Konrad Lorenz, der Abbau des Menschlichen

in #deutsch5 years ago

Wer sich mit Ökonomie beschäftigt, oder Ökonomie verstehen will, muss sich mit dem Menschen, und zwar dem Einzelnen, auseinandersetzen. Hierbei ist es unerlässlich sich - unter anderem - auch mit der Psyche zu befassen.

Es ist in der Ökonomie und Ökonomik sehr wichtig sich ein breit gestreutes Wissen anzueignen, dass zum einen auf Erfahrung und zum anderen auf Beobachtungen gründen sollte. Aber das reicht nur bedingt aus. Denn wer glaubt vor Doktrin und Indoktrination gefeit zu sein, nur weil er mit Lebenserfahrung ausgestattet zu sein scheint, der irrt gewaltig.

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Ich möchte heute einen Gesprächspartner (von Vielen) vorstellen, der mir durch seine Schriften persönlich einige Denkanstöße geliefert hat.

In diesem Beitrag ist es Konrad Lorenz!

(* 1903 in Wien; ✝ 1989 ebenda)

Ausgewähltes Werk:

Der Abbau des Menschlichen. München: Piper Verlag, 1983

Teilhard de Chardin hat den bedeutsamen Schritt getan, die Schöpfung mit der Evolution gleichzusetzen. Seine Erkenntnis, daß mit jedem Evolutionsschritt ein Wertzuwachs verbunden sei, ist ebenso grundlegend für unsere Weltanschauung wie für die seine. Er glaubt jedoch, daß der Weg der Evolution vom Nichtlebendigen zum Lebendigen, vom Niedrigeren zum Höheren grundsätzlich vorherbestimmt, prädeterminiert sei – wie Oswald Spengler an einen unausweichlichen Untergang unserer Kultur geglaubt hat.
Diese gegensätzlichen Anschauungen haben für das menschliche Verhalten die gleichen Folgen: Beide erlauben es dem Menschen, sich von der Verantwortung für das Weltgeschehen entlastet zu fühlen. Die Faktoren der organischen Entwicklung, vor allem Erbänderung (Mutation) und Auswahl (Selektion), haben den menschlichen Geist erschaffen wie alle anderen Lebenserscheinungen auch. Der menschliche Geist aber hat Mittel und Wege gefunden, um den wichtigsten der Faktoren auszuschalten, die ihn schufen: die grausam bewahrende Selektion. (17f.)

Die Evolution hat den Menschen auf die Füße gestellt, hat ihn in eine im tiefsten symbolischen Sinne instabile Lage gebracht und dann die Hände von ihm abgezogen. Die kreative Selektion, von der im vierten Teil des Buches die Rede sein wird, hat aufgehört, auf den Menschen zu wirken. An ihre Stelle ist die intraspezifische Selektion getreten, von der wir sehr genau wissen, auf welch bizarre Irrwege sie den Artenwandel führen kann. Es ist in gewissem Sinne erlaubt zu sagen, daß die schöpferische Evolution im stammesgeschichtlichen Sinne auf unserer Erde aufgehört habe. Die kulturelle Entwicklung der Menschheit geht immer schneller vor sich und hat zur Zeit eine solche Geschwindigkeit erreicht, daß es kaum übertrieben ist zu behaupten, die Schnelligkeit der genetischen, stammesgeschichtlichen Evolution könne im Vergleich mit ihr vernachlässigt, ja mit Null gleichgesetzt werden. Die Veränderungen, die von der menschlichen Kulturentwicklung auf dem ganzen Planeten bewirkt werden, vollziehen sich jedenfalls in einem Tempo, das ein Mitgehen, ein »Nachziehen« der phylogenetischen Entwicklung völlig ausschließt. Der Mensch ist in höchstem Maße bedroht. »Die ewig rege, die heilsam schaffende Gewalt «, wie Goethe sie nennt, kann heute ausschließlich durch die Wertempfindungen der Menschen wirksam werden. Die Entscheidung, ob die Evolution des organischen Lebens hier und jetzt »nach oben« oder »nach unten« geht, ist zur Verantwortung des Menschen geworden. (18f.)

Obwohl sich heute schon viele Menschen der Gefahren bewußt sind, die durch die technologische Entwicklung der Menschheit heraufbeschworen werden, gibt es doch auch unzählige »technomorph« denkende Menschen, die fest davon überzeugt sind, daß jede Entwicklung notwendigerweise neue Werte hervorbringt. Auch wenn man Entwicklung durchaus im Sinne der Goetheschen Definition als Differenzierung und Subordination der Teile begreift, ist diese Anschauung falsch, und zwar in bezug auf mögliche kulturelle Entwicklungen noch mehr als in bezug auf stammesgeschichtliche. (19f.)

Die Entstehung von Werten hat zwar Entwicklung zur Voraussetzung, ist aber nicht notwendigerweise deren Folge. In einer technokratischen Weltordnung ist der Vorgang einer Entwicklung im unglücklich verengten Sinne zum Inbegriff der Wertschaffung geworden. Das läßt sich besonders schön daran illustrieren, was man auf Amerikanisch darunter versteht, ein Landstück zu entwickeln: »To develop an area« heißt, auf dem betreffenden Stück Land alle natürliche Vegetation radikal zu vernichten, den frei werdenden Boden mit Beton oder bestenfalls mit Parkrasengras zu überziehen, ein etwa vorhandenes Stück Meeresstrand durch eine Betonmauer zu befestigen, Bachläufe zu begradigen oder, wenn möglich, in Röhren zu fassen, das Ganze gründlich mit Pestiziden zu vergiften und dann an einen gehorsam verstädterten und verdummten Konsumenten möglichst teuer zu verkaufen. Darüber hinaus wird im technomorphen Denken auf beinahe zwangsneurotische Weise das bloße Bestehen der Möglichkeit, einen bestimmten Vorgang technisch zu realisieren, mit der Verpflichtung verwechselt, dies tatsächlich zu tun. Es ist geradezu zu einem Gebot der technokratischen Religion geworden: Alles, was irgend machbar ist, muß gemacht werden. (20)

Gewiß, ich übertreibe. Dennoch frönt auch heute noch die große Mehrzahl der Menschen dem Glauben, daß das Fortschreiten unserer Zivilisation zwangsläufig in einer prädestinierten Weise zum Anwachsen von Werten führen müsse. (21)

Vielen Menschen erscheint es undenkbar, daß es im Universum Vorgänge gibt, die nicht nach bestimmten Zwecken ausgerichtet sind. Weil wir bei uns selbst sinnloses Handeln für einen Unwert erachten, stört es uns, daß es ein Geschehen gibt, das jeden Sinnes entbehrt. Goethe läßt Faust beim Anblick brandender Meereswellen sagen: »Was zur Verzweiflung mich beängstigen könnte, zwecklose Kraft unbändiger Elemente.« Vor allem aber kränkt es den Menschen in seinem Selbstgefühl, daß er mit allen seinen Belangen dem kosmischen Geschehen so absolut gleichgültig ist. Weil er merkt, daß im Weltgeschehen das Sinnlose überwiegt, befürchtet er, das Unsinnige müsse schon rein mengenmäßig über die menschlichen Bestrebungen der Sinngebung triumphieren. Aus dieser Furcht entspringt der Denkzwang, in allem, was geschieht, einen verborgenen Sinn zu vermuten. »Der Menschwill«, wie Nicolai Hartmann sagt, »der Härte des Realen als des gegen ihn absolut Gleichgültigen nicht ins Gesicht sehen. Er meint gleich, das Leben lohne sich sonst nicht.« An anderer Stelle sagt der Philosoph: »Himmelfern liegt es ihm, auch nur zu ahnen, daß Sinngebung ein Vorrecht des Menschen sein könnte und daß vielleicht gerade er in seiner Ahnungslosigkeit sich selbst um dieses Vorrecht bringt.« Paradoxerweise ist die Abneigung gegen ein nicht zweckgerichtetes, nicht final determiniertes Weltgeschehen auch von der Furcht motiviert, der freie Wille des Menschen könne sich als eine Illusion erweisen, was nicht nur erkenntnistheoretisch unsinnig, sondern auch, was eine zweckgerichtete Weltordnung betrifft, völlig verkehrt ist: »Die widerspruchslos hingenommene Vorstellung von einer von vornherein durchgehend final determinierten Welt schließt ja zwingend jegliche Freiheit des Menschen aus« und beschränkt ihn auf das Verhalten eines Schienenfahrzeuges, das sein Ziel zwangsläufig erreicht. Diese Vorstellung bedeutet die absolute Verneinung des Menschen als eines verantwortlichen Wesens. (22)

Final determinierte Vorgänge gibt es im Kosmos ausschließlich im Bereich des Organischen. Eine im Sinne von Nicolai Hartmann kategoriale Analyse des Finalnexus läßt sich also nur vom Wirkungsgefüge einer ganz bestimmten Ereigniskette geben. (22f.)

Für sie sind drei Akte charakteristisch, die man allerdings nicht voneinander trennen und unabhängig betrachten kann, da sie eine funktionelle Einheit bilden: erstens die Setzung eines Zweckes mit Überspringen des Zeitflusses als eine Antizipation von etwas Künftigem; zweitens eine von diesem gesetzten Zweck her erfolgende Auswahl der Mittel, die also gewissermaßen rückbezüglich determiniert werden; drittens die Realisation des Zweckes durch die kausale Aufeinanderfolge der ausgewählten Mittel. Immer muß, wie Nicolai Hartmann mit stärkster Betonung sagt, ein »Träger« der Akte, ein »Setzer« des Zweckes und ein »Wähler« der Mittel vorhanden sein. Hinzu kommt, daß der »dritte Akt«, die Verwirklichung des Zweckes, meist noch »überwacht« werden muß, denn in der Auswahl der Mittel können Irrtümer unterlaufen sein; in diesem Fall tritt an irgendeinem Punkt in der Reihe eine Abweichung von der vorgezeichneten Linie auf, die durch neue Mittel ausgeglichen werden muß. Nicolai Hartmann ist der Ansicht, daß der Träger der Akte und Setzer der Zwecke immer nur ein Bewußtsein sein könne, denn, so sagt er, »nur ein Bewußtsein hat Beweglichkeit in der Anschauungszeit, kann den Zeitlauf überspringen, kann vorsetzen, vorwegnehmen, Mittel seligieren und rückläufig gegen die übersprungene Zeitfolge bis auf das >Erste< zurückverfolgen.« Seit Nicolai Hartmann diese Sätze geschrieben hat, haben die Biochemie, die Erforschung der Morphogenese und die Ethologie Vorgänge aufgedeckt, die sicher nicht bewußtseinsbegleitet sind, die aber die geforderten drei Akte in ihrem typischen Wirkungsgefüge enthalten. (23f.)

Die Art und Weise, auf die der im Genom vorgegebene Bauplan die Erzeugung eines neuen Organismus vorwegnimmt, entspricht durchaus dem ersten Akt der Zielsetzung, und das Erreichen des Zieles, bei dem in höchst regulativer Weise je nach Angebot des Milieus sehr verschiedene Mittel und Wege zur endgültigen Verwirklichung des Bauplanes führen, entspricht zweifellos genau dem von Hartmann postulierten Gefüge dreier Akte, wenn auch sicher auf einer kategorial niedrigeren Ebene als der des bewußten menschlichen Zweckverhaltens. Zwischen diesen beiden Ebenen führt die stufenlose Reihe zweckgerichteten Verhaltens von Tieren und Menschen vom ungerichteten Suchen zum komplexen methodischen Vorgehen des Menschen. Die Tatsache, daß sich in der physiologischen Ontogenese eines Lebewesens ein echtes Finalgeschehen – die Verwirklichung eines vorgegebenen Planes – vollzieht, verführt allzu leicht zu der Meinung, daß Gleiches für die stammesgeschichtliche Entwicklung der Lebewesen gelte. Schon das Wort Entwicklung oder Evolution legt diese Vorstellung nahe. Uns allen sind wunderschöne schematische Darstellungen vom Stammbaum der Lebewesen bekannt, der bei Einzellern beginnt, in unzähligen Verzweigungen über niedrige zu höheren Organismen emporzustreben scheint und schließlich im Menschen als Zweck und Krönung endet. (24f.)

Und damit finis! Dabei wird über die Phylogenese, die sich allerdings tatsächlich auf diesen Bahnen vollzogen hat, post festum [im Nachhinein] ein Richtungspfeil angebracht, der den Menschen als von Anfang an vorherbestimmtes Ziel des Weltgeschehens erscheinen läßt – und das hören die Menschen nur allzu gerne. Der Versuch, Sinn und Richtung in das evolutive Geschehen hineinzuinterpretieren, ist genauso verfehlt wie die Bestrebungen so vieler durchaus wissenschaftlich denkender Leute, aus geschichtlichen Ereignissen Gesetzlichkeiten zu abstrahieren, die es erlauben, den weiteren Verlauf der Geschichte vorauszusagen, etwa in dem Sinne, wie die Kenntnis gewisser Gesetze der Physik eine Voraussage physikalischer Geschehnisse ermöglicht. Die Meinung, daß theoretische Geschichtswissenschaft in gleichem Sinne möglich sein müsse wie theoretische Physik, ist immer noch nicht ganz ausgestorben. Karl Popper hat diese Ansicht als Aberglauben entlarvt: Ohne Zweifel beeinflußt menschliches Wissen den Gang der Menschheitsgeschichte, und da gerade der Zuwachs an Wissen völlig unvoraussagbar ist, ist es auch der zukünftige Verlauf der Geschichte. Wie Karl Popper in seinem Buch »The Poverty of Historicism« unwiderleglich zeigt, kann kein zu Voraussagen befähigter kognitiver Apparat – Menschenhirn oder Rechenmaschine – je seine eigenen Ergebnisse voraussagen. (25f.)

»Weil dieses Argument rein logisch ist,« sagt Karl Popper, »ist es auch auf alle wissenschaftlichen Voraussager von beliebiger Komplikation anwendbar, einschließlich von Sozietäten miteinander in Wechselwirkung stehenden Voraussagern.« [»This argument, being purely logical, applies to scientific predictors of any complexity, including societies of interacting predictors.«] All dies gilt für den Verlauf der Phylogenese ebenso wie für den der Menschheitsgeschichte. Auch die Stammesgeschichte wird entscheidend vom Erwerb von Informationen beeinflußt, der noch in einem anderen Sinne, als es menschlicher Wissensgewinn ist, unvoraussagbar ist. Die winzigste Erbänderung, die einen Gewinn an anpassender Information bedeutet, verändert den weiteren Verlauf der Phylogenese für alle Zukunft und auf irreversible Weise. Der Weg des Werdens der Organismenwelt seit Entstehung des Lebens kann also gar nicht schicksalhaft vorausbestimmt sein. Rabbi Ben Akibas berühmter Aphorismus, alles sei schon dagewesen, ist das Gegenteil historischer Wahrheit: Nichts ist schon dagewesen. (26) [...]

Territorialbesitz ist bei sehr vielen Tieren sicher genetisch programmiert. Das scheint für den Menschen, zumindest in seinen einfachsten Gesellschaftsformen, nicht zu gelten. Bei den Kulturen, die heute noch im Jäger-Sammler-Stadium verharren, spielt die persönliche materielle Habe offenbar nur eine recht geringe Rolle und beschränkt sich wohl meist auf einige Gebrauchsgegenstände und Waffen. Zwar verteidigen solche Kulturen die von ihren Streifzügen nach einem mehr oder weniger geregelten System berührten Gebiete bis zu einem gewissen Grade gegen Übergriffe benachbarter Gruppen; man kann jedoch, grob gesprochen, annehmen, daß eine echte Territorialverteidigung erst Hand in Hand mit dem Ackerbau entstanden ist, gleichzeitig mit einer hierarchischen Gesellschaftsordnung: der Scheidung der Menschheit in Herren und Knechte. In Form unreflektierter Gewohnheitsrechte war sehr wahrscheinlich schon bei sehr frühen Jägerkulturen das Beutetier Besitz des Erbeuters. Dies ist interessanterweise auch beim Schimpansen so. Selbst ein untergeordneter Schimpanse, der einen jungen Pavian oder ein Antilopenkitz getötet hat, wird von ranghöheren Tieren in aller Demut angebettelt und teilt großzügig Stücke seiner Beute an alle Mitglieder der Horde aus, wobei er allerdings nicht »gerecht« vorgeht, sondern seine Freunde bevorzugt. (125f.)

Eine sehr alte Form des persönlichen Besitzes war ganz sicher das Weidetier des Nomaden. Das lateinische Wort pecus, von dem pecunia und »pekuniär« abgeleitet sind, heißt Kleintier; speziell war wohl meist das Schaf gemeint. Phänomenologie kann man am besten in Selbstbeobachtung treiben, d.h. eigene Empfindungen beschreiben und hoffen, daß man von anderen verstanden wird. Einige Spekulationen seien mir erlaubt. Meine Empfindungen der Freude daran, etwas zu »haben«, hat fast ausschließlich lebende Tiere zum Objekt. Wenn in einem Aquarium durch reinen Zufall und ohne mein Zutun eine große Schar von Fischen aufwächst und gedeiht, so bereitet mir dies tiefe Befriedigung, auch wenn diese Fische mir an sich durchaus uninteressante Salmler sind. Die Betrachtung der ständig wachsenden Schar unserer Graugänse macht mir Freude, obwohl wir unser Bestes tun, möglichst viele von ihnen auf gutem Wege loszuwerden, weil die große Zahl den für unsere Forschungsarbeiten notwendigen Überblick erschwert. Diese Selbstbeobachtungen bestärken meine Meinung, daß die positive Empfindung für das Wachsen der Herde mehr von genetischen Programmen beeinflußt ist als andere Arten der Besitzfreude. Eine qualitativ andere Art der Freude am Haben scheint sich auf Objekte zu richten, die man sammeln und horten kann. (126f.)

Sie wird sehr stark ausgelöst durch Nahrungsmittel von genügender Haltbarkeit. Der Drang zum Sammeln gleichartiger Objekte ist höchstwahrscheinlich genetisch programmiert; er hat die gefährliche Eigenschaft, sich mit der Quantität des bereits Gesammelten zu verstärken. Es ist bekannt, daß leidenschaftliche Sammler von bestimmten Kunstgegenständen diesem Trieb soweit erliegen, daß sie vor kriminellen Handlungen nicht zurückscheuen. Daß die Sammelwut nach Art einer Neurose allmählich die ganze Persönlichkeit des Sammlers »auffressen« kann, ist nicht nur dem Psychiater bekannt. Einer der gefährlichsten Teufelskreise, die das Leben der gesamten Menschheit bedrohen, entsteht dadurch, daß das Streben nach einer möglichst hohen Rangordnungsstellung, mit anderen Worten, das Streben nach Macht, sich mit der zur Neurose gewordenen Habsucht verbindet, deren Ergebnisse Macht verleihen. Es wurde schon gesagt, daß die Quantität des Angesammelten den Drang zum Sammeln steigert; die böseste gegenseitige Steigerung findet zwischen Macht und Herrschsucht statt. (127) [...]

Die Demagogen aller Zeiten waren und sind sich der Tatsache bewußt, daß der Mensch jenen Idealen am treuesten dient, die er in seiner Jugend zu den seinen gemacht hat. Sie wußten und wissen die oben erwähnten Schlüsselreize künstlich herzustellen und einzusetzen. Man muß mit einem wirklich einer Doktrin ergebenen jungen Menschen diskutiert haben, um sich ein richtiges Bild davon zu machen, mit welcher totalen Unbekümmertheit der früh Begeisterte für alle Gegenargumente taub ist und alle anderen Werte verneint. »Was schert mich Weib, was schert mich Kind ... « ist ein schwacher Ausdruck für die Gesamtheit aller Dinge, die den Begeisterten nicht mehr scheren. Am merkwürdigsten ist dabei die Tatsache, daß eine solche restlose Hingabe an eine Doktrin dem Indoktrinierten das vollkommene und offenbar restlos beglückende Gefühl persönlicher Freiheit verleiht. (191f.)

Der Gefangene identifiziert sich eben vollständig mit den Idealen, die der Doktrinär ihm eingab; er fühlt die Zwangsjacke nicht, in der er steckt. Der völlig Indoktrinierte merkt nichts davon, daß er eines konstitutiven Merkmals wahren Menschentums verlustig gegangen ist, nämlich der Freiheit des Denkens. Die Miene der absoluten Überzeugung, die er dabei aufsetzt, ist geeignet, im Gesprächspartner eher Ärger auszulösen als das Mitleid, das der Indoktrinierte tatsächlich verdient. Das entsprechende Syndrom von Ausdrucksbewegungen habe ich zum erstenmal in Amerika bewußt beobachtet: an einem Studienkollegen, der ein sogenannter »revivalist« war, d.h. Anhänger einer Strömung, die das Christentum aktiv und dynamisch zu beleben trachtet. Ich habe damals schon genug von Evolutionslehre gewußt, um mit diesem jungen Menschen über Glaubenssätze der Genesis zu diskutieren. Dabei habe ich erstmalig die Starrheit der Indoktrination kennengelernt. Auf manchen modernen sowjetischen und sogar chinesischen Plakaten ist der Ausdruck indoktrinierter Begeisterung ganz eindeutig dargestellt. Aufs nächste vertraut mit dem Ausdruckssyndrom indoktrinierter Begeisterung wurde ich während meiner Kriegsgefangenschaft in der UdSSR von 1944 bis 1948. Dort machte ich auch eine Erfahrung, die mir von meiner Bekanntschaft mit dem jungen Revivalisten in New York im Jahre 1922 in lebhafter Erinnerung war: Der von einer Doktrin wirklich Begeisterte hält es für seine Pflicht, Proselyten zu machen. (192f.)

Viele jüngere Militärs und Ärzte, mit denen ich während meiner ärztlichen Tätigkeit in der Sowjetunion näher bekannt wurde, unternahmen an mir Bekehrungsversuche. Wenn einer dieser Leute begann, freundlicher zu werden und dem Gefangenen gegenüber seine steife Zurückhaltung abzulegen, konnte ich geradezu voraussagen, wann der Bekehrungsversuch kommen würde. Dabei war mit großer Regelmäßigkeit der missionsbeflissene Sowjetbürger ein uranständiger und netter Mensch, in vielen Fällen »hatte ich nicht das Herz«, ihm einzugestehen, wie unannehmbar seine Doktrin mir war. Eines aber ist mir bei diesen Missionsversuchen von sowjetischer Seite her klar geworden, was mir bei den Bekehrungsversuchen der Revivalisten entgangen war. Es ist das die Tatsache, daß die sozial am besten veranlagten, gutherzigsten und anständigsten Menschen gegen die Anschläge des indoktrinierenden Demagogen besonders wehrlos sind. Vor allem hindert sie eine wirkliche Tugend, nämlich ihre Treue, daran, sich von der Doktrin zu lösen, selbst dann, wenn sie ihre Wertlosigkeit voll durchschaut haben. Wenn man die Tragik dieser Treue eingesehen hat, fühlt man die Verantwortlichkeit, die Jugend vor den Leimruten der Indoktrination jeder Art zu bewahren. (193) [...]

Zu den Faktoren, die das technokratische System stabilisieren, gehört die Doktrin von der absoluten Gleichheit aller Menschen, mit anderen Worten, der Irrglaube, daß der Mensch als »tabula rasa« geboren, das heißt, daß seine gesamte Persönlichkeit erst im Laufe seines Lebens durch Lernvorgänge bestimmt werde. Diese Doktrin, an die leider auch heute noch viele Menschen mit geradezu religiöser Inbrunst glauben, stammt, wie Philip Wylie in seinem Buch »The Magic Animal!« gezeigt hat, aus einer Verdrehung eines berühmten Satzes aus der amerikanischen »Declaration of Independence«, die im wesentlichen Thomas Jefferson verfaßte. (211f.)

Es heißt dort: » ...all men are created equal.« Diese Worte wurden geschrieben, als es galt, die Negersklaven zu befreien und den Farbigen gleiches Recht wie den Weißen zu verschaffen – was bekanntlich leider bis heute nicht ganz gelungen ist. Sehr wirksam war dagegen die folgende doppelte logische Verdrehung dieses Satzes: Die erste falsche Deduktion ist, daß sich alle Menschen, hätten sie ideale Entwicklungsbedingungen, zu idealen Wesen entwickeln würden. Aus dieser falschen Folgerung schloß man in einem weiteren logischen Salto mortale, daß alle Menschen bei Geburt schlechterdings identisch seien. J. B. Watson hat sich bekanntlich zu der Behauptung verstiegen, er könne aus jedem ihm zur Erziehung überlassenen gesunden Neugeborenen »auf Bestellung« einen Violinvirtuosen, einen Mathematiker oder ein Finanzgenie machen. Die falsche Annahme dabei ist, daß es im Zentralnervensystem des Menschen überhaupt keine genetisch festgelegten Programme gebe und alle individuellen Unterschiede des menschlichen Verhaltens aus der Verschiedenheit der individuellen Erfahrung als konditioniert zu erklären seien. Eben dies besagt die »Empty-organism«-Theorie von B. F. Skinner. Die Annahme, daß dem Menschen, abgesehen von dem, was ihm durch »conditioning« beigebracht wird, keinerlei Normen des sozialen Verhaltens innewohnen, hat automatisch zur Folge, daß die Schuld an jedem Fehlverhalten und jedem Verbrechen der Erziehung des Delinquenten zur Last gelegt werden kann. (212f.)

Der Einzelmensch wird hierdurch von jeder moralischen Verantwortung befreit; daß er damit gleichzeitig eines Menschenrechtes, nämlich der Verantwortlichkeit, beraubt wird, wird meist übersehen. Der Glaube an die unbegrenzte Formbarkeit des Menschen ist natürlich allen Leuten willkommen, für die es vorteilhaft wäre, wenn der Mensch keinerlei angeborene Fähigkeiten und Leistungen besäße und somit unbegrenzt manipulierbar wäre. Hieraus erklärt sich, daß die pseudodemokratische Doktrin von der Lobby der Großindustrie ebenso zur Staatsreligion gemacht wurde wie von den Ideologen des Kommunismus. Die pseudodemokratische Doktrin hat heute noch großen Einfluß auf die öffentliche Meinung und auf die Psychologie. Das hängt ganz sicher mit den Bevölkerungszahlen und der durch sie notwendig gewordenen Überorganisation der zivilisierten Menschheit zusammen, in der individuelle Unterschiede nicht genügend berücksichtigt werden können. Man verstößt gegen die Forderung der »Chancengleichheit«, wenn man sagt, ein Mensch sei intelligent oder dumm oder unehrlich, obwohl jeder Mensch weiß, daß es Dumme und Gescheite, Ehrliche und Unehrliche gibt. Die unbestreitbare Aussage, daß es, von eineiigen Zwillingen abgesehen, keine zwei Menschen mit völlig identischer genetischer Programmierung gibt, kann, wie Philip Wylie richtig sagt, heute mancherorts ebenso gefährlich werden wie im Mittelalter die Behauptung, daß die Erde um die Sonne kreise und nicht diese um jene. (213f.) [...]

Die Überzeugungskraft jeder Doktrin wächst mit der Zahl der von ihr beherrschten Menschen, und deshalb wächst leider auch die Stabilität jeder Gesellschaftsordnung mit der Zahl ihrer Untertanen. Die Machthaber der großen Staatssysteme lassen es aber keineswegs bei dieser Wirkung bewenden, sondern befleißigen sich verschiedener Verfahren der Dressur. Die altbewährten Methoden des Konditionierens sind Strafe oder Belohnung. Systeme, die ihren totalitären Charakter offen bekennen, scheuen sich nicht, mittels strenger Bestrafung jedes ihnen unerwünschten Verhaltens zu regieren. Die Bevölkerung lebt in dauernder Angst, kann aber merkwürdigerweise – denn so ist der Mensch leider beschaffen – gleichzeitig echte Begeisterung für seine Tyrannen empfinden. In seinem Buch »Animal Farm« hat George Orwell eine treffende und schauerliche Karikatur einer totalitären Schreckensherrschaft entworfen. Die Art und Weise, auf die er zeigt, wie sich die meisten Menschen dem Regime nur aus Furcht unterwerfen und nur die naivsten sich gutgläubig für seine Ideale begeistern, ist ebenso erschütternd wie überzeugend. Diese Darstellung entspricht der faschistischen Staatsordnung wie der sowjetischen, vor allem ihrer früheren Praxis. Doch wird in der Sowjetunion allmählich die Dressur durch Belohnung mehr und mehr bevorzugt wie in anderen Großstaaten auch. In China scheint sich Analoges abzuspielen. (224f.)

Was die Dressurmethoden durch Strafe und durch Belohnung wesentlich unterscheidet, sind die verschiedenen Arten der Opposition, die jede von ihnen hervorruft. Das Regieren mit der Peitsche erzeugt eine geradezu heldenhafte Opposition. Die kapitalistische Massenbeherrschung durch Belohnung und allmähliche Verwöhnung bringt keine Helden hervor. Philosophische Menschenfreunde haben früh gesehen, welche im wahrsten Sinne entmenschenden Folgen die Dressur durch Verwöhnung nach sich ziehen kann. Vance Packard hat schon vor Jahrzehnten in seinem Buch »The Hidden Persuaders« überzeugend dargestellt, daß es vor allem der Komfort des Einzelmenschen ist, der ihn die Produkte der großen Produzenten kaufen läßt. Jeder dieser neuen Artikel macht das Leben noch etwas bequemer, als der vorhergehende es schon getan hat. Wir leben ja auch in einer Zeit der »Auto-Kratie«, d.h. der Tyrannis des Automobils. An dieser Lokomotionsprothese läßt sich eine ganze Reihe der schon besprochenen Erscheinungen demonstrieren, die unserer Generation so gefährlich werden: Funktionslust, Rangordnungsstreben und Verwechslung des Mittels mit dem Zweck. Der Autoproduzent verführt den Konsumenten mit zunehmendem »Fahrkomfort«; die Freude am Fahren verführt uns dazu, immer neue Modelle zu kaufen. Wenn man einem älteren Menschen des Mittelstandes zumuten würde, seinen gegenwärtigen Wagen mit dem vorigen oder vorvorigen Modell zu vertauschen, so würde ihm peinlich bewußt, wie sehr er dabei »von Seide auf Stroh« geraten würde, wie rasch er sich an Servobremsen und Servolenkung gewöhnt und wie gründlich er das Schalten mit Zwischengas verlernt hat – mit anderen Worten, wie gut es den Produzenten gelungen ist, ihn von immer neuen technischen Errungenschaften abhängig zu machen. (225f.)

Auch kenne ich keinen einzigen Fall, in dem das neue Modell eines bestimmten Autotyps langsamer gewesen wäre als die vorangehenden. Die Gewöhnung von Stroh auf Seide geht um ein Vielfaches schneller als die Rückgewöhnung von Seide auf Stroh. Es ist uns heute kaum mehr bewußt, wie unbequem das Leben vor weniger als einem Jahrhundert war. Ich habe lange genug gelebt, um mich genau zu erinnern, wie im Hause wohlhabender Bürger täglich unzählige Petroleumlampen geputzt und an jedem Wintertag eine ganze Anzahl von Öfen angeheizt werden mußten. Wer heute ein Zimmer mit der Heizung, Beleuchtung und Waschgelegenheit bewohnt, das dem Geheimrat von Goethe oder der Herzogin Anna Amalia von Weimar durchaus annehmbar erschien, empfindet sich als anspruchslos, selbst wenn andere die Arbeit für ihn tun. Man weiß seit alters her, daß es für den Menschen gefährlich ist, wenn es ihm »zu gut geht«, wenn er allzu erfolgreich in seinem natürlichen Bestreben ist, Lust zu gewinnen und Unlust zu vermeiden. Wir haben allzu gut gelernt, unlustbetonten Situationen aus dem Weg zu gehen; Technik und Pharmakologie helfen uns dabei. (226f.)

Wir Zivilisationsmenschen werden immer unfähiger, Schmerz und Leid zu ertragen. Dieser Grad unserer Angst vor Unlust und die Methoden, diese zu vermeiden, grenzen an Laster. In meinem
Buch »Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit« habe ich auseinandergesetzt, welche Folgen für den Gewinn von Lust und Freude dieses übertriebene Vermeiden aller Unlust hat. Die alte Maxime aus Goethes Schatzgräber »Saure Wochen, frohe Feste« besagt, daß wahre Freude durch wehleidige Unlustvermeidung unerreichbar gemacht wird. »Genuß« kann allenfalls noch gewonnen werden, ohne in Gestalt saurer Arbeit den ehrlichen Preis von Unlust dafür zu bezahlen, nicht aber der »Freude schöner Götterfunken«. Die zunehmende Unlust-Intoleranz des zivilisierten Menschen verwandelt die naturgewollten Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens in eine langweilige, künstlich eingeebnete Fläche von einförmigem Grau, ohne Kontrast von Licht und Schatten. Kurz, sie erzeugt Langeweile und ist damit die Ursache für das große Unterhaltungsbedürfnis vieler Menschen. Das Bedürfnis, »unterhalten« zu werden, ist ein Symptom eines außerordentlich bedauernswerten Seelenzustandes, woferne ich mein eigenes Erleben verallgemeinern darf. Das Bedürfnis, einen Kriminalroman zu lesen oder das Fernsehen einzuschalten, empfinde ich nämlich nur dann, wenn ich so müde oder auf andere Weise inaktiviert bin, daß ich zu nichts Gescheiterem mehr imstande bin. (227f.)

Passives Sich-unterhalten-Lassen ist das genaue Gegenteil; Spielen dagegen der Inbegriff jener schöpferischen Aktivität, ohne die wahres Menschentum nicht bestehen kann. (228)

Euer Zeitgedanken

Sort:  

Ich hab das Buch gelesen; ach was VERSCHLUNGEN - ebenso wie die "7 Todsünden" - Lorenz gehört zusammen mit Erich Fromm zu den ganz Großen für mich, was eine sozialkritische Betrachtung unserer Um-, Miss- und Zustände angeht. Die von ihm abgesprochenen Epidemiologien des Geistes sind noch präsenter und brisanter denn je... leider.

Ich danke Dir für deinen Kommentar.

Dann will ich beim nächsten Beitrag den, nennen wir es Sicht aus differenzierten Perspektiven, vorstellen; Eibl-Eibesfeldt. Dann wird vielleicht einiges was heute so um uns greift etwas lichter.

Angeschaut und geupvotet und mit ein paar Cent belohnt. @greece-lover aktueller Kurator des German-Steem-Bootcamp

Vielen Dank für den Beitrag. Musste an einigen Stellen durchaus schmunzeln, da es sich mit meinen Beobachtungen deckt. Denke ich werde da nochmal etwas mehr auf dem Stapel der Bücher legen, die man irgendwann nochmal genauer lesen sollte ;)

Danke für deinen Kommentarbeitrag.

Vielen Dank für den Beitrag

gerne doch.

Musste an einigen Stellen durchaus schmunzeln, da es sich mit meinen Beobachtungen deckt

Auch ich bin immer wieder überrascht, wie langsam sich die geistige Evolution fortentwickelt. Vieles ist bereits gesagt was

dem Stapel der Bücher....die man irgendwann nochmal genauer lesen sollte

geschuldet ist.

Vielleicht ist es an der Zeit, die Schlüsse und Lehren die daraus gezogen werden auf den Prüfstand zu stellen.
Wir haben ja schon mal in #freie-gesellschaft den Versuch gestartet.

wird denn in deinem Hause auch Norbert Bischof gelesen?
http://www.bischof.com/norbert_konrad_lorenz.html
gescheiter.jpg

Aber sicher doch, wer Lorenz gelesen hat und wachsam bleiben möchte, kommt um Bischof nicht herum. Wie bei vielen, die sich am Max Planck-Institut tummeln, sollte man wache Augen und Ohren haben.

yippieeh, endlich mal Jemand, der etwas von Bischof gelesen hat.
Das Psychogramm ist nicht mehr in meinem Besitz, hatte ich vor Ewigkeiten mal an einen aus beruflichen Gründen an Lorenz Interessierten verschenkt.
Das im anderen Kommentar angesprochene Zürcher Modell ist auch von ihm. Die Bücher seiner Frau finde ich i.d.R. ebenfalls sehr empfehlenswert. Wohlgemerkt Sachbücher, also keine Literatur für nebenbei.

"Denn wer glaubt vor Doktrin und Indoktrination gefeit zu sein, nur weil er mit Lebenserfahrung ausgestattet zu sein scheint, der irrt gewaltig."

Noch jemand, der sich aufgrund fehlender Lebenserfahrung (sic!) schon mit einem einzigen undurchdachten Satz als Diskussionspartner disqualifiziert... ;-)

Verallgemeinerungen sind der Tod jeder Diskussion...

MfG

Was stimmt denn an dem von Dir ziterten Satz nicht, Deiner Meinung nach?

Ich habe nicht gesagt, daß mit dem Satz etwas nicht stimmt. Es ist nur erfahrungsgemäß nicht zielführend, potenzielle Gesprächspartner im Vorfeld zu diffamieren, um dann darauf zu hoffen, daß man mit diesen anschließend noch eine unbelastete Diskussion führen kann...

LG

Das ist wie bei Rousseau und seinem „Contrat Social“ der einen Bürgervertrag in Form von Verfassungen vorschlägt und jeder diese Aussage dafür in Anspruch nimmt, dass Mehrheiten über Minderheiten bestimmen, da anscheinend eine Verfassung ein vetrag sei, der dies rechtfertigen würde.
Doch keiner hat seine Aussage im Gesamtkontext benutzt, denn er hat erweiternd gesagt:

»Woher besäßen hundert, die sich einen Herrn wünschen, das Recht, für zehn, die sich keinen wünschen, mitzubestimmen? Das Gesetz der Stimmenmehrheit ist selbst eine Sache des Übereinkommens und setzt wenigstens eine einmalige Einstimmigkeit voraus. | Nur denen, die sich verbinden, liegt es ob, die Bedingungen der Vereinigung zu regeln. | Wenn demnach bei der Gründung des Gesellschaftsvertrages einige Widerspruch erheben, so macht ihre Meinung ihn nicht ungültig, sondern schließt die Gegner von ihm aus; sie gelten unter den Staatsbürgern als Fremde« (Contrat Social, ebd., S. 42 | 71 | 153).

Fragmentieren war noch nie eine gute Voraussetzung um Aussagen in Beton zu gießen.

Ich fühle mich gar nicht diffamiert durch den Satz. Niemand ist frei von möglichen Denkfehlern. Das stört mich nicht. Ich würde nicht behaupten, allwissend zu sein. Jeder hat einen gewissen "Bias".
Egal, Steem On!

Ich hatte diese Kritik auch nicht verstanden.
Wenn dieser Satz alleine dagestanden hätte, könnte ich es vielleicht noch nachvollziehen, doch vor diesem Satz steht noch:

Es ist in der Ökonomie und Ökonomik sehr wichtig sich ein breit gestreutes Wissen anzueignen, dass zum einen auf Erfahrung und zum anderen auf Beobachtungen gründen sollte. Aber das reicht nur bedingt aus.

Das sagt doch aus, dass Erfahrung - auch Lebenserfahrung - und Beobachtungen nur bedingt ausreichen. Er sagt aus, dass noch mehr nötig ist um vor Indoktrinierung gefeit zu sein.

Wenn man nur einzelne Sätze aus einem Gesamttext und seiner Aussagekraft herausholt, führt dies meistens zu einer Fragmentierung. Hierbei wird des öfteren die eigentliche Aussage für einen ganz anderen Zweck verwendet, was zu Missverständnissen führt.

In jedem Text besteht die Möglichkeit, bestimmte Sätze, oder auch Begriffe in unterschiedliche Sinngehalte zu verbauen.

Nun geht aber mein Text auf bestimmte Aussagen von Lorenz ein die im Bezug zu sehen sind und erweitert diesen.

Wäre der Vortext, der einen gewissen Tenor darstellt, ganz alleine gestanden, wäre trotzdem eine Diskussion möglich. Die einen könnten sich auf den Standpunkt stellen, „Erfahrung und Beobachtungen“ reichen aus. Oder die anderen könnten feststellen, dass dies nicht ausreichend ist, „weil“..... deren Meinung nach noch dazu gehören sollte.

Fragmentieren war noch nie eine gute Diskussionsgrundlage. Das sieht man besonders an IEE, die seine Schriften fragmentierten um den Gesamtkontext nur auf bestimmte Aussagen zu reduzieren. Siehe hierbei die Kritiken an IEE, die für politischen Zündstoff herhalten mussten. Seine Gesamtbetrachtung spielte dabei keine Rolle mehr und IEE wurde in eine politische Ecke gedrängt. Es gab aber keine wissenschaftlichen Widerlegungen seiner Ergebnisse.

Mein lieber @klippengeist die Disqualifikation bedarf aber einer genaueren Darstellung.

Den Tod einer Diskussion mit einer Verallgemeinerung im Raum stehen zu lassen, qualifiziert die Aussage wohl auch nicht.

Ich bitte darum!

Nö. Bedarf sie nicht. Ich habe mich ja deutlich genug geäußert.

Und da Du im o.g. Zitat lebenserfahrenen Menschen wie mir bereits im Vorfeld jegliches Reflexionsvermögen abgesprochen hast, erübrigt sich (für dieses Mal) auch jede weitere Diskussion.

Vielleicht demnächst mal wieder...

lg

Auch ich bin lebenserfahren, sagt zumindest meine Enkelin, aber wäre anmaßend zu behaupten, dass mich das vor Indoktrination schützen würde. Ich denke dazu bedarf es mehr als nur Lebenserfahrung.

Aber vielleicht beim nächsten mal,

BGvZ

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