Eine freie Gesellschaft braucht ein Fundament. Teil 31 (Monopole beim Rechtsschutz? JA/NEIN?)

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Monopole beim Rechtsschutz?

Bisher (s. Teil 30) war gezeigt worden, dass es für die Tauschgutabnehmer von Vorteil ist, wenn einige Anbieter von Versorgungsgütern ihre Leistungen monopolwirtschaftlich erbringen. Damit rechtfertigt sich die Existenz einiger Monopole im Versorgungswesen der Gesellschaft. Wie steht es damit beim Rechtsschutzwesen?

Im Abschnitt Teil 25 in #freie-gesellschaft wurde betont, dass alle Rechtsschutzeinrichtungen der Freien Gesellschaft privatwirtschaftlich betrieben werden. Die Frage ist nun, ob man diese Betriebe außerdem noch dem Wettbewerb überlassen kann, oder ob man hier Monopole (wenn auch privatwirtschaftlich betrieben!) dulden muss. Diese Frage stellt sich sowohl in Bezug auf das exekutive Vollzugswesen als auch in Bezug auf das Gerichts- und das Vegeltungswesen.

Schon lange streitet man darüber, ob Rechtsschutzeinrichtungen ihre Leistungen im Wettbewerb oder als Monopole anbieten sollen (Gustave De Molinari, Nachdruck 2012). Die Freie Gesellschaft entscheidet sich aus guten Gründen für den Monopolismus. Zwar nicht die Rechtsschöpfung (s. Teil 18 in #freie-gesellschaft), aber bestimmte Bereiche des Rechtssschutzes werden durch Monopole betrieben. Betrachten wir zwecks Rechtfertigung dieses Vorgehens zunächst die Verhältnisse bei der Exekutive (s. Teil 23).

Durchsetzungsinstanz für mein Recht kann ich natürlich selber sein. Fühle ich mich zu schwach, delegiere ich die Durchsetzung an einen Dienstleister. Kann dieser seine Leistung im Wettbewerb mit anderen anbieten? Diese Frage ist von großer Bedeutung für die Freiheit menschlichen Zusammenlebens.
Herrscht bei der Rechtsdurchsetzung (Exekutive) Wettbewerb, können sowohl ich als auch meine Streitgegner sich irgendeinen Dienstleister auswählen, um mit ihm das zu erkämpfen, was wir jeweils für unser Recht halten. So steht am Ende Gewalt gegen Gewalt.

In dieser vertrackten Situation sagt mir meine Vernunft: Für die Durchsetzung deines Rechts brauchst du eine Gewalt, die signifikant mächtiger ist als die deiner Gegner. Und weil nicht nur meine Vernunft so zu mir spricht, sondern auch die Vernunft meiner Gegner zu ihnen, sind wir alle auf der Suche nach dem „großen Boss“. Der soll uns zu unserem Recht verhelfen. So verschwinden die kleineren (eventuell auch noch für die Rechtssicherung zur Auswahl stehenden) „Bosse“ vom Markt, weil sie im Wettbewerb gegen den von allen gewünschten größten nicht bestehen.

Jeder will, sofern er sich rational verhält, zur Durchsetzung seines Rechts die mächtigste Exekutive an seiner Seite. Und er braucht sie auch - gegen die Macht der Anderen. So erlangt diese auf ganz natürliche und geradezu automatische Weise eine Alleinstellung am Markt. Sie ist von Stund an monopolisiert - weil wir, die wir um unsere Rechte bangen, es aufgrund freier Entscheidung so wollen!! Mag sein, dass die eine oder andere kleinere Exekutive am Markt weiterhin besteht, so wie wir das mancherorts in den USA beobachten. Solche „Ableger“ existieren aber nur von des „großen Bosses“ Gnaden (Erhard Eppler, 2015).

Noch eindeutiger erscheint die Sachlage, wenn das Recht eines Individuums bzw. einer Gruppe von Individuen gegen ein aus der Fremde aggressiv einbrechendes Militär zu verteidigen ist. Auch ein solcher Fall muss bedacht sein.

Beim agressiven Angriff eines Territoriums von außen hilft Konkurrenz von Exekutiven innerhalb einer Gesellschaft absolut nicht weiter. Denn die müsste im Ernstfall mit einem Schlag beseitigt und alle Kräfte zu einer einzigen gebündelt sein. Von Stund an hätten wir ein Monopol.

Immer nur eine Gewalt innerhalb der Gesellschaft kann die für die Rechtsdurchsetzung und Rechtsverteidigung erforderliche Bedingung erfüllen, alle anderen in Schach zu halten. Sonst hätten wir eine Situation, wie wir sie in den südlicheren Regionen Italiens beobachten. Ein Zustand, bei dem miteinander konkurrierende Exekutiven die Szenerie beherrschten, ist von der Warte entwickelter Gesellschaftlichkeit aus höchst unbefriedigend. Es wäre der Rückfall ins Faustrecht.

Der als erster in der Neuzeit diese sicher schon vorher bekannten Zusammenhänge mit aller Klarheit ausgesprochen hat, war und ist als exzellenter Psychologe, Erkenntnistheoretiker und Logiker hoch geschätzt und vielen bekannt. Wohl der schonungslose Zynismus englischen Humors hat Thomas Hobbes dazu veranlasst, die biblische Schreckgestalt „Leviathan“ für seine Aufklärungszwecke zu benutzen. Und so frappiert er die irritierte Öffentlichkeit mit der These: Dass Ihr ein ziviles Gemeinwesen seid (in seinen Worten „civitas“, „Common-Wealth“) und keine Rotte sich gegenseitig zerfleischender Wölfe, verdankt ihr einzig und allein dem Leviathan.

Ein Anti-Hobbes dürfte es schwer haben, Denn er müsste zur Stützung seiner These neue Beobachtungsdaten liefern, und zwar solche, die die Realität besser nachzeichnen als oben beschrieben. Insbesondere müsste er auch zeigen, dass die oft nicht beachtete, aber unerlässliche dritte Partei bei Vertragsabschlüssen, nämlich der Vertragsbürge („Kavent“; s. Teil 17 und Teil 23 in #freie-gesellschaft), der die Einhaltung der Verträge garantiert, seine Aufgabe auch dann erfüllen kann, wenn er kein Leviathan ist.

Jede Rechtsschutzeinrichtung muss, um Recht effektiv durchsetzen zu können, ein derart großes Gewaltpotential vor allen anderen haben, dass sich die anderen widerspruchslos fügen, wenn sie nicht zermalmt werden wollen. Konkurrierende Exekutiven müssten mit harten Bandagen gegeneinander kämpfen, um das durchzusetzen, was von den Rechtsparteien als Recht beansprucht wird bzw. was sie laut Gerichtsbeschluss als Recht beanspruchen dürfen. Deutlich zeigt sich der Widersinn.

Diejenigen, die aus der Notwendigkeit des Hobbes´schen Leviathans folgern, es müsse dafür eine Obrigkeit geben, in Form eines Staatsapparats, unterliegen einem verhängnisvollen Irrtum. Eine Leviathaninstanz in Gestalt einer Obrigkeit (eines Staates) ist nicht zwingend und - aus den bereits in der Serie #freie-gesellschaft herausgearbeiteten Gründen - auch nicht wünschenswert. Mag sein, dass Hobbes eine „Majestät“ im Hinterkopf hatte, als er seinen Leviathan schrieb. Das sagt aber nichts über die Subtilität seiner Überlegungen und die Logik seiner Argumentation.

Ein privat geführtes Unternehmen kann die Aufgabe der Rechtsdurchsetzung durchaus zufriedenstellend und gar besser erfüllen als ein staatliches. Aber ohne Leviathan-Position (d. h. ohne Monopol) funktioniert das nicht. Andenfalls würden sich die Individuen recht bald in einer Situation befinden, die noch nachteiliger für sie ist als das ohnehin bedrückende Gewaltmonopol des Staates (Martin van Creveld, 1999).

Wie steht es mit der Frage ‚Monopolimus oder Wettbewerb’ beim Gerichtswesen (s. ebenda Teil 23)?
Herrschte beim Gerichtswesen Wettbewerb, dann gibt es zwei Fälle zu bedenken. Den ersten Fall beobachten wir vorwiegend bei Handelssachen, bei denen sich Streitparteien aus Kosten- oder Zeitgründen einen Mediator (einen Handelsrichter) suchen, auf den sie sich einigen können und dessen Urteil sich beide unterwerfen. Das geschieht oft, vor allem bei internationalen Handelsgeschäften. Meistens erfolgt dabei der Rechtsbeschluss in Form eines Kompromisses. Das ist allerdings ein Kompromiss der unerfreulichen Art, nämlich ein „Vergleich“. Beim Vergleich steht „nicht mehr die Durchsetzung des Rechts im Fokus, sondern der Rechtsfrieden“ (Jens Gnisa, 2017). In der Regel muss der Kläger bluten - um des lieben Friedens willen und aus Furcht vor dem Folgekostenrisiko. Es entsteht bei ihm ein ungerechtfertigter Eigentumsverlust - nicht anders als beim Diebstahl.

Es gibt aber auch den anderen Fall, der - wie man bei den mediativ tätigen Schweizer Friedensgerichten beobachten kann - der weitaus häufigere ist. Die Parteien einigen sich nicht. Sie ziehen ihren Streit weiter und rufen ein höheres Gericht an.

Herrschte im Gerichtswesen durchgehend Wettbewerb, könnte jede Streitpartei ein Gericht nach eigenem Gutdünken auswählen. Sie könnte sich weigern, vor einem von Anderen vorgeschlagenen Gericht zu erscheinen. Beide Parteien könnten dies tun. Denn man kann ihnen nicht verwehren, sich konsequent des Wettbewerbs zu bedienen, d. h. sich ein eigenes Gericht zu suchen und beim Gericht des Gegners nicht zu erscheinen.

Nun gilt aber bei jedem Gericht: die Partei, die den Gerichtstermin versäumt, verliert den Prozess. So haben wir am Ende zwei unterschiedliche Versäumnisurteile von zwei verschiedenen Gerichten. Das hieße aber, beide Parteien haben in gleicher Sache den Prozeß gewonnen und verloren. So stünde wieder Position gegen Position, Partei gegen Partei. Welcher der beiden Parteien soll die Exekutive Recht verschaffen? Soll sie etwa selbst darüber entscheiden?

Für den Fall, wo sich streitende Parteien weder außergerichtlich noch hinsichtlich der Auswahl eines Mediators einigen können, kommt man um ein Gerichtsmonopol nicht herum. Bei dem muss sich dann auch die beklagte Partei einfinden, wenn sie für sich retten will, was zu retten ist.

Im Falle eines Monopols für das richterliche „letzte Wort“ (s. Teil 23) gewinnt eine Streitpartei den Rechtsstreit eindeutig; die andere verliert ihn genau so eindeutig. Die Exekutive stünde vor einer klaren Situation. Letztinstanzlich geltendes Recht könnte letztinstanzlich durchgesetzt werden.

Bei der Rechtsprechung können Fehler passieren, so dass auch hier eine Partei einen ungerechtfertigten Eigentumsverlust erleidet. Die Fehler sind aber nicht dadurch zu korrigieren bzw. zu minimieren, dass man Wettbewerb schafft. Zur juridischen Fehlerkorrektur bedarf es anderer Einrichtungen und Maßnahmen. Die hat man in der Staatsgesellschaft bisher nicht oder nur rhapsodisch ergriffen (darauf komme ich in späteren Teilen nochmals zurück).

Bei einem wettbewerblich betriebenen Gerichtswesen würde es nur dann zu durchweg unanfechtbaren Entscheiden kommen, wenn sich die streitenden Parteien auf einen bestimmten Mediator einigen. Das darf nicht für jeden Fall erwartet werden. Denn Wettbewerb ist prinzipiell darauf aus, dass nur immer ein Individuum sich durchsetzt. Bei der Anrufung eines im Wettbewerb stehenden Gerichts müssten aber zwei Individuen unter einen Hut kommen. Wenn sich streitende Parteien ohnehin einig sein müssen, um im Wettbewerb ein für beide genehmes Gericht zu finden, warum beschreiten sie dann nicht den kürzeren und preisgünstigeren Weg und vertragen sich außergerichtlich?

Außerdem: Es ist unumgänglich, Gerichtsinstanzen zu haben, die nur von einer Partei angerufen werden können und vor denen sich die andere Partei einfinden muss, wenn nicht gegen sie entschieden werden soll. Zu einem unabwendbaren Gerichtsurteil (einem „letzten Wort“) sollte es auch dann kommen können, wenn eine Partei sich weigert, überhaupt ein Gericht anzuerkennen oder ein richterliches Urteil zu akzeptieren

Wer das Prinzip des unanfechtbaren „letzten Wortes“ will, muss die Monopolstellung der Instanz wollen, die es spricht. Denn die Unanfechtbarkeit des „letzten Wortes“ impliziert aus sich heraus eine Monopolstellung. Ohne sie fällt es in sich zusammen. Der Wunsch nach einem Recht jenseits des Faustrechts wäre geradezu sinnwidrig, wenn überall Wettbewerb beim Gerichtswesen herrschen soll. Zumindest eine Letztinstanz muss es geben. Sonst wäre das Prinzip des „letzten Wortes“ ad absurdum geführt.

Ein Gerichtswesen wird in jeder entwickelten Gesellschaft letztinstanzlich als Monopol betrieben werden müssen. Anders lässt sich die Unanfechtbarkeit des „letzten Wortes“ nicht realisieren. Das schließt nicht aus, dass sich streitende Parteien auf einen Richter ihrer Wahl (als „Mediator“) einigen. Gelingt eine Einigung nicht, dann muss es eine Instanz geben, die das „letzte Wort“ als einzige spricht.

Die Auffassung, dass sich in jedem Fall streitende Parteien auf einen Mediator einigen, setzt voraus, dass alle Menschen im Tiefsten ihrer Seele gut sind. Dieser Meinung sind offenbar Murray Rothbard (2012) und weitere Theoretiker aus dem libertären Lager.

Die Freie Gesellschaft muss also ein Gerichtsmonopol haben. Daraus zu folgern, es müsse dafür so etwas wie Obrigkeit geben, etwa in Form eines Staatsapparats, ist ein eklatanter Fehlschluss. Ein rechtsprechendes Institut kann auch privatwirtschaftlich effektiv betrieben werden. Nur muss es eine Monopolstellung haben, um als „Letzte-Wort“-Instanz fungieren zu können. Damit ist natürlich die Gefahr einer Willkür verbunden. Gegen die Willkür des Gerichtswesens müssen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen sein. Solche Maßnahmen werde ich in den späteren Teilen vorstellen und außerdem die in der Staatsgesellschaft dafür vorgesehenen kritisch beleuchten.

Werfen wir abschließend noch einen Blick auf das Vergeltungswesen (s. Teil 20 in #freie-gesellschaft). Auch hier wird sich in einer freien Gesellschaft früher oder später eine Monopoleinrichtung durchsetzen, und zwar aus dem gleichen Grunde wie bei der Exekutive: In einem hochkommunikativen Gesellschaftsgefüge spricht sich unter den Geschädigten schnell herum, von welcher Einrichtung sie die sachgerechteste Schadensregelung zu erwarten haben. Die Monopolstellung entsteht auch hier, weil die Nutzer der Leistung es wollen (s. o.).

Es gibt noch einen weiteren Grund, der für den Monopolismus im Vergeltungswesen spricht: Wenn die freien Gesellschafter wollen, dass beim Schadensausgleich nicht mit zweierlei Maß gemessen wird, also eine Art Vergeltungschaos entsteht, dann müssen sie den Schadensausgleich vereinheitlichen. Das kann nur durch Monopolisierung erreicht werden.

Die Frage, ob es beim Vergeltungswesen ein Monopol geben darf (bzw. soll) oder nicht, ist von der Frage, ob es dafür eine Obrigkeit geben darf (bzw. soll) genau so unabhängig wie die Leviathanfrage beim exekutiven Rechtsvollzug oder wie die Frage des „letzten Wortes“ bei Gericht.

Fazit: Es gibt gute Gründe, die für den Monopolismus nicht nur beim Versorgungswesen der Gesellschaft, sondern auch beim Rechtsschutz- und Vergeltungswesen sprechen, die ihn hier sogar unverzichtbar machen.

Beim exekutiven Rechtsvollzug lautet die Begründung: Recht kann sich nur durchsetzen, wenn eine unangreifbare Gewalt an seiner Seite steht, die signifikant mächtiger ist als alle anderen Gewalten innerhalb der Gesellschaft und die jeder anrufen kann, wenn er einen gültigen Rechtstitel hat, den er allein nicht durchsetzen kann.

Schwieriger wird die Begründung des Monopolismus im Falle der Rechtsprechung. Zumindest denkbar ist, dass es hier Wettbewerb gibt. Die streitenden Parteien suchen sich auf dem Markt einen Mediator, dessen Urteil sie sich unterwerfen. Was geschieht aber, wenn sie sich nicht auf einen solchen einigen?

Streitende Parteien müssten schon sehr nett zueinander sein, um sich stets „durch eine einhellige Wahl“ im „Wettbewerb der Schlichter“ (am „Schlichtermarkt“; Hans-Herrmann Hoppe, 2004 und 2012) auf ein für beide Parteien genehmes Gericht zu einigen und von diesem ein Urteil (als „letztes Wort“) zu akzeptieren. Dass sie derart nett nicht zueinander sind, ist schon dadurch bewiesen, dass sich der Kläger genötigt sieht, eine schlichtende Instanz anzurufen.

Obligate und nichtobligate Monopole

Es kann für eine Reihe von gesellschaftlichen Leistungsbereichen gezeigt werden, dass ein allumfassender Verzicht auf Monopolismus zugunsten des Wettbewerbs in die abstrusesten Widersprüche hineinführt. Bestimmte Dienstleistungseinrichtungen sind nur als Monopole opportun bzw. funktionieren nur als solche.

Wir stehen sowohl in ökonomischer als auch in juridischer Hinsicht vor einer Situation, die Monopolismus innerhalb der Gesellschaft als notwendig erscheinen lässt. Eine Abschaffung der Monopole würde die Gefahren zwar beseitigen, aber dann funktioniert das freie und friedliche Zusammenleben von Menschen nicht mehr. Auch gehen die ökonomischen Vorteile verloren, die der Monopolismus in einigen Lebensbereichen schafft. Somit steht die Frage der Beseitigung der Gefahren, die jeder Monopolismus in sich birgt, weiterhin im Raum.

Man kann diese Gefahren zwar durch möglichst viel Wettbewerb eindämmen: durch Abschaffung von Monopolen in vielen Leistungsbereichen. Den Monopolismus ganz zu beseitigen, wird aus den oben genannten Gründen nicht gelingen. Bei noch so viel Sympathie für den Wettbewerb, eine vernünftig organisierte Wirtschafts- und Rechtsgemeinschaft wird ohne Monopole nicht auskommen. Außerdem: Da das Prinzip Wettbewerb das Prinzip Monopolismus bereits in sich birgt (s. Teil 30), haben allein deshalb schon alle Forderungen, die in Richtung Ausmerzung des Monopolismus gehen, etwas Weltfremdes.

Monopolismus zeigt nur dann sein finsteres Gesicht, wenn man keinen Weg sieht, ihn effektiv zu entmachten. Viele kritisch denkende Gesellschaftstheoretiker haben einen solchen Weg bisher nicht gezeigt. Nur so ist ihr befremdliches Ansinnen zu verstehen, Monopolismus generell abzuschaffen.

Die wahre Kunst gesellschaftspolitischen Denkens beginnt erst, wenn die Unausrottbarkeit, ja sogar Unentbehrlichkeit des Monopolismus nüchtern zur Kenntnis genommen wird. Dann kann die Frage: gibt es brauchbare Methoden, als Individuum trotz Monopolismus frei leben zu können? mit gehörigem Abstand und ohne Emotionen beantwortetet werden.

Man kann die Gefahren des Monopolismus zwar durch möglichst viel Wettbewerb eindämmen: durch Abschaffung von Monopolen in möglichst vielen Leistungsbereichen. Den Monopolismus ganz zu beseitigen, wird aus den oben genannten Gründen nicht gelingen, wäre in einigen Leistungsbereichen auch nicht besonders intelligent.

Die Vorstellung einer Gesellschaft als reine Wettbewerbswirtschaft ist nicht nur unrealistisch. Eine solche Gesellschaft ist auch nicht optimal, und zwar in Bezug auf die Maximierung der freien Lebensentfaltung des Individuums. In einigen Lebensbereichen kann es für das Individuum durchaus sinnvoll sein, wenn kein Wettbewerb besteht und die Leistung von einer einzigen Einrichtung erbracht wird. Manche Dienstleistungs- und Produktionseinrichtungen sind als Monopolbetriebe nicht nur faktisch vorhanden, sondern auch unabdingbar.

Die im Interesse der Tauschpartner unabdingbaren Monopole werden als „natürliche“ Monopole („natural monopolies“) bezeichnet. Ich benenne sie als „obligate Monopole“. Obligate Monopole sind solche, deren Güterangebot jeder, der in die Lebenswelt einer bestimmten Menschengruppe eintritt, entweder potentiell oder real nutzt, z. B. die Wasserversorgung oder das Rechtsschutzwesen.

Auch außerhalb des obligaten Monopolismus entstehen Monopole. In einer marktgerecht organisierten Gesellschaft kommt es immer wieder vor, dass Wettbewerb auf ganz natürliche Weise ausfällt (s. Teil 11 in #freie-gesellschaft). So können sich aus einem ursprünglichen Wettbewerb heraus Monopole bilden. Solche Monopole sind oft nicht als Monopole zwingend. Sie sind als solche nicht gewollt und auch nicht notwendig. Höchstens werden sie hingenommen. Sie sollten deshalb nichtobligate Monopole heißen.

Sowohl die obligaten als auch viele nichtobligate Monopole sind nicht aus der Gesellschaft zu verbannen. Deshalb muss eine als frei beabsichtigte Gesellschaft einen anderen Weg suchen, um die Macht des Monopolismus zu brechen.

Murray Rothbard hat seinen interessanten und prinzipiell richtigen Ansatz, bei ökonomischen und juridischen Macht- und Herrschaftsfragen das Prinzip „checks and balances“ in die gesellschaftstheoretische Diskussion einzubringen, nicht genutzt. Deshalb konnte er ein neues hieb- und stichfestes Paradigma politischer Theorie, das nach diesem Ansatz fällig gewesen wäre, nicht entwickeln.

Was Rothbard und seine Anhänger mit der totalen Abschaffung des Monopolismus anstreben, nämlich die Abschaffung des Staates als Hort der Unterdrückung, ist ein ehrenwertes Unterfangen. Aber es ist unrealistisch, dieses Ziel auf dem Wege der Beseitigung des Monopolismus erreichen zu wollen. Ehe der Baum „Staat“ zu Fall kommt, muss kräftiger als bisher (auch als bei Rothbard) an seinen Wurzeln gesägt werden. Nur die Radikalisierung des Freiheitsbegriffs und der damit zusammenhängenden Fragen können diesen Baum endgültig zu Fall bringen. Sonst schießen aus seinem Stumpf immer wieder neue Triebe hervor.

Der Zweck der Ausführungen in den folgenden Nächsten Teilen in #freie-gesellschaft ist, ein gesellschaftliches Organisationsmodell vorzustellen, das dazu geeignet ist, die Freiheitsgefährdung durch den (immer schon vorhandenen und nicht zu verbannenden) Monopolismus zu bekämpfen. Es werden Maßnahmen beschrieben, mit deren Hilfe die Unausgewogenheit zwischenmenschlicher Herrschafts-Knechtschafts-Verhälttnisse professionell und effektiv beseitigt werden können.

Im engen Zusammenhang mit diesem Vorhaben steht die kritische Auseinandersetzung mit einschlägigen Bemühungen in den Staatsgesellschaften. Welche Einrichtungen und Maßnahmen haben sie geschaffen, um die Macht der Monopole, insbesondere die Macht der staatlichen Exekutive, zu bändigen? Eine vorbehaltlose Kritik vom Freiheitsstandpunkt aus kann nicht anders, als diese Einrichtungen und Maßnahmen an den Pranger zu stellen.

Ende von Teil 31. Wir sind aber noch nicht am Ende, Teil 32 der Serie #freie-gesellschaft folgt.

Bis dahin verbleibt @zeitgedanken mit Hochachtung an seine Leser, Kommentatoren und eventuell auch Kritikern (sofern sie konstruktive Kritik einbringen)

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Dies ist sicherlich etwas, was einigen nicht gefallen wird.
Ich fühle mich auch nicht allzu wohl dabei, aber man wird in bestimmten Bereichen die Kröte des Monopolismus schlucken müssen.
Wobei man sagen muss, dass die Verbrechen und sonstigen Angelegenheiten für die man ein Gericht braucht in einer freien Gesellschaft sowieso deutlich zurückgehen werden.
Schon alleine deshalb, weil es viele Tatbestände gar nicht mehr geben wird. Wie z.B. all die opferlosen Verbrechen und die verbundene Bandekriminalität und Beschaffungskriminalität.
Wo die Märkte frei sind braucht es selten Gerichte.
Ich glaube nicht, dass die Viehhändler, die alles per Handschlag ausmachen ein Gericht brauchen. Alleine die Angst aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden zwingt zu ehrlichem Handeln.
An der Chicagoer Optionsbörse (CBOE) gab es das arbitration committee.
Das war eine Art privates Gericht in das man von den anderen Tradern gewählt werden konnte. Bei Streitigkeiten wandte man sich an dieses Gericht als letzte Instanz. In dem Getümmel am Trading Floor kam es nämlich des Öfteren vor, dass man dachte man hätte mit jemanden eine Trade gemacht, der wusste aber später nichts mehr davon, weil er woanders hingeschaut hat usw.
Meistens hat man sich aber irgendwie geeinigt oder die Verluste geteilt, weil das immer wieder vorkam und jeden treffen konnte.
Das arbitration committee wurde nur sehr selten angerufen.

An der Chicagoer Optionsbörse (CBOE) gab es das arbitration committee.

aber nur weil sie geduldet sind vom großen Staatsoberboss.

Ach damals hat sich der Staat noch nicht sonderlich um die CBOE und CME gekümmert und die Trader wären niemals zur Polizei oder vor ein staatliches Gericht gegangen.
Das waren ja zum großen Teil alles Leute von der Straße, die in den armen Einwanderviertel aufgewachsen sind.
Die meisten waren keine WASP, sondern Italiener, Iren, Polen, osteuropäische Juden, usw. Die waren es gewohnt, dass man Streitigkeiten unter sich regelt.

Ich fühle mich auch nicht allzu wohl dabei, aber man wird in bestimmten Bereichen die Kröte des Monopolismus schlucken müssen.

Wie meinen Zeilen entnehmen kannst, will ich auch wenn möglich keine Monopole, aber da wo sie nicht zu vermeiden sind, oder auch sinnstiftend sind, (5 Kanalisationen nebeneinander macht wohl keinen Sinn), lese nochmal teil 30 da bin ich darauf eingegangen

Ist mir bewusst und deine Lösung, dass man z.B. das Leitungsnetz an einen Monopolisten vergibt, jedoch die Versorger privat sind, finde ich auch gut.

Auch Monopole sollen privat geführt werden, nicht zu vergessen.

natürlich.

Dies ist sicherlich etwas, was einigen nicht gefallen wird.

War mir klar, aber von der Hand zu weisen ist es nicht. Im Wettbewerb ist Monopolismus angelegt und manche Monopole machen auch Sinn. Aber vielleicht schaffe ich es mit meinen Lösungsansätzen, die Kritiker zu besänftigen.

Wenn jemand zu sich selber ehrlich ist, wird er diese Sichtweise, nachvollziehen können. Man sollte also immer auf Monopole vorbereitet sein und dafür bedarf es Strategien. Aber darauf komme ich noch. Denke daran, ich habe gelernt mit Monopolen umzugehen. Aber lass dich Überaschen. Hoppe, und David Dürr waren auch sehr überrascht. Widerspruch wurde noch keiner gefunden, aber man möchte noch Nachdenken.

Heute in Teil 32 werde ich eventuell etwas mehr Einsichten zu

Dies ist sicherlich etwas, was einigen nicht gefallen wird.

liefern, wo zum Thema Monopol nicht zu Ende gedacht wurde.

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