, nur Stolz und Ehre aufgebunden.
Wer Stärke zeigt, dem sei der Sieg gegeben.
Und nimmer scheint das Licht ins warme Herz.

Die Zeiten sind, wie keine Zeiten waren
die Uhren rasen wild und laufen quer zum Tag.
Ein Messer wirft den Schatten auf die Bretter,
und Rattengift wird schnell zum Topf getragen.
Ein Cop lässt seine Schärpe fallen.
Die Straßenbahn steht still und alle Leute kreischen.
Der Moloch kocht sein Süppchen überall.

Das ist mein Psalm, gegeben meinen Brüdern.
In Eitelkeit verbrennt die letzte Güte.
Nun wird es still in meinem Land der Wälder.
Die Sucht hat alles Edle längs gefressen.
Um den Verstand gebracht ein ganzes Erdenleben,
und Richter schlagen nicht mal mehr Alarm.
Das Ende naht, oh seht, das Siegel bricht sein Schweigen!

Kein Licht wird kommen und auch nicht der Gewinn.
Zerbrochen ist der Krug des Lebens wundersame Kraft.
Wir haben alle Wünsche längst vergessen.
Das Abendmahl der Freundlichkeit zu schnell vertilgt.
Jetzt kommt das große Stöhnen und das Weinen.
Die Reiter ziehen weiter und die Bibel ward vergessen.
Verschlossen wird die Tür, so bleibe drinnen,
denn draußen auf den Straßen tobt der Tod!

Inspiriert von der grauen Wirklichkeit in Berlin,© by @seo-boss 2019
Weiterverwendung mit Quellenangabe erlaubt

Joint meiner Gilde. Bitte hier lesen.
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find Deinen blog sehr gut aber auch beängstigend. lebe selber in hamburg und sehe jeden tag auch wie sich die mittelschicht scheinbar auflöst. es gibt nur noch arm oder reich, nicht erfolgreich und erfolgreich ...

"Die Reiter aus der Bibel sind gekommen" musste ich an die offenbarung denken.

ich hoffe das es alle die den blog lesen zum nachdenken anregt.
lg michael

Ich hatte auch an diese apokalyptischen Reiter gedacht. Irgendwie steht alles dort geschrieben. Besonders im Buch Daniel sehe ich das Heute.

Hi Seo,

ich wohne in einem etwas ärmere Stadtteil von MD und fahre jeden Tag mehr als 1h Strassenbahn. Ich kann dir nur zustimmen. Die Stimmung vieler Menschen ist durchaus als verzweifelt zu bezeichnen. Ich lese tonnenweise Bücher, dadurch blende ich das Elend etwas aus.

Mal sehen wo es noch hinführt.

Da hilft es nur anständig zu bleiben.

Grüße

Chapper

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Wow.
Dein Gedicht klingt ja schon beängstigend nach einer Apokalypse, weiß dabei durch seinen Schrecken, aber durchaus zu gefallen. 😎

Es muss ja auch einen Grund geben, warum Jugendliche besonders gern blutige Zoobie-Shooter spielen und viele Menschen gerne Horror-Filme sehen. Da gibt es wohl eine satanische Grundsehnsucht nach der Apokalypse. Wenige werden erklären können, wo diese Sehnsucht herkommt, aber sie ist vorhanden. Interessant ist die Etymologie des Wortes "Apokalypse". Es bedeutet, wie Wikipedia zu berichten weiß, "Enthüllung" und "Entschleierung".

Top! Schön auf denPunkt Reim gebracht!

Hi, wie machst du das mit dem Durchstreichen?

Gruß

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Hihi kann ich auch noch nicht so lange. Vor und hinter dem Wort 2 Wellen setzen . Unter Sonderzeichen ~~ im Handy und PC hat sie auch.. kann ich im Moment nicht nachgucken wo und wie. Liebe Herzliche Grüße Kadna hoffe es klappt ;-)

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Super!

Vielen Dank.

Weißt du zufällig auch wie man Buchstaben oder Ziffern hoch. und tiefstellt?

Grüßle

Nee leider nicht ;-)

Du solltest vielleicht ab und zu den Stadtteil wechseln😉

Wahrhaftig keine Reklame für die Hauptstadt.

Grausam schön und die Zeit treffend-fullupvote, + re-dteem + kleiner Boost!
BGvB!

Worte zu formen, die Kunst der Poeten,
ich dichte und denke und ich übertreibe,
doch kommt eins der Tag, den ich hier beschreibe,
dann bleibt nur noch Zeit, zum Himmel zu beten.
Thanx lieber @balte!

Die dunklen Wolken seh ich auch.
Mag ein großer Sturm draus werden?
Der Poet bedichtet der Geschichte Hauch,
lenken mögen andere die Herden!

In Leipzig ähnlich. Nur eben ohne s bahn.

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Coole Reimkunst und sehr treffend.
Klarer Resteem.

TOP

Diese vergammelten faulende Ecken findest Du in fast allen Städten , extremes ist anscheinend angesagt auch im Umgang untereinander .
Staat, Stadt und auch Bevölkerung verschließen zu oft die Augen 👀 in der anonymität der Großstadt kann man die frage der Schuld auch schnell weitergeben.

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