Machtfaktor Erdöl - Wer Energie kontrolliert, beherrscht die Welt (Teil 4)

in #deutsch6 years ago

Die Entwicklung der europäischen Vormachtstellung auf Erdöl bis 1928

Lesezeit-Investment: 6 min.

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Abb. 1 - William Knox D'Arcy - Der britische Öl-Bohrer

Nachdem wir uns in der Premiere der Serie näher damit beschäftigt haben was Erdöl eigentlich ist und wie es entsteht, tauchten wir im zweiten Teil ein in die Geschichte dieses Faszinierenden Rohstoffes. Beim letzten Mal in Teil 3 lernten wir den Mann kennen der es mit Cleverness und einer nicht zu verkennenden Skrupellosigkeit dank des schwarzen Goldes zu gewaltigem Reichtum gebracht hat.

Heute erfahren warum Winston Churchill sein Land in eine gefährliche Abhängigkeit führte, warum ein französischer General️️ mitten im Ersten Weltkrieg alle Pariser Taxis auf einem Haufen versammeln ließ und warum️️ das Deutsche Reich zusätzlich zum Krieg auch noch den Zugang zum schwarzen Gold verloren hat.

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Die britische Öl-Konzession in Persien

Im Jahr 1901 erhält der britische Ingenieur William Knox D'Arcy vom persischen Shah Muzzafar al-Din (Schah oder Shah ist persisch für "Herrscher") eine Konzession für Ölbohrungen (als K. wird die Verleihung eines Nutzungsrechtes auf ein Gemeingut bezeichnet) auf einem Gebiet von umgerechnet über 1 Mio. km² - das ist fast drei Mal die Fläche Deutschlands bzw. knapp 12x so groß wie Österreich - im zum British-Empire gehörenden Persien. Bis 1904 liefen die Bohrungen erfolgreich, das Öl sprudelte nur so aus den Lagerstätten. Bald aber waren die Erträge dieser Förderungen nicht mehr genug - Weitere Felder mussten erschlossen werden ... Für weitere Bohrungen allerdings war D'Arcy dann aber auf Geld von Investoren angewiesen und wendete sich an die britische Regierung.
Das Ergebnis: Die Gründung der ANGLO-PERSIAN OIL COMPANY (APOC) im Jahr 1909, in der die Briten um Winston Churchill - einem aus dem Hochadel stammenden, liberalen Parlamentsabgeordneten - den größte Anteilseigner stellen. Die APOC wird 1935 zunächst in ANGLO-IRANIAN OIL COMP. und 1954 schließlich in BRITISH PETROL (BP) umbenannt.

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Abb. 2 - Die Welt im Jahr 1914

Royal Navy: Öl statt Kohle

Die erfolgreichen Bohrungen und der scheinbar unbeschränkte Zugang zu günstigem Öl veranlasste den mittlerweile zum ersten Lord der Admiralität aufgestiegenen Churchill zu einem weitreichenden Schritt: Die Britische Marine stellte den Antrieb ihrer Schiffe von Kohle, welche auf der britischen Insel abgebaut wurde und somit aus logistischer Sicht einfach zu beschaffen war, auf Öl um. Dadurch entstand zwar eine kritische Abhängigkeit von Erdöl-Importen, aber die Briten erhofften sich durch den Umstieg gegenüber der deutschen Marine einen strategischen Vorteil, sowohl hinsichtlich der Geschwindigkeit als auch in Punkto Reichweite.

Drei (Welt-)Reiche und ein Armenier

Im Jahr 1912 hat ein armenischer Unternehmer seinen großen Auftritt: Calouste Gulbenkian gründet, um eine Konzession für Ölbohrungen in Mesopotamien (heut. Irak) zu erhalten, die TURKISH PETROLEUM COMPANY (TPC), 1929 umbenannt in IRAQ PETROLEUM COMPANY (IPC). Schon zuvor, nämlich 1907 vermittelte er in einem Fusionsgeschäft aus dem die Royal Dutch Shell Group entstand. Ebendiese Shell Group hielt wie die Deutsche Bank 22,5% der Anteile an der TPC, 50% hielt die APOC - sprich die Briten - und Gulbenkian selbst sicherte sich 5%.
Die damalige Verteilung der Öl-Rechte in Europa war also eine Sache zwischen dem British Empire, dem Deutschen Reich, den Niederlanden und dem findigen Geschäftsmann aus der Kaukasus-Region. Zur Erteilung dieser Konzession kam es allerdings nie ... denn Europa wurde vom 1. Weltkrieg erschüttert.

Das Erdöl als Kriegsfaktor und ein geheimer Deal

Und Erdöl wurde zum entscheidenden Faktor in diesem Krieg: Die Mobilität und der Transport von Truppen stand unter einem komplett anderen Vorzeichen, die Eisenbahn war nicht mehr Fortbewegungsmittel Nummer eins. Ein repräsentatives Beispiel hierfür stellt die "Taxi Armada" des französischen Generals Joseph Gallieni dar.
1915 ließ er, aus Mangel an Alternativen und dem bedrohlichen Vorrücken der Deutschen alle Pariser Taxis vor dem Verteidigungsministerium versammeln um so Soldaten an die Ostfront zu chauffieren und verhinderte somit vielleicht eine deutsche Okkupation der französischen Hauptstadt.
Unter dem Eindruck dieser neuen militärischen Erfordernisse erklärte auch der französische Premier Georges Clemenceau den Zugang zu Erdölquellen zur obersten Priorität. Vor dem Krieg hatte dieser noch höhnisch gemeint:

"Wenn ich Benzin brauche, dann besorge ich mir dies in der Apotheke."

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Abb. 3 - Die Taxi-Aramada von Paris im Sommer 1915

Unterdessen wurde hinter den Kulissen des Krieges ein geheimer Pakt - bekannt als Sykes-Picot-Abkommen geschmiedet: Benannt nach den zwei Diplomaten Marc Sykes aufseiten der Briten und dem Franzosen François Georges-Picot wurde 1916 - der Krieg war noch in vollem Gange - beschlossen, dass das Osmanische Reich für den Falle eines Kriegserfolges in eine britische und eine französische Einflusszone unterteilt werden sollte.

Warum aber genau das Osmanische Reich?
Für die Antwort müssen wir die Geographie dieses Großreichs einmal etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Das Gebiet umfasste in seiner Blütezeit den ganzen Balkan inkl. Ungarn, das südliche Russland einschl. der Krim, die heutige Türkei, große Teile des Nahen Ostens und der Arabischen Halbinsel. Vor allem letztere waren es, die ein wahres Erdöl-Schlaraffenland darstellten.

Auch das Russische Kaiserreich unterstützte dieses Abkommen um im Gegenzug Einfluss über große Gebiete Ost-Anatoliens zugesichert zu bekommen. Die Russische Revolution und mit ihr die Bolschewiken verhinderten dies aber, machten den Deal publik, und brachten Frankreich und England großen Ärger der Araber ein, die sich ihrerseits Hoffnungen auf Unabhängigkeit nach dem Krieg machten ...

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Abb. 4 - Das Osmanische Reich von 1683 bis 1921

Die Karten werden neu gemischt

Vier Jahre nach diesem Abkommen wurden auf der Konferenz von Sanremo (Italien) zwei wichtige Grundsteine gelegt:

  • Einersteits wurde der Friedensvertrag von Sèvres zwischen der Entente (Allianz des British Empire, Frankreich und dem Russischen Kaiserreich) und dem Osmanischen Reich geschlossen.
  • Zum Anderen gab es eine Neuverteilung der Anteile an der Turkish Petroleum Company: Der Anteil der deutschen Bank (22,5%) wurde als Folge der Kriegsniederlage an Frankreich vergeben und bildete die Grundlage für die Compagnie Française des Pétroles (CFP, später Total). Im Gegenzug verzichtete Frankreich auf Mossul, welches laut Sykes-Picot-Abkommen eigentlich unter frz. Einfluss gefallen wäre, zugunsten der Briten, welche wiederum vonseiten des Völkerbundes mit dem Mandat über den Irak betraut wurden.

Wieder vier Jahre darauf, im September des Jahres 1928, versammelten sich im Hohen Norden Schottlands, genauer gesagt in Achnacarry, drei Herren um sich auf ein - heute würde man sagen "Gentlemen's agreement" - zu verständigen:
Vertreter von Royal Dutch/Shell (Henry Deterding), Standard Oil New York (Walter Teagle) und der Anglo Persian Oil Company (John Cadman) kamen zum sogenannten "As-Is-Agreement". Dessen Ziel war es zum Einen den Erdölmarkt außerhalb der USA aufzuteilen und zum Anderen der, durch die Sowjetunion verursachten Ölflut einen Riegel vorzuschieben. Zu diesem Zweck wurden Förderlimits festgesetzt, Preise abgesprochen und die bestehenden Marktanteile eingefroren.

Im selben Jahr wurden auch die Anteil der TPC noch einmal neu verteilt: Mit der Near East Development Corporation (SOIL California, New York, Indiana, Gulf und Atlantic Refining Company), die wie die APOC, SHELL, und CFP 23,75% erhielt, waren nun auch die USA mit an Bord des europäischen Öldampfers – Und Gulbenkian? Der behielt selbstverständlich seine 5%.

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Abb. 5 - Das Achnacarry-Castle

Ich bedanke mich auch heute wieder für euer diesmaliges Zeit-Investment und verbleibe wie immer mit dem Appell dran zu bleiben, denn ...

... Im fünften und letzten Teil von Machtfaktor Erdöl – Wer Energie kontrolliert, beherrscht die Welt erfahren wir, was ein roter Stift mit der Grenze von Saudi Arabien und dem Irak zu tun hat und warum es kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu einem außergewöhnlichen Treffen zweier mächtiger Staatsoberhäupter mitten auf einem Schiff in der Wüste kam.

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Literatur & Quellen:

Bilder:

Abbildung 1 & 5: Wikipedia. gemeinfrei
Abbildung 2 & 4: Der große Plötz. Atlas zur Weltgeschichte, Freiburg, 2009.
Abbildung 3: https://www.smithsonianmag.com/history/fleet-taxis-did-not-really-save-paris-germans-during-world-war-i-180952140/

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