Wie geht meine Familie mit meinem Weg um?

in #transgender6 years ago (edited)

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Es ist sehr spannend, was meine Transition mit den einzelnen Mitgliedern meiner Familie macht.

Ehrlich gesagt, kann ich mich ziemlich glücklich schätzen. Ich lese immer wieder von Menschen, die berichten, dass ihre Familie sie dafür komplett ablehnt und verstoßen hat. Für mich richtig schwer vorstellbar, wer tut denn sowas? Man bleibt doch immer noch das Kind, ein Geschwister, eine Familie. Daran ändert sich doch nichts.

Dennoch wird mir immer deutlicher bewusst, wie viel mein Geschlecht mit der Identität einzelner Menschen zu tun hat. Für meine Großmutter ist es sehr wichtig, dass sie zwei Enkelsöhne und eine Enkeltochter hat. Ich bin ihr kleines Mädchen, ihre Prinzessin, ihre Beste eben. Sie lehnt mich überhaupt nicht ab damit und doch seh ich jedes Mal den Schmerz in ihren Augen.

Wenn sie mich anlächelt und mit Tränen in den Augen sagt, aber du bleibst doch immer meine Rachel. Dann nehm ich einfach ihre Hand und sag ihr, dass sie mich den Rest ihres Lebens Rachel nennen darf, wenn sie das möchte. Das wäre wirklich völlig in Ordnung für mich.

Sie leidet, glaube ich, hauptsächlich unter ihrem Bild von mir. An dem bin ich maßgeblich mit Schuld, wenn man da von Schuld sprechen kann/will. Mir war schon als kleines Kind bewusst, was sie sich wünscht und so hab ich mich 32 Jahre sehr bemüht, ihr genau das zu schenken. So gut ich konnte, habe ich für sie das Mädchen gespielt. Damit mache ich ihr den Wechsel besonders schwer. Aber ich weiß, sie liebt mich und wünscht mir alles Glück der Welt. Gemeinsam werden wir den Weg meistern. Das Leben ist Veränderung und der Wandel passiert ja stetig und für sie sichtbar und hörbar.

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Meine Mutter hat ganz andere Kämpfe. Zum einen find ich eine große Schuldfrage bei ihr. Fragen wie, habe ich etwas falsch gemacht, wieso passiert so etwas ausgerechnet mir/meinem Kind, hätt ich damals mehr tun müssen als nur von Psychiater zu Therapeut zu rennen? Wie viel Leid wär meinem Kind erspart geblieben, hätte ich damals als die Pubertät kam, anders reagiert?

Aber auch ihr Selbstbild. Wie erkläre ich das den Nachbarn, Freunden, Kollegen. Schaffe ich es, diesen neuen Sohn genauso zu lieben wie meine Tochter? Erkenne ich mein eigenes Kind noch?

Was sage ich, wenn alte Bekannte mich Fragen, wie es meinen beiden Kindern geht?

Meine Mama gibt sich wirklich unglaublich viel Mühe und dafür danke ich ihr von ganzem Herzen. Sie organisiert vermehrte Familientreffen. Bisher sahen wir uns als Familie nur an Weihnachten, jetzt sorgen wir gemeinsam dafür, dass wir uns öfters sehen damit alle den Prozess miterleben können.

Das ist ein sehr grosser Akt der Wertschätzung und zu sehen, wie wichtig ihnen mein Glück ist, tut mir persönlich enorm gut.

Mein Bruder wiederum, hatte zu Beginn größere Probleme damit. Er war etwas erbost darüber, dass ich ihm quasi die große Schwester nehme, und äußerte dies auch ehrlich.

Wobei ich sagen muss, ich habe jedem Einzelnen direkt gesagt, dass man mir alles sagen kann, egal wie verletzend es sein kann. Ich wünsche mir einen offenen ehrlichen Umgang mit dem Thema, niemand soll seine Gefühle verstecken müssen. Ich kann damit umgehen, dass manchmal auch Wut, Angst oder Sorge dominiert.

Alles darf sein und alles ist in Ordnung, solange der Respekt bestehen bleibt.

Heute geht meinem Bruder viel besser damit, weil wir dadurch mehr gemeinsam haben als zuvor. Das Thema Sport und Ernährung, aber auch Sexualität und Gender im Allgemeinen hat zu vielen tollen Gesprächen geführt und gezeigt, dass wir doch mehr gemeinsam haben als wir gedacht hätten.

Was allen auffällt, ist, wie viel glücklicher und gelöster ich bin.

Inzwischen scheint jeder zu spüren, dass dieser Weg der richtige für mich ist und unserer ganzen Familie damit guttut. Wir rücken näher zusammen, reden mehr und offener miteinander und beweisen, dass wir füreinander da sind, wenns mal schwierig wird.

Ich bin überzeugt, langfristig werden wir alle davon profitieren.

Besonders überrascht hat mich mein Patenonkel mit den Worten »Na endlich, das wusste ich schon seit 30 Jahren, dass du ein Bub bist und kein Mädel.«

Damit hat er mich sehr glücklich gemacht. Wir haben die ersten Jahre sehr viel Zeit zusammen verbracht und viel gemeinsam gespielt. Er war einer der wenigen Menschen, die mich wirklich gesehen haben und nicht nur die Fassade.

Generell staune ich immer wieder aufs neue, wie unglaublich toll mein Umfeld damit umgeht. Alle begegnen mir offen und tolerant, voller Verständnis und Liebe.

Wenn mich jemand damit ablehnen würde, könnte ich total gelassen damit umgehen. Der Weg fühlt sich so richtig an, dass niemand etwas Verletzendes darüber sagen könnte, was mich treffen würde.

Ich habe eins gelernt, wenn wir uns ehrlich und authentisch den Menschen zeigen, die wir lieben, dann gewinnen wir alle mehr Nähe und Wahrhaftigkeit für unser Leben.


(Bildquelle Pixabay CC0 Lizenz)

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Alle Menschen um dich herum sollten sich größte Mühe geben, ihre Eigeninteressen zurückzustellen. Es ist DEIN Leben und DEIN Weg! Wer dich liebt, wird dir erhalten bleiben und so wie es aussieht, hast du hierfür sehr gute Aussichten!
Deine Artikelsequenz über deine Metamorphose wird vielen anderen Menschen helfen, die in sich vergleichbaren Situationen befinden. Somit erzeugst du mit deiner großartigen Offenheit einen sehr großen Wert für die Welt!

Ja das stimmt und ich bekomme ja auch fast nur positive Rückmeldung.
Dennoch verstehe ich auch, dass es schwer ist, wenn es eben die eigene Identität betrifft. Ich hab mir ja selber 20 Jahre die Frage gestellt, darf ich das meinem Umfeld zumuten und lange Zeit war mein Selbstwertgefühl so klein, dass ich dachte, ich bin die Mühe nicht wert.

Heut weiss ich, dass war Blödsinn aber damals fühlte ich es so.

Danke, ich hoffe ich kann damit anderen Mut machen, ihren Weg zu gehen, wie immer dieser aussehen mag.

Respekt, dass so offen darüber reden/schreiben kannst und schön, dass du auch von der Familie zumindest zum Teil Unterstützung bekommst.

Danke, ich weiss aus eigener Erfahrung, wie wichtig die Offenheit für andere sein kann.
Immerhin verdanke ich selber mein Glück Menschen, die mir gezeigt haben, dass ist machbar und gar nicht so schwer wie ich gedacht hätte.

Das möchte ich auch anderen zeigen, man darf seinen eigenen Weg gehen, auch wenn er nicht ganz konventionell ist.

Wer Dich liebt wird offen damit umgehen.
Wer tolerant ist, wird sich nicht dran stören.
Und alle anderen können Dir egal sein.

Genau, so ist es im Grunde auch :)
Aber jeder der mich liebt, hat seine eigenen Themen damit, und auch dass ist in Ordnung.

War jetzt eine pauschale Ansage. Aber ich sehe schon, dass Du das richtig verstanden hast.

Weiterhin viel Glück, viel Zeit und viel Erfolg im "neuen" Leben und Körper!

Ach Rachel, ich freue mich zu hören, dass deine Umgebung mit deiner Umwandlung positiv umgehen können.
Das ist genau was ich wünsche, überall in der Welt zu allen Leuten wie du passieren würde.
Es ist überhaupt kein Problem, anders zu denken und sogar nicht einverstanden zu sein... aber der Respekt sollte trotzdem noch bleiben können.
Egal was passiert, die Person bleibt doch immer noch ihre liebe Person.
Es ist ja nur die physichalische Zustand, der sich änderte, die Personlichkeit ist immer noch dieselbe.
Leider haben die Andere nicht immer dasselbe Glück wie du.

Danke für deine lieben Worte <3 Es freut mich sehr, dass du dir die Zeit dafür nimmst.

Stimmt, leider haben nicht alle so viel Glück wie ich, ich wünschte es wäre so. Ich kann nur selber versuchen, zu helfen das die Menschen offener damit umgehen, in dem ich selber offen damit bin.

dass man mir alles sagen kann, egal wie verletzend es sein kann.

Dazu kann ich nur eines sagen und dieser Satz hat mir total die Augen geöffnet als ich mal in einer (Liebes)Krise sass:

Alles verstehen, heisst alles verzeihen

Als ich das damals verstand, ist soviel Last, Schuld und auch Angst von mir gefallen

Dein Weg ist absolut richtig und Deine Familie wird mit Dir noch ganz tolle Zeiten erleben und ihr werdet allesamt gemeinsam lachen und richtig richtig glücklich sein!

Dass kann ich bestätigen.
Genau darin liegt aber auch eine Problematik. Z.B habe ich mit meinem Erzeuger sehr seeehr viele offene Themen, aber er redet nicht mit mir. Ich kann nichts verstehen und dass macht für mich das Verzeihen schwieriger. Allerdings möchte ich vergeben um mich selber los lassen.

Das wird leider nicht klappen, ich konnte erst verzeihen als ich wirklich alles schonungslos wusste, ein reinigender Weg. Hat unglaublich weh gemacht aber das beste was mir je passieren konnte!

Naja doch, es wird klappen für mich :)
Der Mann is nicht zu gebrauchen und da wird auch nix mehr kommen. Man kann niemanden zwingen und das ist eben wie es ist. Ich kann meinen Weg gehen egal, wie er ist. Ich geb ihm für meine Gefühle sicher nicht die Verantwortung, die trage ich alleine.

Für mich ist da nix zu wissen was ich nicht weiss, wissen tu ich denk ich dass was relevant ist und dieses Wissen muss reichen.

Nichts was der Mensch tut könnte jemals in meinem Leben das Beste oder Schlechteste sein, so viel Wichtigkeit besitzt er einfach nicht in meinem Leben.

Schön das du so loslassen und verzeihen konntest, dass freut mich sehr.

Es ist wirklich toll wie offen du damit umgehst. Uns an deinen Gedanken teilhaben lässt. Ich kann dich verstehen, aber auch deine Familie. Ehrlich gesagt ich wüsste nicht genau wie ich damit umgehen sollte. Ab wann nennst du dich anders? Ab wann fühlst du dich anders? Ich denke für mich wärst du auch immer Rachel. Oder würde ich sie verlieren? Und etwas neues bekommen, das ich erst noch kennenlernen muss? Das wären so Fragen die mich beschäftigen würden.

Danke Liebes.
Also fühlen, tue ich mich natürlich schon anders, aber im Moment wie eine Art Zwischengeschlecht. Also weder wirklich weiblich noch richtig Männlich, de facto bin ich ja auch dazwischen. Ich denke, wenn die Brüste weg sind in 8 Wochen, aber mal schauen. Ich werds wissen wenns soweit ist und es euch wissen lassen.

Ja das beschäftigt meine Mama auch sehr und ich versteh die Zerrissenheit auch total gut. Bin da voll bei ihnen :)

Ich kann ja selber nicht sagen wie es für mich wär, wenn es jemand wär den ich liebe.

Wie bei jeder Veränderung - letztendlich begleiten dich die, auf die du dich immer verlassen kannst.
Der ganze Rest ist kein Gedanke wert. Denn du schreitest voran und passt dich (im Positiven) nicht länger an.

... und morgen folgt der nächste Schritt.

Gruß
Wolfram

Genau, da merkt man, wer hinter einem steht.
Ich bin in der glücklichen Situation zu erkennen, dass ich mehr geliebt werde als ich dachte :)

als ich dachte :)

... das klingt doch ganz so, als wäre jemand hier mit einer gehörigen Portion Skepsis an das Unternehmen Wiederannäherun gegangen.😉 Aber, wie du siehst - die Realität weiß es einfach immer besser!

Na meine Sorge war durchaus berechtigt.
In der Pubertät z.B hab ich mal meiner Oma gesagt, sie sei blöd. Das war in einem Moment in dem ich mit 14 masslos überfordert und sie total unsinnig Stur war. Darauf hat sie 1 Jahr kein Wort mehr mit mir geredet.

Ich wurde als Kind sehr oft verlassen, ohne zu verstehen warum und ich dachte immer, es läge an mir. Es gab viele solche Momente wo ich heute weiss, es war nie wegen mir aber wenn du 8 Jahre alt bist, denkst du das eben.

Umso schöner ist es jetzt, diese neue Erfahrung machen zu dürfen.

So viel zu der viel beschriebenen Liebe der Großeltern, die alle Fehltritte verzeihen! Ich fasse es nicht.
Klau ihr die dritten Zähne!
Ich habe meinem Opa einen (damals noch) Zwei-Pfennig-Böller in die Zigarre gestopft. Das Warten, bis er das das Teil explodiert war äußerst spannend - der Rest war Flucht!

Naja, meine Oma hat Boarderline, sie hat das nicht immer so richtig im Griff und es hat sich ja wieder geregelt. Aber das Vertrauen von mir in sie, hat es natürlich extrem beschädigt, keine Frage.

Sie hat keine 3. Zähne, die Dame is noch top fit, geht jede Woche ins Gym und wandert stundenlang über die Schweizer Berge.

Uhhhhhh hahahah, wieviel Ärger das wohl gegeben hat :D

Die Dame möchte ich lächeln sehen!

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Es freut mich wirklich sehr, dass dein Umfeld so positiv damit umgeht.
Aus eigener Erfahrung in meinem Freundeskreis, musste ich miterleben, wie einer meiner besten Freunde, deswegen verstossen wurde.
Es ist nicht immer leicht, den nötigen Respekt für eine solche Entscheidung aufzubringen. Zumindest nicht für jeden. Meist sind es die engsten Menschen im eigenen Umfeld, welche das größte Unverständnis aufzeigen.

Deshalb finde ich es umso, schöner, dass dich dein Umfeld so gut unterstütz =)

Ich danke dir, dass du uns daran teilhaben lässt und wünsche dir alles gute bei diesem Schritt in ein neues Leben =)

Beste Grüße
Sarah

Ja das glaub ich auch. Für einen fernen Bekannten kanns ja auch egal sein.
Der springende Punkt ist halt, man selber sucht sich das ja nie aus. Der Leidensdruck dahinter und bis zum Outing ist immens, niemand macht das just fun. Aber manche Menschen sind einfach unreflektierte Hohlbirnen, sorry wenn ich das so sage. In meiner Familie wird Toleranz sehr gross geschrieben, ist für uns ein sehr wichtiger Wert, aber dass ist längst nicht überall so.

Ohje - das klingt nach gaaaanz viel Arbeit! Ich glaube aber fest daran, dass Veränderung IMMER etwas Gutes mit sich bringen. Du siehst es ja auch schon. Es bringt die Familie näher zusammen! Das ist doch abgesehen von deinem persönlichen Wohl auch schon eine tolle Sache!

Ich drück die Daumen, dass du noch viele weitere Erfolge feiern kannst!

Auf jeden Fall, tut es auch :)

Es freut mich das es so gut klappt in der Familie. 😄 Die Stütze die du von der Familie bekommst ist wichtig.

Egal ob es große oder kleine Veränderungen sind. Es ist schön wenn die Familie hinter einem steht. 😃

Wobei mir persönlich meine Freunde genauso wichtig sind. Es ist auf jeden Fall sehr wertvoll und ich bin unglaublich dankbar für diese neue Erfahrung. Das Gefühl, so viele Menschen bedingungslos hinter mir stehen zu haben, ist für mich eine komplett neue Lebenserfahrung.

Ja das mit den Freunden verstehe ich sehr gut. 😃 Geht mir auch so.
Ich freue mich auf jedenfall mit dir! 😄

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