Macht uns Technik dick?

in #de-stem6 years ago

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„2010 starben drei Millionen Menschen an den Folgen von Übergewicht – das sind mehr als durch Hunger, Kriege, Gewaltverbrechen und Terrorismus zusammen. Für einen Amerikaner oder Europäer der Gegenwart ist Coca-Cola die größere Bedrohung als al-Quaida.” [4]

Ich muss schon sagen, Yuval Noah Harari hat echt ein Talent für solche Catch-Phrases, aber als ich über diesen Satz gestolpert bin, musste ich erst einmal schlucken und gleich recherchieren. Und zu meinem Erschrecken, er hat damit nicht Unrecht.


Fettleibigkeit wird zum weltweiten Problem

In einem der bisher umfassendsten Gesundheitsberichten seiner Art haben sich knapp 500 Autoren aus 50 Nationen mehr als 5 Jahre lang mit den Daten zur Gesundheit von Millionen Menschen weltweit beschäftigt, analysiert und ausgewertet. Die „Global Burden of Disease Study 2010“ zeigte zum ersten mal klar auf, dass in den vergangenen 10 Jahren Fettleibigkeit zu einem großen Problem geworden. Mehr als drei Millionen Todesfälle sind demnach auf einen zu hohen Body-Mass-Index (BMI) zurückzuführen gewesen.
Der BMI ergibt sich aus dem Gewicht der Person im Verhältnis zum Quadrat der Körpergröße. Als übergewichtig gilt, wer einen BMO von 25 überschreitet. Wer einen BMI über 30 hat, zählt zur Gruppe der stark Übergewichtigen. Besonders problematisch ist die Lage in Australien und Lateinamerika. [6] [7]

Gleichzeitig gibt es natürlich weiterhin viele Menschen, deren Gesundheit durch Mangel- und Unterernährung gefährdet sind und Untergewicht bleibt damit ein globales Problem, aber die Zahl der Übergewichtigen hat in den vergangenen 40 Jahren deutlich zugenommen.

Und zufällig bin ich dann vor kurzem auch auf eine aktuelle Studie der WHO gestoßen, in dem veröffentlicht wurde, dass sich auch 30 Prozent der Österreicher zu wenig körperlich betätigen. Andere Länder schnitten noch schlechter ab. Weltweit betrug der Anteil der körperlich inaktiven Menschen im Jahr 2016 laut WHO 27,5 Prozent. Die WHO will daher dringend Maßnahmen schaffen, damit sich die Menschen mehr bewegen und die körperliche Aktivität zu verbessern. [1]

Was könnten aber jetzt mögliche Gründe für dieses große Problem der Fettleibigkeit sein?


Technik - Fluch & Segen

Als Technikinteressierte habe ich mir die Frage gestellt, ob eventuell die technische Entwicklung seinen Teil dazu beitragen könnte. Und siehe da nach kurzer Recherche war gleich klar, dass ich da gar nicht so falsch lag.

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Aber können uns Smartphones, Videospiele und unzählbare TV Sender wirklich dick machen?

Für viele macht das mit Sicherheit Sinn. Gemütliche 6 Stunden auf der Couch zu sitzen, während man ein paar Knöpfchen drückt, verbrennt eindeutig nicht viele Kalorien. Viele denken sich jetzt sicher: „Als ich noch jung war, war das ganz anders...“

Aber zum Teil ist da schon etwas Wahres dran. Wobei die Technologie in Zusammenhang mit Übergewicht Fluch und Segen sein kann.


Eine Bereicherung


Zum einen kennen wir alle die Trends der Fitnesstracker, Smartwatches und Fitness-Apps. Die Technologie kann hier auf jeden Fall helfen, bewährte Verhaltensmodelle in den Lebensstil der Patienten zu integrieren und ihnen damit biometrische Daten zur Verfügung zu stellen, die eben bisher nicht verfügbar waren. Jeder hat somit sofort Zugang zu Vitalparametern, biometrischen Daten und verschiedenen anderen physiologischen und sozialen Parametern. Die Wirksamkeit dieser Wearables bleibt abzuwarten, aber die Integration von technischem Fortschritt und medizinischer Versorgung wird in Zukunft sicher eine bessere Behandlung von Fettleibigkeit ermöglichen.


Die Schattenseite


Umgekehrt haben technologische Fortschritte des letzten Jahrhunderts direkt zur weltweiten Adipositasepidemie beigetragen. Klar, wir sprechen hier nicht von Flugzeugen und künstlichen Prothesen, sondern von den Technologien, die Menschen dazu bringen still zu sitzen. Für Stunden. Oder Tage. Es ist eindeutig die Verbindung zu erkennen. Kids aus den 70ern sind nach draußen gegangen, wenn ihnen langweilig war. Mit so vielen Möglichkeiten seine Zeit im Haus zu vertreiben, müssen oder wollen die Kinder heutzutage gar nicht mehr nach draußen. Die rationalisierte Nahrungsmittelproduktion, Veränderungen im Makronährstoffprofil der Lebensmittel und die massenhafte Vermarktung ungesunder Lebensmittel an Kinder haben alle zur Erhöhung der Kalorienzufuhr beigetragen. Sowohl die verminderte körperliche Aktivität als auch eine Zunahme des sitzenden Verhaltens sind auf die Industrialisierung des Arbeitsplatzes zurückzuführen. [1]


Neue Medien als Kalorienbote


Wie bereits erwähnt: Technologie ist einer dieser neutralen Kategorien, die je nach Verwendung, in die eine oder andere Richtung gehen können. Zum Beispiel: Videospiele für die Ausbildung von Chirurgen in der Hand-Augen-Koordination? Gut. Videospiele um sich stundenlang die Zeit zu vertreiben, anstatt Sport zu machen oder mit den Nachbarskindern zu spielen? Nicht so gut.

Ein weiteres Problem: Technologie befindet sich nicht im Vakuum. Es unterliegt den gleichen Kräften, die die moderne Gesellschaft im Allgemeinen antreibt. Junk-Food Produzenten haben sich an Social-Media Seiten, Videospiele und Handy-Apps geklammert, um ihre kalorienreichen, fettreichen Botschaften zu vermitteln. Forscher haben festgestellt, dass diese Marketingansätze noch effektiver als Kinderfernsehwerbung sind (die allerdings auch schon sehr effektiv sind). [3]

Wie man sieht, geht es also nicht nur um die fehlende Bewegung, sondern auch um einen Überschuss an Fett und Kalorien. Natürlich kann man nicht über Gewichtsprobleme sprechen, ohne auch schlechte Essgewohnheiten anzusprechen. Für diese gibt es eine ganze Reihe von Auslösern, nicht nur das Marketing, sondern auch ein Mangel an Wissen über Ernährungsfragen, aus einem Mangel an Zeit für die Zubereitung hochwertiger Mahlzeiten und aus den unausweichlichen Zügen von Fast-Food – leicht, günstig und köstlich. [3]


Schlaf gut!


In unserem stressigen Alltag kommt es häufig vor, dass wir oft nicht ausreichend Schlaf bekommen. Noch dazu sitzen wir abends vor dem Fernseher, Laptop oder Tablet. Schreiben noch ein paar Nachrichten auf dem Smartphone. Genau das kann aber zum Problem werden: Beim Starren auf Displays reagiert der Körper so, als wäre es noch mitten am Tag. Er schüttet weniger Schlafhormone aus und wir bleiben demnach länger wach. Zu wenig Schlaf ist demnach auch ein Grund für übermäßige Kalorienzufuhr. Ein Mangel an Nachtruhe verursacht eine Zunahme von Ghrelin, dem Hormon, das anzeigt, dass man hungrig ist, und eine Abnahme von Leptin, dem Hormon, das einem sagt, dass man satt ist. Im Durchschnitt nimmt eine schlaflose Person daher 300 zusätzliche Kalorien pro Tag mehr zu sich, meist aus fettreichen Lebensmitteln und Snacks, als jemand, der gut ausgeruht ist. [6] [8]


Wunderwaffe Bewegung


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Zuerst einmal um unsere Jüngsten davor zu schützen, ist es wichtig, dass die Eltern bereits früh Regeln in Bezug auf den Gebrauch von technischen Geräten aufstellen. Nicht zu lange Fernsehen, Videospiele spielen etc. Macht man dies zur Priorität und erklärt den Kindern auch den Grund dafür, ist es zumindest ein Anfang, um ein Gesundheitsproblem umzukehren, das wirklich droht, sich in unserer Kultur zu verankern. [3] [5]

Wie bereits erwähnt, möchte die WHO, dass die Politik körperliche Aktivitäten der Bevölkerung fördert. In einem Aktionsplan schlägt sie vor, die Sicherheit der Fußgänger und Fahrradfahrer im Straßenverkehr zu verbessern und für mehr Sportangebote und Sportstätten zu sorgen. Damit möchte sie die körperliche Aktivität der Menschen bis 2030 deutlich steigern. [1]

Ich persönlich habe mir noch nie so bewusst Gedanken dazu gemacht, wie sehr die Technik auch unser Essverhalten und unsere Bewegungslust beeinflussen kann. Ich war daher schon etwas überrascht in wie viele Lebensbereiche der Gebrauch technischer Gadgets sich vor allem negativ bemerkbar macht und sogar einen großen Teil am weltweiten Übergewichtsproblem beiträgt.


Quellen:

[1]https://derstandard.at/2000086741550/30-Prozent-der-Oesterreicher-bewegen-sich-zu-wenig

[2]Cooper M., Morton J. (2018) Digital Health and Obesity: How Technology Could Be the Culprit and Solution for Obesity. In: Rivas H., Wac K. (eds) Digital Health. Health Informatics. Springer, Cham

[3]https://www.livestrong.com/article/46320-obesity-children-technology/

[4]http://www.spiegel.de/spiegel/zukunft-des-menschen-yuval-noah-harari-ueber-den-homo-deus-a-1139641.html

[5]https://electronics.howstuffworks.com/family-tech/tech-effects-on-family/technology-behind-rise-of-childhood-obesity2.htm

[6]https://www.thelancet.com/gbd/2010

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Body-Mass-Index

[8] https://schlafwissen.com/ohne-handy-schlafen/

Fotos stammen alle von Pixabay

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Ganz schön ausgiebiger Gebrauch des Wortes Technologie ;)

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Hallo Marina, ich denke das allgemeine Übergewicht hat mehrere Ursachen (wie Fastfood, mangelnde Bewegung, fehlende Vitamine, etc.). Ich denke, es ist wichtig die Balance zu halten. Jeder weiß inzwischen, dass es ungesund ist den ganzen Tag am PC zu sitzen, aber trotzdem verbringen viele Menschen 8h im Büro vorm Bildschirm. Für Sport fehlt häufig die Zeit oder man hat einfach keine Energie mehr über. Ich denke, dass die Technik nicht Schuld daran ist, sondern wir selber, weil wir uns extrem abhängig von ihr machen.

Ja da gebe ich dir vollkommen recht! Wichtig ist nur dass wir die Balance finden und zwar in jeglichen Bereichen des Alltags - sei es Sport, Ernährung etc.
Und wie du sagst wir machen uns oft sehr abhängig von der Technik und sind uns das oft gar nicht so bewusst.

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