Hermine und Egon kommunizieren (jeder für sich)

in #deutsch6 years ago

Kommunikationsprobleme


Warum, wieso, weshalb - deshalb:


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@chriddi wühlt sich durch die Nachlassenschaften verschiedenster Kommunikationsforscher, klopft deren letzte Erkenntnisse auf Brauchbarkeit ab und formt das Ganze dann zu einem Beitrag, der das Machbare oder die Schwierigkeiten der zwischenmenschlichen Kommunikation aufzeigen soll. Dies gelingt ihr mehr als gut und findet daher auch eine breite Resonanz in Form von Upvotes.
Doch es bleibt nicht bei dem wortlosen Beifall. Wortreiche Kommentare reihen sich an knappe Statements. Und eine dieser spontan geäußerten Meinungen sprang mir regelrecht auf die Schulter, krabbelte zu meinem Ohr und flüsterte: Das hättest du nicht besser sagen können.
Da hat der Mann vollkommen recht. Besser nicht - aber wortreicher.

@leroy.linientreu - Wenn ich auf dem Sofa sitze und an die Decke starre kommuniziere ich nicht, auch nicht, wenn sie ins Zimmer kommt oder neben mir sitzt. Ich sitze einfach nur da, sozusagen im Stand-by-Modus.

Es geht mir mit diesem Beitrag nicht darum, zu @chriddi’s Post eine wissenschaftlich fundierte Stellungnahme zu verfassen. Weit gefehlt. Ich werde lediglich ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern. Wie nicht anders zu erwarten, selbstverständlich aus der Sicht eines Mannes, denn das Feld der Kommunikation zwischen Mann und Frau bringt viele Pflanzen zum Wachsen. Viel Unkraut, aber auch so manche Leckereien. Also, ran an die Ernte!

Beginnen möchte ich mit einem Mann, der das Wort Kommunikation noch überhaupt nicht kannte. Kein Wunder, denn es existierte schlicht und einfach nicht. War ja auch niemand da, mit dem Mann ein solches Experiment hätte wagen können. Gott war ganz alleine mit sich selbst, hat ein wenig am Universum gebastelt (aber nur wenn ihm danach war) und ließ ansonsten die Fünf gerade sein. Natürlich sind ihm auch Fehler unterlaufen. Keiner, und schon gar nicht wir, werden das bestreiten. Bei der Erschaffung des Menschen hat er zum Beispiel extrem geschlampt. Ich würde sagen, er hatte einen sauschlechten Tag erwischt. Schwamm drüber, schnell vergessen und weiter geht es wie bisher.
So lautet halt das bewährte Motto des Mannes. Im Nachhinein groß zu lamentieren, mit dem Konjunktiv die Wände zu tapezieren oder das Ganze nochmals nachzubetrachten und durchzudiskutieren? Bringt doch nichts!

Aber schon hallen sie, die Stimmen aus dem Lager der Unberücksichtigten (wenn es um die Erschaffung des Ganzen, des Wesentlichen geht) unüberhörbar: ”Hätte Gott eine Frau an seiner Seite gehabt, müsste sich heute kein Mann über unsere kalten Füße beschweren. Männer können eben nur das Grobe.” Stimmt zwar nicht ganz, ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Weiblichkeit es im entscheidenden Augenblick bis zum obersten Chef nicht geschafft hat. Der alte Meister wird seine Gründe gehabt haben. Ich persönlich gehe davon aus, dass er ganz einfach keine Lust auf Diskussionen hatte. Solche Dinge lenken vom Wesentlichen ab und verlangsamen den Arbeitsprozess. Dass er das mit dem Single-Dasein ganz zu Beginn richtig gemacht hatte, fiel ihm erst auf, als er die ersten Exemplare seiner Schöpfung wieder vor der eigenen Haustür begrüßen durfte. Das war der Moment als die Kommunikation plötzlich wie ein ungebetener Gast in seinem Hausflur stand. Oder glaubt jemand ganz im Ernst, eine Jean Harlow testet ohne langatmige Vorgespräche deine Matratze?
Und, falls es noch niemandem aufgefallen ist, seither kümmert er sich auch nicht mehr so wirklich gut um uns hier unten. Wie sollte er auch? Dreiviertel des Tages geht ja drauf mit kommunizieren!

Doch lasse ich ihn und Marlene Dietrich (die Harlow war ihm zu anstrengend in der Stimme) nun alleine. Höchste Zeit sich den irdischen Auswüchsen im Bereich Kommunikation zu widmen. Um die Sache besser veranschaulichen zu können, bitte ich zwei Exemplare auf die Bühne, sozusagen mitten ins Rampenlicht, die ich ganz gut zu kennen glaube. Den männlichen Part übernehme freiwillig ich (die Bezahlung stimmt - warum also nicht), während meine Frau, für die jetzt leider nur noch die weibliche Hauptrolle übrig bleibt, nicht so ganz zufrieden mit ihrem Engagement zu sein scheint.

Schauen wir nun gemeinsam den beiden Protagonisten einfach und rücksichtslos eine Weile über die Schulter und warten ab, was passiert. Doch bevor die erste Diskussion ins Rollen gerät, sollten die Darsteller noch mit Namen ausgestattet werden. Dies erleichtert die Unterscheidung ungemein. Ihn (also mich) nenne ich Egon, während sie auf Hermine reagieren muss. Hermine. Ist eigentlich ein schöner Name. Vielleicht heißt meine Frau ja tatsächlich mit zweitem Namen Hermine? Keine Ahnung. Darüber haben wir noch nie geredet. Meine Frau sagt sowieso immer, wir würden zu wenig miteinander reden. Aber wer unterhält sich schon freiwillig und zwanglos über zweite Vornamen?

Und schon sind wir am ersten Knackpunkt, der die Fundamente einer Beziehung zwischen Mann und Frau seismographisch nachweislich erschüttern kann. Folgendes passiert auf der Bühne:
Egon sitzt am Schreibtisch, klopft vier mittellange Sätze in die Tastatur und verfällt danach, wie fast immer nach einer geistigen Höchstleistung, in einen kleinen Tagtraum. Das zeigt sich unverkennbar daran, dass er vollkommen relaxed wie Pik-Sieben in seinem Schreibtischstuhl hängt, aus dem Fenster glotzt und ganz nebenbei mit sich und der Welt zufrieden ist.
Hermine, obwohl erst gerade vom allmorgendlichen Ausflug ins Badezimmer zurück, sprüht bereits vor Tatendrang. Doch anstatt diesen Elan zu nutzen und den Carport zu bauen, den Egon sich schon so lange wünscht oder das Haus farbig neu zu gestalten, bekommt der in tiefe Konzentration verfallene Ehemann das Folgende zu hören:
“Sollten wir nicht doch lieber den Schreibtisch leicht schräg oder besser noch ganz an die andere Wand stellen? Nicht nur wegen der Nachmittagssonne, nein, das ergibt dann auch ein harmonischeres Bild.”
Tief drinnen glaubt Egon nicht richtig gehört zu haben. Denn es ist kaum zwei Monate her, als es hieß, der Schreibtisch käme am Fenster viel besser zur Geltung. Mindestens eine Stunde hatte er danach damit verbracht, die Kabel neu zu verlegen und so zu kaschieren, dass sie (O-Ton Hermine) nicht so furchtbar in der Gegend rumhängen. Keinem Menschen, außer er hätte sich ganz platt auf den Fußboden gelegt, wären die paar Kabel je aufgefallen. Aber nein, denn es könnte ja sein, dass jemand gerade mal zufällig bei uns klingelt und verkündet, einen Teppich unter meinen Schreibtisch verlegen zu wollen.
Mit dieser Erinnerung im Gepäck entscheidet sich Egon für die kurze Antwort: “Nein!”
“Wie, nein? Lass es uns doch wenigstens versuchen. Du wirst sehen, dass ich recht habe. Außerdem habe ich gelesen, dass es gar nicht gut für die Konzentration ist wenn du ständig visuellen Anreizen ausgesetzt bist.”
“Warum, hast du vor den B-H auszuziehen? Außerdem habe ich dir schon einmal gesagt, du solltest weniger lesen.”
Hermine entledigt sich weder ihrer Unterwäsche, noch reagiert sie auf Egons Bemerkung. Es wird noch schlimmer. Sie zieht sich einen Stuhl bei und setzt sich. Es besteht eindeutig Kommunikationsbedarf. Wohlgemerkt bei Hermine. Egon spürt, wie sein Schreibfluss in der trockenen Erde versiegt und die Story, mit der er den ganz großen Durchbruch geschafft hätte, einem Ausflug nach Jordanien vorzieht.
“Habe ich dich jetzt beim Schreiben unterbrochen? Tut mir leid. Mach halt anschließend weiter. Zuerst stellen wir den Schreibtisch um.”
Hermine, du gehst mir auf den Senkel mit deinem bescheuerten Schreibtisch-Schach. Als gäbe es auf dieser Welt nichts Wichtigeres zu erledigen.”
“Für mich scheinbar nicht. Außerdem ist das noch lange kein Grund laut zu werden. Andere Leute können über solche Sachen ganz ruhig und gelassen diskutieren. Wir jedoch scheinbar nicht. Das ist mir übrigens bereits öfters aufgefallen. Dir scheint an Gesprächen mit mir nicht viel zu liegen. Und dabei hatte ich mir immer so sehr einen Partner gewünscht, mit dem über alles geredet werden kann.”
“Insbesondere über die Mobilität von Schreibtischen. Aber lass mal wissen, wer diese anderen Menschen sind, mit den du mir hier ständig vor der Nase rumwedelst?”
“Zum Beispiel Meryl Streep und Clint Eastwood in Die Brücke am Fluss. Da könntest du dir eine Scheibe abschneiden.”

Egon fragt sich in diesem Moment, ob er das Tintenfass auf ex leeren oder sich lieber an der externen Festplatte vergehen sollte. Doch vorher stellt er noch etwas klar.
“Ist dir aufgefallen, dass du von einem gottverdammten Film redest, zu dem sich irgend ein Hampel für das Drehbuch die heile Welt aus den Fingern gesogen hat? Hättest du Frau Streep und Herrn Eastwood ohne Drehbuch an einen Tisch gesetzt und gesagt, so jetzt kommuniziert mal brav miteinander, die Streep hätte fünfundachtzig Minuten das Silikon im Fensterrahmen porös gelabert und Eastwood hätte vielleicht dreimal gebrummt uns zweimal nein gesagt.”
“Erstens hast du keine Ahnung, zweitens den Film überhaupt nicht gesehen und drittens ist mit dir nicht vernünftig zu reden.”
Gegen diese Argumente versucht Egon erst gar nicht anzugehen. Er bleibt lieber bei Herrn Eastwood.
“Was für ein ausgelassener Kommunikator Clint Eastwood ist, wenn wir schon beim Film sind, hat er in Gran Torino eindringlich gezeigt. Die ganze Zeit geschwiegen und zum Schluss zur Flinte gegriffen. Effektiver Einsatz von Argumenten, nennt man das.”

Hermine verlagert sich aufs Kopfschütteln und hält mit ihrer Meinung nicht länger hinterm Berg.
“Klar, das ist euer Terrain. Hauptsache den wilden Mann gemacht und nachher müssen wir die Scherben beseitigen.”
“Na und?! Ihr kennt euch halt eben mit Schaufel und Besen seit der Geburt besonders gut aus.”

Auf der Bühne kommt es zu Handgreiflichkeiten. Der Drehbuchschreiber sollte sich von der Tastatur losreißen und beschwichtigend eingreifen. Aber der ist gerade wieder in einem seiner Tagträume versunken und starrt ziellos aus dem Fenster.
Aber nicht mehr lange.
Denn da war doch noch was mit dem Schreibtisch …
Die Sache ist nämlich noch nicht zu Ende diskutiert.

Danke für die Aufmerksamkeit.
Ich bin ab sofort mindestens eine Stunde online nicht erreichbar. Die Kabel müssen neu verlegt werden.

Bis zur nächsten Aufführung

Hermine & Egon

Sort:  

Lieber Egon, liebste Hermine,
da hat der Wolfram mit euch glatt den höchsten Trumpf aus dem Ärmel gezogen!
Nee, die Analyse der Kommunikation zwischen Mann und Frau wird selbst dem besten Wissenschaftler nicht gelingen. Immerhin hält sich da ja sogar wie angemerkt unser Schöpfer sehr bedeckt. Wer also meint, seinen weisen Senf dazu beitragen zu können oder sogar eine Lösung parat zu haben, wird von mir als überheblicher Hochstapler bezichtigt. Ja, ja, ich weiß, keine persönlichkeitsangreifende Kritik, aber was kümmert Frau ihr Geschwätz von gestern?
Sag, Wolfram, wolltest du nicht den Rasen mähen? Klar nach den Kabeln! Der Schreibtisch? Soll sowieso lieber ins andere Zimmer. Nein, nein, anders herum!

... und zum guten Schluss:
Ich glaube, dort am Fenster hat er doch ganz gut gestanden.

Augenverdrehen und Schulterzucken hilft bei Männer überhaupt nicht. Wir neigen dazu solche Gesten des Unverständnisses grundsätzlich zu übersehen.
Kein Mann würde je behaupten, es sei nicht schön in der Gesellschaft einer Frau zu sein.
Das Problem ist lediglich, dass ...

Liebe Grüße
Wolfram

Was bedeutet "fett gedruckt"? Betont? Sehr betont? Aha! Nun brüll' doch nicht gleich los...
Ich glaube, ich kenne die Probleme, ihr Männer seid doch immer...
Hm, ich glaube, heute möchte ich doch einen Smiley nutzen ;-) - nein, zwei... ;-)
Liebe Grüße,
Chriddi

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