#Transgender - Ein Ausbruch von Selbstliebe und innerem Frieden

Vor wenigen Tagen stand ich zum ersten Mal seit 20 Jahren vor dem Spiegel, betrachtete mein Gesicht, und ein Lächeln huschte über meine Mundwinkel.

Ich lächelte mir selber zu, von Seele zu Körper und fühlte Liebe für diesen Leib. Ich sah mich an, rund, breit unglaublich weiblich und ich war trotzdem in völligem Einklang mit mir. Langsam hob ich meine Brüste, drehte mich zur Seite und stellte mir vor, wie mein Brustkorb aussehen wird, wenn sie weg sind. Ich strich über meinen Bauch und meine Hüfte, konnte die kommenden Veränderungen beinahe unter meinen Fingern fühlen.

Ich stand da, sah mich selber und fing an zu weinen.

Das ist keine Seltenheit. Nur sonst wenn mir das passierte, dann weil mein Innerstes sich zusammen krampfte. Weil die Diskrepanz zwischen Außen und Innen mich zerriss und der Schmerz kaum zu ertragen war. Dann legte ich mich auf den Boden und weinte so lange über mein verlorenes Leben, bis keine Tränen mehr da waren, die ich hätte weinen können.
Doch dieses Mal war es anders. Ich weinte aus Dankbarkeit. Dankbarkeit dass ich mir nicht mit 14 das Leben genommen habe, als ich so oft oben auf dem Felsen stand und dachte, es wäre besser, ich würde springen. Dankbar für all die Jahre, die ich in meinem Beruf das Muttersein ausleben durfte. Dankbar für meine neun jährige Beziehung zu einem wirklich wundervollen Menschen. Dankbar für alles, was war, ist und sein wird.

Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich tiefen inneren Frieden und verstand das Geschenk, in einem weiblichen Körper geboren worden zu sein.

Ich genoss diesen Augenblick, fühlte mich völlig frei und genoss die Energie der Zukunft, wie sie in großen Wellen an den Strand rauscht und bricht, so voller Kraft und wunderschön.

Auf einmal hatte ich den Wunsch, meine Kindheit mit dieser innigen Selbstliebe noch einmal zu sehen, mir Zeit für den kleinen Raffael in mir zu nehmen. Ich holte zwei Bananenkisten voller Fotos aus dem Keller meiner Mama und begann, meine Kindheit in Bildern noch einmal zu erleben.

Noch nie zuvor, konnte ich mich mit so viel Zuneigung, Großherzigkeit und Liebe betrachten. Ich sah diesen kleinen Jungen und liebte ihn so sehr. Ich spürte mich selber und war in völligem Einklang mit meinem Leben. Um vier Uhr morgens, legte ich das letzte Foto zurück in die Kiste und lächelte. Das bin ich, mein Leben und ich bin so dankbar dafür. Alles ist gut.

Vor einigen Tagen schrieb mein Stiefvater mir eine Whatsappnachricht. Er könne nicht wirklich nachvollziehen, woher das Thema Transsexualität auf einmal komme und er teile meine Wahrnehmung nicht. Ich würde mir nur einreden, dass ich bereits als Kind diese Gefühle hatte, er könnte sich nicht daran erinnern, dass ich je so gewesen wäre.

Ich nahm diese Aussage zur Kenntnis und fühlte seine Not dahinter. Wie schwer muss es für ihn sein, mich damit nicht gesehen zu haben. Er ist ein Mensch, der immer jeden retten möchte und konnte seinem eigenen Kind nicht helfen, konnte nicht sehen, welche Not ich litt. Ich verstehe seinen Schmerz und es ist in Ordnung. Doch die Reise durch die Zeit beweist es Bild für Bild.

Tief in meiner Seele war ich schon immer, wer ich jetzt endlich wieder werden kann.

In wenigen Monaten kann es weitere Reihen geben, mein Leben als Frau und dann die Veränderung, von der Frau zurück zum Mann. Ich freu mich auf jeden einzelnen Tag dieser Reise.