Der geheime Zaubergarten

in #fotogedanken5 years ago

Mein Beitrag für die 19. Runde von @Kadna 's #fotogedanken


Das TOR katapultiert mich direkt in meine Kindheit. Ich sollte meine Schulferien bei der Großmutter verbringen, Erwachsene hatten damals keine Zeit für Kinder und ich streifte den ganzen Tag durch die Gegend. Straßen, Felder, Wald und kleine Pfade bis zum Fluss … die Möglichkeiten waren grenzenlos.

Tor mit Schild.jpg

An einem Tag kam ich an den eingezäunten Garten. Ein großes gelbes Schild hing dran, aber das mit dem Lesen klappte damals noch nicht so gut. Interessanter war, dass am Tor ein Holzbalken angebracht war, der wohl das Öffnen verhindern sollte, aber das Klettern erheblich erleichterte. Ruckzuck saß ich oben auf dem Tor. Wieder runter? Sehr hoch war es nicht und ich sprang.

Schon im Sprung fühlte ich dass etwas geschah, ein Schwindel erfasste mich, ich fiel und fiel, wie durch viele grüne Tücher die unter mir nachgaben oder auch rissen, und dabei meinen Fall bremsten.
Ich landete auf dem Boden und statt blauen Himmels sah ich über mir grünes und gelbes schimmerndes Licht. Riesenhafte Bäume mit grünen Stämmen ragten empor. Ich berührte einen. So einen Stamm hatte ich noch nie gesehen. Ich ging einige Schritte und wunderte mich über wie schwer ich voran kam. Allerlei Felsbrocken lagen auf dem Boden, die ich umrunden oder überklettern musste und diese grünen und braunen Tücher.
Es raschelte und eine riesige Spinne huschte an mir vorbei und verschwand unter einem der Tücher.

Auf einmal begriff ich was geschehen war: Ich war geschrumpft. Die Tücher waren Blätter, die Baumstämme waren keine Baumstämme, sondern die Stängel irgendwelcher Pflanzen und die Spinne war nicht riesig sondern winzig klein.
Ich kämpfte mich weiter voran und versuchte zu verstehen was ich eigentlich sah.
Hoch über mir sah ich an einem der Stängel einen Marienkäfer – größer als mein Kopf.
Staunend ging ich weiter … schaute hier und da und wunderte mich.
Ich verstand nicht alles was ich sah, es war einfach so magisch, so zauberhaft.

Mädchen im Zaubergarten.JPG

Wunderschön glänzte ein Schneckenhaus vor mir. Ich versuchte hinaufzuklettern und es gelang! Freudig strampelte ich mit den Füßen und habe damit wohl die Schnecke geweckt. Sie kam aus ihrem Haus und setzte sich in Bewegung. War das herrlich! Sie glitt über die Steine und Blätter hinweg und ich fühlte mich sehr sicher bei diesem Ritt. Doch dann erreichte die Schnecke einen Baum oder Stängel oder was weiß ich - und fing an daran hinaufzuklettern. Da konnte ich mich nicht mehr auf ihr halten und ließ mich wieder auf dem Boden fallen.

DSC_1126.JPG

Bis jetzt hatten mich die Tiere, die ich gesehen hatte nicht beachtet, aber plötzlich lief ich gegen ein straff gespanntes Seil. Ich wollte zurückweichen, aber es klebte an mir. Der blöde Kleber ließ sich nicht abstreifen, ich versuchte es noch einmal zog kräftig am Seil, es riss - aber schon klebte ein anderes an mir. Jetzt bekam ich es mit der Angst zu tun.
Die Seile waren überall und waren an den umliegenden Zweigen befestigt. Von oben her kam auf ein Mal eine Spinne über das Seil gelaufen, diese war wirklich riesig! Mit riesig meine ich etwa halb so groß wie ich, weshalb sie mich wahrscheinlich auch als riesig empfand und einen Augenblick lang zögerte.
Ich sah die haarigen Beine die reihenweise angeordneten Augen mit denen sie mich taxierte und die Giftklauen und schrie.
Die Spinne hatte entschieden, dass ich als Beute nicht zu groß sei und löste die Fäden und begann mich zu drehen und dabei in ein anderes Seil einzuwickeln. Ich zappelte und schrie und hatte wirklich Glück: in diesem Augenblick lief eine Maus durch das Spinnennetz. Es gelang mir mich in ihrem Fell festzukrallen und dabei rissen die letzten Spinnenfäden ab.
Die Maus rannte so schnell es ging, ich klammerte mich fest und dachte einen Moment später schon wieder, dass mein letztes Stündlein geschlagen habe.
Der Himmel verdunkelte sich beim Anflug eines gewaltigen Greifvogels, dessen Krallen wie Säbel auf mich zu kamen.

Au! Hatte es die Maus doch noch geschafft im letzten Augenblick in ihr Mauseloch zu laufen und ich war dabei gegen die Oberseite geknallt und heruntergerissen worden. Ich rollte mich in den sandigen Gang und sah die Klauen des Vogels direkt davor stehen.

Nur weg hier! Offensichtlich war es sehr gefährlich so klein zu sein.

Ich folgte dem Gang unter der Erde. Es war ziemlich dunkel, aber meine Augen gewöhnten sich bald daran, Dann bog der Gang ab und ich hörte das Raschen und Piepsen von vielen Mäusen.
Ein Mäusekind – ungefähr so groß wie ein Hund - kam um die Ecke, schaute mich neugierig an und kam näher. Es ließ sich sein seidiges Fell streicheln.
Nicht lange darauf kam eine erwachsene Maus sah mich kurz an und drängte das Mäusekind zurück.
Da ich auf keinen Fall in die Fänge des gewaltigen Greifvogels gelangen wollte, folgte ich.
Hinter der Biegung öffnete sich ein Höhle in der es von Mäusen allen Alters wimmelte. Die ganz jungen lagen nackt und rosig auf gemütlichen Heubetten, die etwas größeren tollten herum und die Erwachsenen waren damit beschäftigt die Kleinen zu pflegen und Nahrungsvorräte einzulagern.

Als die Mäuse mich sahen kamen, zwei davon auf mich zu und schubsten mich aus der Höhle.
Wenn die mich ganz aus dem Gang schöben, würde mich der große Vogel erwischen. Wie nur konnte ich es den Mäusen begreiflich machen?

„Halt“, rief ich und tatsächlich hörten die Mäuse auf mich zu schubsen und schauten mich an.
Ich erzählte alles was ich erlebt hatte und ganz offensichtlich verstanden sie mich.
„Deshalb kann ich nicht nach draußen“, schloss ich.
Die Mäuse redeten in ihren Piepsstimmen miteinander.
Dann schubsten sie mich wieder durch den Gang. Aber der Weg war ein anderer als der, den ich gekommen war. Weiter und immer weiter ging es durch die dunklen erdigen Tunnel. Bis wir zu einem anderen Ausgang gelangten.

Draußen legte sich eine der Mäuse hin, und die zweite bedeutete mir auf ihren Rücken zu krabbeln.
Ich hielt mich an ihrem Fell fest und schon ging es los. Die Maus lief ohne zu zögern durch die wundersame Welt der fremd anmutenden Pflanzen. Vor einer hohen Säule blieb sie schließlich stehen. Ich sollte wohl absteigen.

Was mochte das für eine Säule sein? Ich klopfte dagegen, es klang metallisch. Natürlich, der Zaun!
Hoch über mir verliefen ebenfalls Metallstreben. Ich ging an der Säule vorbei, fühlte mich einen Moment lang schwindelig und stand dann in der vollen Größe meiner sechs Jahre vor dem Zaun.

Hoch oben am Himmel sah ich einen Bussard seine Kreise ziehen. Die Maus war verschwunden.

Es dauerte eine Weile bis ich mich so weit orientiert hatte, dass ich den Weg zum Haus der Großmutter fand. Die wollte nichts von meinen Erlebnissen wissen, sondern schickte mich ohne Abendessen zu Bett, als Strafe weil ich so lange fortgeblieben war.

geschumpft.JPG

Später habe ich mich manchmal gefragt ob ich vielleicht alles nur geträumt habe. Doch eines Tages stieß ich im Internet auf ein Foto das beweist dass es den geheimen Zaubergarten doch gibt, offensichtlich hatte es mehrere Kinder dort hin verschlagen und sie haben sogar Fotos machen können.


Fotos:
Das Tor - Kadna
Montage mit dem Schild von mir
Die anderen Fotos ebenfalls von mir, nur das Kind habe ich von Pixaby in meine Welt geholt.

Die Ausschreibung der Fotogedankenchallange findest du hier

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Oh wie schön, noch ein Beitrag! Danke für diesen Ausflug! Ich mag deine großen phantasievollen Schritte in deinen Geschichten! So etwas lese ich nicht oft.. und es macht Spaß! Schönes Wochenende!

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Freut mich wenn es dir gefallen hat :-)
Ich fürchte nur dass ich nicht jede Woche einen Beitrag in dieser Größenordnung leisten kann ...

Du hast aber auch wirklich eine ganz schön große Größenordnung ;-))) Hast du gelesen, dass du jetzt 2 Wochen Zeit hast? Vielleicht passt das besser...
LG Kadna

Hey, Du wurdest von @altobot gevotet!

Hallo ich bin Mikrobi,

dein Beitrag hat mir sehr gut gefallen und du bekommst von mir Upvote.
Ich bin ein Testbot, wenn ich alles richtig gemacht habe, findest du deinen Beitrag in meinem Report wieder.

LG

Mikrobi

Danke schön!

Eine wirklich schöne und spannende Geschichte
hast du geschrieben.
Die Bilder sind auch sehr gut geworden.
Mich haben auch immer die verwunschenen
Gärten interessiert.
Über das Tor vom ersten Bild wäre ich
wahrscheinlich auch geklettert.
Bestimmt würde es mich heute noch
reizen, den verwilderten Garten zu
entdecken.
Vielen Dank für die Geschichte und die
Bilder.
Viele Grüße.

Hab Dank für den netten Kommentar. Es sind wirklich meine Kindheitserlebnisse in anderer Leute Gärten herumzuschleichen. Das hat mich sehr inspiriert.

Thank you so much for sharing this amazing post with us!

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