Empathiearmut oder Nachrichtentsunami?

in #phuket6 years ago (edited)

Das hatten sie sich nicht unbedingt so vorgestellt , in den Prospekten sah es ja auch etwas anders aus. Dort werden die kleinen, abwasserarmen Nachbarinseln als Schnorchel- und Tauchparadies beschrieben mit Sichtweiten unter Wasser von mehr als 20Metern mit jeder Menge Getier in allen Farben.


Beispielbild Racha Yai

So sieht das dort aus und deshalb fahren so viel Touristen dahin, entweder mit Booten, die fuers Schnorcheln und Tauchen gebaut wurden oder wenn es schneller gehen soll halt mit Speedbooten.

Damit ist man in weniger als einer Stunde da und hat den ganzen Tag Schnorchelspass, zusammen mit Tausenden anderen Touristen. An verkehrsreichen Tagen ankern in jeder einzelnen Bucht schon mal mehr als 50 Schiffe und weitere 50 liegen am Strand. Da kann es selbst in dieser Bucht eng werden fuer den nach Frieden suchenden Individualisten.

gg.jpg
So eng ist es in jeder Bucht, aus der Sicht eines Tauchers. Jedes Boot schleppt so 40 bis 100 Leute mit.

Letzten Donnerstag war es nicht so eng, es ist ja Nebensaisson oder die gruene Sassion mit Anspielung auf den haeufigen Regen in dieser Zeit. Aber auch in dieser Zeit , an diesem Tag sind morgens zwischen 8 und 10 dutzende Boote zu den Schnorchel- und Tauchparadiesen aufgebrochen wie jeden Tag. Mehr als die Haelfte der Tagestouristen waren wie immer chinesische Touristen, die hier das Gro des Massentourismus stellen, gefolgt von Russen, stellen.

chinesische Tagesausfluegler beim Besteigen eines Speedbootes im Hafen von Chalong

Ein gewoehnlicher Tag im Paradies namens Phuket.

Fast.
Etwas war anders. An diesem Tag gaben die Behoerden von Phuket bekannt, dass im Laufe des Nachmittags ein Sturm heraufzieht und sie deshalb einige Haefen schliessen wuerden und auch den unterwegs befindlichen Booten Anweisungen gaben, sichere Haefen oder geschuetzte Buchten anzulaufen.

Nun ja, die Behoerden reden viel wenn der Tag lang ist , aber der Mensch muss doch auch Geld verdienen. So moegen einige der Bootskapitaene gedacht haben. Jedenfalls dachten sie nicht daran , ihre Schwimmkuenstler einzufangen, ihre Tagestouren abzubrechen und zurueck zu fahren in den sicheren Hafen von Chalong. Die Sonne schien, die See war ruhig selbst ausserhalb der Buchten , warum abbrechen und den Leuten den Tag versauen und sich um Geld streiten?


Quelle

Im Sueden von Phuket, wo ich wohne, kam der Sturm gegen halb 5 nachmittags an und war nichts besonders. Es wurde schnell dunkel, die Blechdaecher klapperten unter dem wasserfallartigen Regen, manche klapperten auch im Sturm, weil sie mittels Thaitech gebaut wurden, dazu rauschten die Baeume und warfen ab und an einen Ast oder Wedel ab und der Strom fiel aus. Wie jeder Sturm also, mal staerker, mal schwaecher, mal mit ner Pause dazwischen, eben ein typischer Sturm nach Thaiart.
Gegen 22.00 war es dann endgueltig vorbei , was man zuverlaessig daran erkennt, dass jemand den Strom anschaltet.
Meine Gedanken dabei waren wie so oft beim Schwimmen und Schnorcheln und Tauchen und der Gewissenheit, dass dies wieder fuer ein paar Tage nichts wird, weil das Wasser so aufgewuehlt ist und man von der Brandung hin und her geschleudert wird und unten eh nichts sieht, von dem ganzen Plastikmuell, der dann im Wasser schwimmt, nicht zu reden.


die gesunkene Phoenix

Am naechsten Morgen las ich dann in den News, dass ein Tauchboot gekentert ist sowie ein paar Speedboote und die Rettungsaktion, die in der Nacht unterbrochen wurde, seit dem fruehen Morgen wieder lauft.
Aber wie das so ist mit dem Gewoehnungseffekt, in einer Gegend, wo taeglich mehrere Touristen aus dem Wasser gezogen werden muessen, weil sie sich ueber- und die See unterschaetzen, hat ein solche Nachricht auch nur einen geringen Unterhaltungswert.

Etwas hellhoeriger wurde ich, als Freitags Mittag bekannt gegeben wurde, dass mehrere Speedboote weit auf den Strand geschleudert wurden. Das bedeutet letztendlich, dass diese Kapitaene den Behoerdenaufruf voellig ignoriert haben. Diesen Leuten wuenscht man die Pest an den Hals, zumindest aber einen lebenslangen Lizenzentzug.
Also wird man neugierig und stellt dabei fest, dass das gekenterte Tauchboot mit rund 100 Mann, Frau und Kind vollbesetzt , Chinesen und ein paar Russen , nicht nur gekentert, sondern auch gleich gesunken ist, weil es die 5 m hohen Wellen so wollten und man ahnt die Tragoedie. Sicher, jeder traegt ne Rettungsweste, doch bei diesem Wellengang und Aufgrund der vielen Nichtschwimmer und aufgrund der garantierten Panik bei den Touris, die im Salon Schutz suchten, wird es wohl auch Leute geben, die da nicht mehr rauskamen.

Auf Schiffen wie die Phoenix sieht es von den Platzverhaeltnissen ungefaehr so aus. Viel Platz ist da nicht und erst recht wenig Moeglichkeit, um sich festzuhalten.

Man stelle sich das einfach mal mit 100 Menschen vor bei einem Wellengang, der bis zur Bruecke reicht.
(Das sind Bilder eines anderen Schiffes gleicher Groesse, welches ebenfalls eine traurige Erinnerung ist. An einem dieser Klappstuehle habe ich mir den Zeh gebrochen, weil ich wegen der rauhen See das Gleichgewicht verlor und einen Ausgleichschritt machen musste. Das waren Wellen von nicht mal einem Meter.)

Man sagt sich aber immer noch shit happens, obwohl man die Strecke kennt, die Boote kennt, das Revier kennt. Es stehen einfach zu viele Ertrunkene in den Zeitungen und emotional ist man auch noch bei den rettenden Tauchern in der Hoehle bei Bangkok. Und ein bischen freut man sich schon ueber das neue Wrack am Grund. 36 Meter ist ideal, weil nicht jeder da runter darf, es also nicht so ueberlaufen sein wird und es ein guter Tauchspot in der Naehe von Phuket sein wird. Ist zynisch, ist aber so.

Am Samstag jedoch, als ich den Facebookeintrag von Dave las, wurde es sehr schnell persoenlich und ploetzlich ganz nah. Dave ist mein Teamleader bei der Riffpflege und Korallenpflanzung, hauptberuflich besitzt er eine Tauchschule und eine Bar in Patong.
Dave half seit Freitag, zusammen mit anderen Tauchprofis aus aller Welt, den Bergungstauchern des Kuestenschutzes bei der Suche und Bergung der moeglicherweise Ueberlebenden. Konkret hilft er bei der Logistik, also Leichen hoch zur Oberflaeche und Technik runter zum Wrack der Phoenix.

Als er beschrieb, wie ihm gleich beim ersten Abstieg eine Leiche entgegengeschickt wurde, bekleidet noch mit Rettungsweste, aber trotzdem tot, dann, erst dann hatte ich ehrliches Mitgefuehl.
Und dazu kam noch der Gedanke, ob ich das wohl koennte, bei so einer Tragoedie helfen.

Die menschliche Psyche ist schon schraeg, zumindest bei mir!?

Erst jetzt konnte ich nachfuehlen, wie sich diese Touries gefuehlt haben muessen, wieviel Panik sie gehabt haben muessen... und das alles nur, weil ein paar Leute zu sorglos waren.

Bis jetzt wurden 49 lebend geborgen, 42 nur noch tot und 14 treiben immer noch irgendwo.
Alle Kapitaene der gesunkenen Schiffe sind wohlauf.

Sort:  

Den Kapitänen der gesunkenen Schiffe wird man hoffentlich den Prozess machen, ihnen die Schuhe aufblasen und sie über das Wasser laufen lassen. Der Haifisch im Wind ist Klasse!

Hoffentlich nicht nur diesen @afrog , die sind schon verhaftet und warten auf ihren Prozess. Ich hoffe, dass allen die Lizenz entzogen wird, die nicht nach der Aufforderung reingekommen sind..
Ich glaube mittlerweile sogar, dass dies noch viel groessere Kreise ziehen wird. Der Reiseveranstalter wurde dichtgemacht, weil er illegalerweise mit Firmenbeteiligung von Auslaendern firmiert (Chinesen). Es kann durchaus sein, dass jetzt viele oder alle Veranstalterfirmen und Bootseignerfirmen durchleuchtet werden und die, die illegalerweise durch Nichtthais gefuehrt werden, werden dichtgemacht oder muessen halt zahlen. Schmiergeld und Strafe. Da werden vielleicht die Karten hier neu gemischt und ein paar Thais in den Behoerden sehr, sehr reich.
Man munkelt ja, dass eigentlich alle der Ausflugskaehne Chinesen gehoeren und von den jeweiligen Veranstaltern nur gemietet sind, was illegal ist.

Korruption ist eigentlich überall der Normalzustand, wo es Geld zu verdienen gibt. Bei uns in D ist das auch nicht anders. Ich hatte schon befürchtet, dass du vielleicht auf einem dieser Taucherboote warst. Als dein Artikel erschien, war ich richtiggehend erleichtert.

wenn man nicht routiniert ist, woher soll dann eine angemessene Reaktion kommen. Solange ein persönlicherer Bezug wie der durch deinen Teamleaders die Sicht etwas korrigiert ist man doch kein Psychopath :D

deshalb das Fragezeichen in der Ueberschrift. Aber so ganz sicher bin ich mir nicht....:)

Tja der Mensch lernt erst wenn es in persönlich trifft, ansonsten spielt er auf taub und blind danach geht das Geheule los, was willst Du auch anderes erwarten.

Da hast Du schon recht, aber es ist auch krass, wenn man es selbst merkt. Ich habe nun einige Artikel in Google News gelesen und es hat mich eben nur insoweit interessiert, dass ich mich gefragt habe, ob sie das Boot liegen lassen oder eben heben. Erst durch diesen Zweizeiler von Dave hat sich das geaendert.

Welcome back sir @dirkzett. I always like your travelling. Thanks for sharing your beautiful moments with us.

Congratulations @dirkzett! You have received a personal award!

2 Years on Steemit
Click on the badge to view your Board of Honor.

Do not miss the last post from @steemitboard:
SteemitBoard and the Veterans on Steemit - The First Community Badge.

Do you like SteemitBoard's project? Then Vote for its witness and get one more award!

Coin Marketplace

STEEM 0.26
TRX 0.11
JST 0.033
BTC 63868.85
ETH 3063.91
USDT 1.00
SBD 4.10