Aus der Reihe „Aufklärung durch Weltliteratur“: Voltaire – „Politische Ratschläge für einen künftigen Herrscher“

in #deutsch6 years ago (edited)

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Werte Steemis,

aus der Reihe „Aufklärung durch Weltliteratur“, möchte ich euch heute ein weiteres phantastisches Werk vorstellen: „Politische Ratschläge für einen künftigen Herrscher“ von Voltaire.

Kritik:
Voltaire gehört sicher zu den bedeutendsten Philosophen und zählt zu den Aufklärungsvätern. Seine Werke sind in klarster sprachlicher Eleganz formuliert und ein wahres Vergnügen zu lesen.

Voltaire:
Francois Marie Arouet - frz. Schriftsteller und Philosoph 1694, † 1778 – wurde wegen satirischer Schriften verfolgt, festgesetzt und später verbannt. Die Verbannung trieb ihn u. a. von 1750 – 53 in die Hände von König Friedrich II. (Alte Fritz). Volaire vertrat die Vernunftgläubigkeit und eine kirchenfeindliche Toleranz. Seine Schriften trugen u. a. zur frz. Revolution von 1789 bis 1799 bei.


Merke: „Gute Bücher und Schriften sind wie Austern, will man an die Perlen gelangen, muss man tief tauchen, Miesmuscheln hingegen, liest man am Strand auf“.


Aufklärung durch Weltliteratur

Voltaire

Politische Ratschläge für einen künftigen Herrscher


I. Zunächst, lieber Vetter, sollten Sie sich mit der Überzeugung durchdringen, daß es einen allmächtigen Gott gibt, der die Verbrechen straft und die Tugend belohnt. Sie kennen genug von der Astronomie, um zu wissen, daß es nicht einen ersten und nicht einen dritten Himmel gibt und keine Himmelsfeste, an die die Sterne angeheftet sind, sondern unendlich viele Kugeln, die im Raume schweben, angeordnet von der Hand eines ewigen Mathematikers. Und da Sie auch etwas Anatomie studiert haben, so lassen Sie sich von den Einwänden einiger Atheisten nicht erschüttern, und Sie sollen denken, daß Gott das Weltall geschaffen hat, wie, um Großes mit Kleinem zu vergleichen. Ihr Palast wurde von Ihrem königlichen Großvater erbaut. Sie lassen ruhig die unter Ihrem Rasen wühlenden Maulwürfe das Dasein der Sonne leugnen, wenn ihnen das Vergnügen macht.

Die Natur hat Ihnen das Dasein eines höchsten Gottes erwiesen; Ihr Herz muß Ihnen sagen, daß es einen gerechten Gott gibt. Worin bei ihm Lohn und Strafe besteht, das werde ich Ihnen nicht sagen. Ich gehöre nicht zu denen, die Ihnen vorsagen: »Da wird sein Heulen und Zähneklappern.« Denn es ist nicht bewiesen, daß wir nach dem Tod noch Augen und Zähne haben. Die Griechen und Römer lachten über ihre Furien, und die Christen machen schon Witze über ihre Teufel, so daß Beelzebub sich keines größeren Ansehens mehr erfreut als Tisiphone. Es ist eine große Dummheit, mit der Religion Hirngespinste zu verbinden, durch die sie lächerlich wird. Wenn man die Religion, die man predigt, durch solchen Widersinn herabwürdigt, so ist die Gefahr groß, daß man sie den schwachen und verkehrten Köpfen ganz nimmt. Und noch viel verkehrter ist es, dem höchsten Wesen Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten anzudichten, die wir bei Menschen aufs schärfste bestrafen würden.

Verehren Sie also Gott nach Ihrer eigenen, nicht nach übernommener Überzeugung! Lästern Sie nicht, weder als Freigeist noch als Fanatiker! Verehren Sie das höchste Wesen als Fürst, nicht als Mönch! Seien Sie gottergeben wie Epiktet und menschenfreundlich wie Mark Aurel!

II. Unter den vielen Sekten, die die Welt unter sich aufgeteilt haben, ist eine, die in fünf bis sechs europäischen Staaten herrscht und die sich die »allgemeine« nennt, weil sie Missionare nach Amerika und Asien gesendet hat. Ließe sie es bei dieser Eitelkeit bewenden, so wäre das nur lächerlich; aber sie ist so anmaßend, so frech, daß sie jeden, der nicht in ihrem Schoß geboren ist, den ewigen Flammen überantwortet. Sie gibt sich als christlich, als katholisch aus, und ist doch keins von beiden. Gibt es etwas Unchristlicheres, als wenn man in allem das Gegenteil von Christus tut? Christus und seine Jünger waren arm; sie wollten von Ehrungen nichts wissen, Erniedrigung und Leiden war ihnen lieb und wert. Erkennt man an diesen Zügen Mönche und Bischöfe, die im Reichtum ersticken, die sich in vielen Ländern Hoheitsrechte angemaßt haben; einen Pontifex, der in der Stadt der Scipionen und der Cäsaren herrscht, und der nie mit einem Fürsten zu reden geruht, wenn dieser Fürst nicht zuvor ihm die Füße geküßt hat? Das nimmt man lachend hin, weil der Gebrauch so lange besteht; neu eingeführt, würde er Entrüstung und Abscheu wecken. So aufgeklärt die Menschen heute sind, sie sind die Sklaven von sechzehn Jahrhunderten der Unwissenheit.

Kann man sich für die Souveräne des sogenannten katholischen Bekenntnisses etwas Erniedrigenderes denken als diese Anerkennung eines Ausländers als Herrn? Denn mag das Joch auch etwas verdeckt sein, sie tragen es doch. Mag immerhin der Verfasser des Jahrhunderts Ludwigs XIV. sagen, der Papst sei ein Idol, dem man die Füße küsse, aber die Hände binde: diese Souveräne schicken dem Götzenbild doch eine Huldigungsgesandtschaft, sie zahlen ihm ihren Tribut in Annaten, in Einkünften des ersten Jahrs. Tausend kirchliche Rechtssachen in Ihren Staaten werden von Sendlingen dieses ausländischen Priesters richterlich entschieden.

Mehr als ein König duldet in seinem Reich das heillose von Päpsten eingerichtete, von Mönchen besetzte Inquisitionsgericht; man hat es milder gestaltet, aber es besteht noch zur Schande des Throns und der menschlichen Natur.

Sie können wohl nicht ohne ein mitleidiges Lächeln von den Faulenzersippen hören, den geschorenen, weißen, grauen, schwarzen, beschuhten und Barfüßern, mit und ohne Hosen, den Seelsorgern einfältiger Frömmlerinnen, die das dumme Volk brandschatzen, Messe lesen, damit man verlorene Sachen wieder finde, und die um ein paar Sou alle Morgen Gott machen, alles Ausländer, alle ihrem Vaterland zur Last, alle Untertanen Roms. Da gibt es Reiche, die füttern hunderttausend dieser trägen und gefräßigen Tiere, aus denen man gute Matrosen und brave Soldaten machen könnte.

Dem Himmel und der Vernunft sei Dank, die Staaten, über die Sie einmal herrschen werden, sind von dieser Plage und Schande verschont. Beachten Sie wohl: sie sind erst aufgeblüht, seitdem Ihre Augiasställe von diesem Unrat gesäubert worden sind.

Sehen Sie sich vor allem England an, das ehemals herabgesunken war zu einer Provinz Roms, und zwar einer entvölkerten, armen, unwissenden, durchwühlten Provinz; und jetzt teilt es Amerika mit Spanien, und zwar hat es den besten Teil davon. Denn wenn Spanien die Metalle hat, so hat England die Ernten, welche diese Metalle kaufen. Es hat in diesem Weltteil das einzige Gebiet, das kräftige, energische Männer hervorbringt; und während elende römisch-katholische Theologen sich über die Frage herumzanken, ob die Amerikaner auch Kinder ihres Adams sind, geben sich die Engländer damit ab, zweihunderttausend Quadratmeilen fruchtbar und reich zu machen und zu bevölkern. Sie gebieten an der Koromandel-Küste; ihre Flotten beherrschen die Meere und brauchten sich nicht vor den vereinigten Flotten Europas zu fürchten.

So sehen Sie deutlich, daß unter sonst gleichen Verhältnissen ein protestantisches Reich einem katholischen überlegen sein muß, weil es an Soldaten, an Landwirten, an Fabriken besitzt, was das andere an Priestern, Mönchen und Reliquien hat; es muß mehr bar Geld haben, weil sein Geld nicht in den Schätzen unserer Lieben Frau von Loretto vergraben wird, und weil es zum Handel verwendet wird und nicht Totengebeine, die man Heiligenleiber nennt, bedecken muß; es muß reichere Ernten haben, weil es weniger Müßiggangstage hat, die in eitlen Zeremonien, im Wirtshausbesuch und in Ausschweifungen hingebracht werden. Endlich müssen die Soldaten der protestantischen Länder besser sein; denn der Norden ist fruchtbarer an kräftigen, geduldig arbeitenden und langer Strapazen fähigen Menschen, während die Völker des Südens an nichts denken als an ihre Prozessionen, vom Luxus entnervt sind und geschwächt durch eine schmähliche Krankheit, so daß ich auf meinen Reisen an zwei glänzenden Höfen keine zehn Männer fand, die zum Militärdienst fähig gewesen wären. So hat man gesehen, wie ein einziger nordischer Fürst, dessen Staaten noch im vorigen Jahrhundert als gar keine Macht galten, die Häuser Österreich und Frankreich in Schach hielt.

III. Verfolgen Sie nie jemand um seiner religiösen Überzeugungen willen; das ist entsetzlich vor Gott und vor Menschen. Jesus Christus war unterdrückt, kein Unterdrücker. Gäbe es in der Welt ein mächtiges, böses, gottwidriges Wesen, wie die Manichäer annehmen, dem stünde es an, die Menschen zu verfolgen. Es gibt drei rechtlich anerkannte Religionen im Reich; in Ihren Staaten sollte es deren fünfzig geben; Ihre Staaten wären nur um so reicher und Sie um so mächtiger. Machen Sie jeden Aberglauben lächerlich und verächtlich; dann haben Sie nie etwas von der Religion zu fürchten. Sie war schrecklich und bluttriefend, sie hat Throne umgestürzt nur zu der Zeit, da man Fabeln ehrte und Irrtümer heilig sprach. Ich denke an die dumme Anmaßung der Lehre von den zwei Schwertern, an die angebliche Schenkung Konstantins, an die lächerliche Meinung, daß ein jüdischer Bauer aus Galiläa fünfundzwanzig Jahre lang in Rom der Ehre des souveränen Pontifikats teilhaftig war, an die zusammengestoppelten angeblichen Dekretalen, die ein Fälscher fabrizierte, an die ununterbrochene Reihe lügnerischer Legenden, frecher Wundermärchen, apokrypher Bücher, der Prophezeiungen, die man Sibyllen zuschrieb; dieser abscheuliche Wust von Schwindeleien brachte die Völker zum Rasen und ließ die Könige zittern. Das sind die Waffen, die man benützte, um den großen Kaiser Heinrich IV. abzusetzen, ihn auf die Knie zu zwingen vor Gregor VII., ihn in Armut sterben zu lassen und ihm das Begräbnis zu versagen. Aus dieser Quelle floß all das Unglück, das die beiden Friedrich traf. Darum schwamm Europa jahrhundertelang im Blut. Was ist das für eine Religion, die seit Konstantin sich nur durch Bürgerkriege oder durch Henker gehalten hat! Diese Zeiten sind nicht mehr; hüten wir uns, daß sie nicht wiederkommen.

Dem Baum des Todes, den man ausgeästet hat, sind die Wurzeln noch nicht durchgeschnitten; und solange die römische Sekte noch große Vermögen zur Austeilung zur Verfügung hat und Bischofsmützen und Fürstentümer und Papstkronen, solange ist noch alles für die Freiheit und die Ruhe des Menschengeschlechts zu fürchten. Die Politik hat ein Gleichgewicht zwischen den Großmächten Europas hergestellt; es ist ebenso notwendig, ein solches Gleichgewicht unter den Irrtümern aufzurichten, damit sie, eine von der andern in Schach gehalten, die Welt in Ruhe lassen.

Man hat oft gesagt, daß die Sittlichkeit, die komme, die Geister einige, und das Dogma, das von den Menschen komme, sie spalte. Diese ungeheuerlichen Dogmen, Erzeugnisse der Schulweisheit, bekämpfen sich alle in der Schule; aber sie sollten alle gleichermaßen von den Staatsmännern verachtet werden; sie müssen durch die Weisheit der Regierung zur Ohnmacht verurteilt werden. Es sind Gifte, von denen eines als Gegengift für das andere dient. Das allgemeine Gegengift aber gegen diese Seelengifte ist die Verachtung.

IV. Sorgen Sie für die Gerechtigkeit, ohne die alles Zügellosigkeit und Räuberei wird. Und unterstellen Sie sich selbst als erster dem Recht. Die Richter seien nur Richter und nicht Herren, die ersten Diener des Gesetzes und nicht seine Gebieter. Dulden Sie nie, daß man einen Bürger hinrichtet, und wäre es der letzte Bettler Ihrer Staaten, ohne daß Ihr Staatsrat die Akten seines Prozesses geprüft hätte! Dieser Elende ist ein Mensch, und Sie sind Rechenschaft schuldig für sein Blut.

Die Gesetze seien einfach, gleichförmig, allgemeinverständlich. Was in einer Ihrer Städte wahr und recht ist, soll nicht falsch und unrecht sein in einer anderen. Diese widerspruchsvolle Anarchie ertragen wir nicht mehr.

Wenn Sie je in diesen schlechten Zeiten Geld brauchen, so verkaufen Sie Ihre Wälder, Ihr Silbergerät, Ihre Diamanten, aber niemals richterliche Ämter. Das Recht der Entscheidung über Leben und Vermögen von Menschen kaufen, das ist der heilloseste Handel, den es gibt. Man spricht von Simonie: gibt es eine erbärmlichere Simonie als den Verkauf des Richteramts? Gibt es etwas Heiligeres als die Gesetze?

Ihre Gesetze seien weder zu lax noch zu streng. Keine Vermögenseinziehung zu Ihren Gunsten! Diese Versuchung ist zu gefährlich. Außerdem sind solche Beschlagnahmen ein Raub an den Kindern eines Schuldigen. Wenn Sie diesen unschuldigen Kindern doch ihr Leben lassen, warum wollen Sie sie ihres Erbteils berauben? Sind Sie nicht reich genug, müssen Sie sich auch noch mästen mit dem Blut Ihrer Untertanen? Die guten Kaiser, von denen wir unsere Gesetzgebung haben, ließen solche barbarischen Bräuche niemals zu.

Strafen sind leider eine Notwendigkeit; man muß den Verbrechern Angst einjagen; aber gestalten Sie die Strafen so, daß sie nützlich werden. Wer die Menschen geschädigt hat, soll den Menschen dienen. Zwei Herrscherinnen des gewaltigsten Reiches der Welt haben, eine nach der andern, dieses große Beispiel gegeben. Wenn es Verbrecherhände waren, die öde und wüste Landstriche urbar machten, fruchtbar sind sie so immerhin geworden. Immer neu einsetzend hat die Arbeit dieser Hände die Landstraßen unterhalten die der Sicherheit und der Verschönerung dieses Reiches dienen.

Möge der scheußliche Brauch der Folter in Ihren Staaten nie wieder aufkommen, oder höchstens in dem Fall, da das Staatswohl es gebieterisch verlangt. Die »peinliche Frage«, die Folter war ursprünglich eine Erfindung der Straßenräuber, die bei der Plünderung der Häuser Herrschaft und Dienerschaft so lange quälten, bis sie ihnen das Versteck des Geldes offenbarten; dann nahmen die Römer den fürchterlichen Brauch auf und wandten ihn gegen die Sklaven an, die sie nicht als Menschen gelten ließen. Niemals setzte man römische Bürger dieser Prozedur aus. – Übrigens wissen Sie, daß man in den Ländern, in denen diese Grausamkeit abgeschafft ist, nicht mehr Verbrecher sieht als in den anderen. Man hat so oft gezeigt, daß die Folter ein fast sicher wirkendes Geheimmittel für die Rettung eines robusten Schuldigen und für die Verdammung eines schwachnervigen Unschuldigen ist, daß diese Beweisführung endlich ganze Völker überzeugt hat.

V. Die Finanzen werden bei Ihnen nach Sparsamkeitsgrundsätzen verwaltet, die nie wieder angetastet werden sollten. Behalten Sie doch ja diese weise Verwaltung bei! Das Rezept ist so außerordentlich einfach. Die Soldaten, die in Friedenszeiten von keinem Nutzen sind, werden auf die verschiedenen Stadttore verteilt; sie können dem Zoll- und Steuereinnehmer, der in der Regel ein älterer, nicht waffentragender Mann ist, rasche Hilfe leisten. So brauchen Sie kein Heer von Steuerbeamten gegen Ihre eigenen Untertanen zu unterhalten. Das Geld des Staates geht nicht durch dreißig verschiedene Hände, an denen allen immer ein Teil hängen bleibt. Es bilden sich nicht jene Riesenvermögen aus der Erpressung auf Ihre Kosten, auf Kosten des Adels und des Volkes. Jeder Steuereinnehmer bringt allmonatlich das von ihm eingezogene Geld auf Ihre Finanzkammer. Das Volk wird nicht zu Boden getreten und der Fürst wird nicht bestohlen. Bei Ihnen kennt man nicht jene Masse untergeordneter Ämtchen ohne Dienstleistung, die in gewissen Staaten aus dem Boden schießen, wo eine in Schulden steckende Regierung sie dem Verkauf aussetzt. Diese Titelchen werden freilich von der Eitelkeit um teures Geld gekauft; was sie eintragen, das ist eine Dauerrente für die Käufer, aber auch eine dauernde Schwächung für den Staat. Bei Ihnen sieht man nicht jene Masse wertloser Spießbürger, die, Hofräte betitelt, im Müßiggang leben und nichts anderes zu tun haben als die Einkünfte der von ihren Vätern beschafften Pfründen zu Vergnügungszwecken zu verschwenden. Jeder Bürger lebt bei Ihnen von den Einkünften seiner Güter oder von dem Ertrag seines Gewerbefleißes oder von dem Gehalt, den ihm der Fürst aussetzt. Die Regierung steckt nicht in Schulden. Nie habe ich, wie in den Ländern, in denen ich in meiner Jugend reiste, in den Straßen ausrufen hören: »Neuer Erlaß über eine Rentenaussetzung; neue Anleihe; Hofratsämter.«

Einen Grafen des Reichs, der es in seinem Gebiet so treiben wollte, würde man unter Kuratel stellen; mit Recht würde man ihm die Verfügung über seine Güter nehmen.

Vl. Lassen Sie Ihre Soldaten an der Verbesserung der Straßen arbeiten, auf denen sie marschieren sollen, an den Häfen, in denen sie aus- und einlaufen, an den Festungswerken der Städte, die sie zu verteidigen haben. Diese nützlichen Arbeiten sind ihre Beschäftigung in Friedenszeiten und dienen ihrer körperlichen Ertüchtigung für die Strapazen des Kriegs. Eine kleine Erhöhung des Solds wird genügen, daß sie sich mit Freuden an die Arbeit machen. So machten es die Römer; die Legionen legten selbst die Straßen an, auf denen sie zur Eroberung von Kleinasien und Syrien auszogen. Man fragt, ob man die Soldaten heiraten lassen solle. Ich halte das für rätlich; es gäbe weniger Fahnenflüchtige; auch wäre es gut für die Bevölkerungsvermehrung. Ich weiß wohl, daß ein verheirateter Soldat sich ferne von den Grenzen weniger gerne schlägt; um so eifriger kämpft er auf dem vaterländischen Boden. Sie haben nicht im Sinn, das ferne Ausland mit Krieg zu überziehen. Es liegt in Ihrem Interesse, daß Ihre Soldaten Ihre Provinzen bevölkern, statt fremde zugrunde zu richten.

Der Kriegsmann soll nach langem Dienst gesicherten Unterhalt haben; er soll wenigstens seinen Halbsold genießen dürfen wie in England. Ein Invalidenpalast im Stil Ludwigs XIV. möchte einem gewaltigen, reichen Staat wohl anstehen. Für Ihre Staaten ist es wohl ersprießlicher, wenn jeder Soldat spätestens im Alter von fünfzig Jahren in den Schoß seiner Familie zurückkehrt. Da kann er noch das Land bebauen oder ein nützliches Handwerk betreiben; er kann noch dem Vaterland Kinder schenken. Der Halbsold, so bescheiden er ist, ist Geld, das umläuft und der Volkswirtschaft zugutekommt. Wenn der entlassene Soldat nur zehn Ar urbar macht, so nützt er dem Staat mehr als einst auf der Parade.

VII. Dulden Sie den Bettel nicht! Das ist ein Unfug, den man in England, in Frankreich und in einem Teil Deutschlands noch nicht ausrotten konnte. Es gibt, glaube ich, in Europa mehr als vierhunderttausend solcher Unglücklichen, die, des Namens Mensch nicht wert, aus dem Müßiggang und dem Strolchentum ein Gewerbe machen; haben sie sich einmal dieser heillosen Lebensart ergeben, so sind sie nichts mehr nütze. Sie sind den Boden nicht mehr wert, in dem sie begraben werden sollten. In Holland, in Schweden, in Dänemark wird diese Schande der Menschheit nicht mehr geduldet, nicht einmal in Polen. Auch Rußland hat diese Bettlerbanden nicht, die die Reisenden brandschatzen. Ohne Gnade sollte man die Bettler strafen, die durch die Furcht wirken, die sie einflößen, dagegen die Armen mit der gewissenhaftesten Sorgfalt unterstützen. Jede Gemeindebehörde soll für ihre Armen und Kranken sorgen. So macht man es in Lyon und Amsterdam, deren Spitäler mustergültig sind. Die Verwaltung der Pariser Spitäler ist ganz unzureichend.


ENDE


Quelle: http://gutenberg.spiegel.de/buch/kleine-philosophische-aufsatze-2437/25


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