Freibetrag optimal ausnutzen durch Aktienverkauf

in #steuer5 years ago

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Manchmal bekommt man im wahren Leben wirklich spannende Ideen zu hören. So wurde ich vor kurzem von jemanden angesprochen, der gerade dabei ist die Steuer für 2018 zu machen und dabei aufgefallen ist, dass er ein kleines „strukturelles“ Problem mit seinem Portfolio hat.

Eigentlich sollte es für niemanden der hier regelmäßig mitliest eine Überraschung sein, dass man pro Nase jedes Jahr in Deutschland 801€ Sparerfreibetrag hat. Das heißt, dass wir erst ab diesem Betrag hin überhaupt anfangen Steuern zu zahlen. Alles was darunter liegt ist steuerfrei und es muss nichts dafür entrichtet werden.

Dies ist ja auch der Grund, wieso ich immer predige, dass jeder deutsche Bürger mindestens diesen Betrag in Form von Kapitaleinkünften erwirtschaften will. Ob dies nun mittels Dividende (leicht), P2P-Kredite (leicht) oder dem Sparbuch erfolgt (eher schwer) ist dabei absolut unerheblich. Es handelt sich eben überall um Kapitalerträge und vermutlich jeder wird sich über mindestens 801€ pro Jahr extra freuen, die man vom Staat geschenkt bekommt. Damit man in diesen Genuss kommt, braucht man allerdings eben erst einmal überhaupt entsprechende Erträge.

Genau in dieses Problem ist die Person dann reingelaufen und ist mit einem nicht ganz unerheblichen Betrag voll in einige US-Unternehmen eingestiegen. Während viele Unternehmen gerade in Europa eigentlich fast immer irgend eine Form von Dividende ausschütten – und sei es nur eine symbolische – generiert man damit zwangsläufig auch Kapitaleträge. Doch diese Form von Ausschüttung ist bei einigen Investoren verpöhnt, da eben Geld aus dem Unternehmen gezogen wird, was eigentlich für den Ausbau des Geschäftes genutzt werden soll.

Ein prominentes Beispiel hierfür ist z.B. Tesla und Facebook, die keine Dividende ausschütten, da man ja eben versucht sich erst ein Geschäft aufzubauen. Wir erinnern uns, dass wir natürlich auch auf Kursgewinne Kapitalerträge entrichten müssen. Allerdings eben auch nur dann, wenn diese „realisiert“ worden sind. D.h. solange wir die Aktie halten, können die Kurse wild nach oben oder unten schlagen und es ergeben sich daraus für uns keine Erträge. Erst wenn wir mit Gewinn die Aktie verkaufen, müssen wir auf die Kursdifferenz zwischen Einkauf und Verkäuf die Steuer bezahlen.

Nun stellte diese Person jetzt fest, dass sie mit den beiden Aktientiteln einen nicht schlechten Gewinn eingefahren hat und es diesen Freibetrag gibt. Da keine Dividende ausgeschüttet wurde, sind die Erträge aber 0€. Das Finanzamt dankt und freut sich über 801€, die man ihm schenkt. Langes Gesicht, es kann leider nichts angesetzt werden.

Grundsätzlich rate ich immer so etwas bereits beim Aufbau des Depots zu berücksichtigen und z.B. Aktientitel zu wählen, die eine starke Dividende ausschütten oder eben auch ausschüttende ETFs zu nehmen, so dass man jedes Jahr entsprechend Erträge generiert. Doch was kann man tun, wenn die Eträge nicht ausreichen?

Mein Rat an ihn mag zunächst ein wenig paradox anmuten: Er soll die Aktien dieses Jahr verkaufen und gleich wieder kaufen. Was wie ein Taschenspielertrick wirken mag, kann dabei helfen ein paar Steuer zu sparen, wenn man es einmal nicht schafft den Freibetrag voll auszunutzen. Wie funktioniert dies? Gehen wir davon aus, dass wir 100x eine Aktie A zu 100€ gekauft haben. Diese Aktie steigt im ersten Jahr um 10% an, so dass ihr Wert um 1000€ ansteigt. Nun behalten wir die Aktie. Auch das zweite Jahr verläuft sehr gut und die Aktie steigt wieder um 10% an. Wir haben also einen Kursgewinn von 2100€.

Nun wird es uns zu heiß! Wir steigen aus und Verkaufen diese. Es liegt somit steuerpflichtige Kapitalerträge in Höhe von 2100€ vor, woraus sich eine Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt von ca. 553,87 € ergibt.

Was würde passieren, wenn wir die Aktie nun im ersten Jahr einmal verkaufen und wieder einkaufen würden? Wir würden 1000€ an Gewinn realisieren, wovon dann 801€ als Freibetrag angerechnet werden kann. Es bleibt ein steuerpflichtiger Anteil von 199€ und somit ein Steuerbetrag von 52,49€. Da wir die Aktie neu anschaffen liegt der Einstandspreis nicht mehr bei 100€, sondern bei 110€.

Verkaufen wir nun im zweiten Jahr am Ende entstehen nochmals ein zu versteuernder Betrag von 1100€. Nach Abzug des Freibetrages bleiben noch 299 € übrig und es ergibt sich eine Steuerschuld von 78,86€. Zusammen mit dem ersten Jahr haben wir somit insgesamt nur 131,35€ und somit satte 422,52 € an Steuern gespart. Dies ist eben möglich dadurch, dass wir den Steuerfreibetrag in beiden Jahren effizient ausgeschöpft haben und ihn nicht im ersten Jahr einfach haben verfallen lassen.

Hat dieses Vorgehen einen Haken? Im Kern eigentlich nicht, da es ein völlig valider Vorgang ist. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass jede Transaktion an der Börse immer auch mit Kosten verbunden ist. Je nachdem wie hoch diese sind, können diese mitunter recht hoch sein. Bei einer eher teueren HASPA-Depot würde ich diese für den Verkauf und Kauf mit ca. 30-35€ ansetzen. Trotz dieser Kosten lohnt sich der Vorgang also allemal. Dies gilt natürlich nur, wenn man wirklich nur ein Titel im Depot hat. Würde man 10 Titel haben und diese alle verkaufen, dann würde entsprechend eben höhere Kosten dabei entstehen.

Auch sollte man im Hinterkopf behalten, dass man kurzzeitig den Besitz an der Aktie verliert. Es kann natürlich passieren, dass nun gerade an dem Tag die Kurse nach oben schießen und man am Ende weniger Aktien im Depot hat als man zuvor hatte. Aber man sollte die Kirche im Dorf lassen, immerhin könnte ja auch gerade der Mega-Crash kommen und man kauft anschließend günstiger ein. Schaut man sich die typischen Schwankungen an und bedenkt, dass wir hier von eher kleineren Depots reden, hält sich das Risiko im Vergleich zum Gewinn vermutlich in Grenzen.

Lohnt sich dies auch wenn man die Kapitalerträge bereits vollständig ausreizt? Ein klares Nein! Man bleibt dann auf den Transaktionskosten sitzen und würde am Ende ein Nullsummenspiel betreiben. Dies funktioniert nur, wenn Freibeträge nicht vollständig ausgenutzt werden. Natürlich können solche erzwungenen Gewinnrealisierungen Sinn machen, wenn eine Steuererhöhung oder ähnliches ins Haus steht. Dann zahlt man lieber vorzeitig die günstigere Steuer. Da dies in den letzten Jahren aber nicht vorgekommen ist und die Steuern auf Kapitalerträge eher sinken, sollte man sich eher in Geduld üben und am Ende die Zeche zahlen.

Für 2018 konnte der Person also nicht mehr geholfen werden, da solche Gewinnrealisierungen natürlich nicht mehr rückwirkend gemacht werden können. Doch können die Transaktionskosten in diesem Jahr vielleicht als Werbungskosten für die Kapitalerträge angesetzt werden? Auch dies ist leider seit 2009 nicht mehr möglich. Das Finanzamt geht davon aus, dass sämtliche Werbungkosten für Depotkosten und Transaktionen bereits mit dem Freibetrag abgegolten sind. Dies gilt auch z.B. bei Kosten für das Girokonto.

Ich hoffe sehr, dass ich hiermit vielleicht einigen in ähnlicher Lage eine Idee zur Steuergestaltung geben konnte. Bitte vermeidet es aber und versucht immer zunächst aus eigener Kraft den Freibetrag auszuschöpfen ohne das man seiner Depotbank gleichzeitig auch noch ein Geschenk bereitet...

Es handelt sich hierbei um ein steuerliches Thema und ich bin nicht berechtigt eine Beratung für diese durchzuführen. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Anregung, die auf Grund meiner Erfahrungen im Bereich Steuer während des Studiums angelernt habe. Rechnet trotzdem damit, dass sich vielleicht die Rechtslage zwischenzeitlich völlig geändert haben könnte und kontaktiert im Zweifel den Steuerberater Eures Vertrauens für eine echte Beratung!

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Interessantes Gedankenspiel. Was ist wenn der Herr aber nur so viele Aktien verkauft, dass er die Freigrenze voll macht und den Rest behält? Ist das nicht noch besser, da er vielleicht die Transaktionskosten senkt und keine Steuern zahlen muss?

Da hast Du recht. Dies wäre tatsächlich noch eine weitere Optimierung. Ein Teilverkauf ist natürlich immer legitim und man realisiert dann nur für den verkauften Teil einen Gewinn. Was im Depot bleibt, bleibt natürlich mit dem alten Einstandspreis weiter drin.

Der Kostentreiber für die Transaktion ist üblicherweise aber meist nicht der prozentuale Anteil, sondern eben ein Fixbetrag. Je nach persönlicher Situation kann man es sich ja aber durchaus mal durchrechnen.

Tatsächlich ist dies das erste Mal, dass mir ein solcher Fall überhaupt begegnet ist. Zumeist haben die Leute die an den Aktienmarkt kommen ja bereits längere Zeit auf dem Sparkonto vor sich hin vegetiert und entsprechend größere Werte. Zumeist geht es dann eben auch eher in Dividendentitel rein, da man sich etwas Konservativeres gesucht hat.

Insgesamt hängt aber immer viel von der eigenen Situation ab. So kann es auch vielleicht Sinn machen sich einer Aktie zu entledigen um einen Verlust zu realisieren, denn man dann gegen einen Gewinn rechnen kann oder auch als Vortrag ins nächste Jahr hievt. Dann macht sowas eventuell eben auch alles keinen Sinn mehr.

Wichtig ist halt, dass man immer ein wenig kreativ bleibt, da ansonsten nur das Finanzamt sich freut und der Spielraum mit den 801€ ist ohnehin ja im Vergleich zu früher recht begrenzt bis das Finanzamt sowieso immer gewinnt ;)

Apropos. Ich habe gerade eine Mail bekommen, dass über die Mintos-Werbeaktion 1,69€ überwiesen wurden. Vielen Dank nochmals dafür! :)

Ein wertvoller Beitrag, gerade im Steuerdschungel! Wo ich Dir aber widersprechen muss ist Aktienkultur und damit auch verbunden Dividendenausschüttungen. In Deutschland gibt es m. E. sehr wenige Dividendenaristokraten, in den USA habe ich eine riesige Auswahl, da hier Aktien in der breiten Bevölkerung gelebt werden und sich viele große Unternehmen der Dividendenkultur verpflichtet fühlen. Bei uns schwanken D. häufig oder werden auch gern mal einfach gestrichen.

Hier noch eine schöne Seite zu US-Werten, die auch die immense Wirkung der Dividenden über lange Zeit visualisiert, das was viele übersehen.
http://www.stockpup.com/companies/

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Ich glaube, dass Du mich da missverstanden hast. Die Aussage ist nicht gewesen, dass in Deutschland mehr Dividende ausgeschüttet wird oder es mehr Dividendenaristokraten gibt. Sondern das es in den USA auch sehr viele Unternehmen gibt, die keinerlei Dividende ausschütten, sondern komplett über den Kurs gehen. Während in Europa viele Unternehmen im Zweifel einen lächerlich kleine Dividende ausschütten.

Die Diskussion dahinter ist ja immer, ob man wirklich Geld aus einem Geschäft nehmen sollte oder eben mit diesem arbeiten sollte, um Technologie, Absatzmärkte oder Produktion weiter zu verbessern. Gerade im angelsächsischen Raum führt dies oft zu einem Bejahung. Zumeist schütten Unternehmen dann erst Dividenden aus, wenn die Kriegskasse wirklich ein wenig voller ist oder man wirklich ein extrem etabliertes Geschäft hat.

Unternehmen die darunter fallen, haben meist sehr lukrative und dauerhaft ansteigende Dividende - da hast Du vollkommen recht. Nicht umsonst habe ich auch Cola und Proctor Gamble mit bei mir drin. Geht man aber z.B. nur mal die FANG-Aktien durch die einen nicht unerheblichen Teil des NASDAQ ausmachen, wird es schon mau. Weder Google, noch Netflix, noch Facebook schütten eine Dividende aus. Lediglich Amazon erleichtert sich manchmal mit einer noch eher niedrigen Dividende.

Da in den USA normalerweise Quartalsdividenden durchaus üblich sind, würde ich schon sagen, dass man dort viele Unternehmen mit der Denkweise finden, dass Dividenden nicht gut sind, sondern man mit dem zur Verfügung stehenden Geld arbeiten sollte. Wenn der Aktionär Geld braucht, soll er halt Anteile verkaufen. Gerade einige Aristokraten stehen ja immer wieder auch mal in Verdacht Kredite auszuschütten, damit man sich seine gute Historie bewahren kann, obwohl die Geschäfte überhaupt gar nicht mehr so rosig aussehen.

Unterm Strich will ich auch gar nicht eine schwarz/weiß Welt propangieren. Natürlich gibt es auch in den USA prächtige Dividendentitel und auch bei uns in Deutschland welche die gar nichts ausschütten. Aber gerade bei US-Titel und dort inbesondere im Technologiebereich würde ich mal etwas genauer hinsehen (was im Rahmen der normalen Recherche ja ohnehin passieren sollte).

Glaube da sind wir uns völlig einig. Für mich sind Unternehmen mit stetig steigenden Dividenden auch auf gewisse Art und Weise fantasielos oder langweilig. Sie betreiben ein sehr erfolgreiches, stabiles Geschäftsmodell was eben Grundbedürfnisse von uns befriedigt wie Sicherheit, Nahrungsaufnahme, existieren praktisch „schon immer“ in irgendeiner Form. Beispiele hast Du genannt.

Ich hatte in Deutschland immer den Eindruck das hier auch große Unternehmen sehr schwankungsanfällig bei Dividenden sind bzw. die Auswahl sehr viel geringer ist. Viele tolle Unternehmen wie Haribo, Mars sind immer noch Familienunternehmen, würden aber wohl wunderbar konstant Dividenden ausschütten.

Bei Technologie, hochriskante Neuentwicklungen, Startups muss aus meiner Sicht alles in Wachstum und ich wäre dumm als Unternehmer mich künstlich zu verlangsamen weil ich Gelder auf Investoren streue, ich will wachsen und den Wettbewerbsvorteil so schnell wie möglich ausbauen. In der Regel kommen die Unternehmen dann in die stabile Phase nach Jahrzehnten (Stalwarts von Lynch bezeichnet) und sind gezwungen sowas Langweiliges wie Dividenden auszuschütten oder sind schon vorher wieder verschwunden aufgrund der Branche. Apple hatte ja auch dieses Luxusproblem nach der Jobs-Ära.

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