Mein Wort zum Sonntag #26 - Warum "Lob" unsere Entwicklung hemmt

Das Lob und Tadel System in unserer Gesellschaft war in dieser Woche sowohl im privaten als auch im Steemit Umfeld (@backinblackdevil) ein interessantes Thema. Meine Einschätzung ist eine andere als die der meisten Menschen. Vielleicht gibt es noch Naturvölker, die ein ähnliches Verständnis haben?

Gleich vorweg möchte ich klar stellen, dass aktuell in unserer Gesellschaft Lob durchaus Sinn macht. Weil wir dieses Lob und Tadel System von Kindesbeinen auf gelernt haben und so funktionieren. Deshalb gehe ich vor allem auf die Jüngeren ein, denn da beginnt der Kreislauf.

Kleine Kinder entdecken eigenständig ihre Welt

Kinder sind die Wesen, die ihr Leben gleich mit Lernen beginnen. Sie entdecken erst einmal ihre Umgebung, Gegenstände, Menschen und vor allem Wirkungen. Was passiert, wenn ich das und das ausprobiere: greifen, fallen lassen, rollen lassen, nass werden....? Wie kann ich mehr von der Welt sehen: krabbeln, klettern, gehen, überall reingucken, alles zerpflücken, alles in den Mund nehmen, ...? Was ist mein Körper überhaupt: sich bewegen, frieren, den Finger in den Mund stecken, schmecken, hören... Das alles und noch viel mehr entdeckt ein Baby/Kleinkind in den ersten Wochen und Monaten. Dies alles bringt es voran, ohne dass jemand etwas erklären müsste (Vorbilder sind viel wirkungsvoller) und auch ohne dass das Kind bei jedem Schritt gelobt wird.

Kinder haben den unbedingten Willen zu lernen und zu erfahren.

Gerne darf ich mich mit meinem Kind freuen und das auch zeigen. "Anfeuern" und Förderangebote sind eher hinderlich. Jedes Kind hat einen eigenen Lernweg. So kann es sich in seinem eigenen Rhythmus entwickeln. Diesen dürfen wir beobachten, um das Kind in seiner Entwicklung verstehen zu können. Das ist wichtiger als der Vergleich mit Gleichaltrigen oder fachliche Elternratgeber. Jedes Kind ist anders und jedes Kind zeigt seinen Eltern viel über sich selbst, wenn man sich die Zeit nimmt und einfach nur beoachtet. Wie geht es vor? Wie freut es sich? Was will es noch nicht erkunden? Wie verhält es sich im Freien und wie in den eigenen oder fremden Wänden? Welche Menschen wirken wie auf mein Kind? Und Vieles mehr.

Ein unvoreingenommener und nicht wertender Blick auf das eigene Kind ist so wertvoll!

Nur so kann ich die Entwicklung meines Kindes verstehen und eventuell unterstützen. Der Weg ist wie immer das Ziel. Nicht das Gehen Können ist der Punkt, denn das lernen sie irgendwann alle. Genauso ist es mit der Sprache. Wichtig sind wie immer die Vorbilder. Aber wir müssen keinem Kind erklären, wie Sprache und Satzbau funktionieren. Es lernt dies ganz von allein! Auch ohne Lob.

Wir verlieren das Vertrauen in diesen Lernweg des Kindes

Eltern wollen das Beste für ihr Kind und loben, fördern und unterstützen es in ihrem Sinne. Das ist nett gemeint, unterbricht aber die Eigeninitiative des Kindes. Das Kind beginnt sich an den Interessen der Eltern zu orientieren, lernt, dass es bei bestimmtem Verhalten gelobt wird und bei anderem getadelt. Für das Kind ist die versteckte Botschaft:

Ich bin nicht in Ordnung, so wie ich bin. An mir muss Vieles verbessert oder geändert werden.

Ab diesem Zeitpunkt orientiert sich das Kind nicht mehr nur an den eigenen inneren Impulsen sondern an den Rückmeldungen im Außen. Motivation kommt dann nicht mehr aus sich selbst heraus (intrinsisch) sondern durch eine zu erreichende "Belohnung" (extrinsisch). So funktioniert unsere Gesellschaft. Ziele und Erfolge locken uns und Lob und Tadel stellen unsere Person in Frage. Ja auch Lob! Hier ein Beispiel aus meinem Elterndasein:

Als Erwachsene hat mir meine Tochter erzählt, dass ich sie einmal gelobt habe, sie hätte so souverän eine Stuation telefonisch gereglet. Ich mochte als Kind nie telefonieren und fand sie super. (Was ich nicht gesagt habe, weil ich ihre Verwirrung nicht mitbekommen hatte.) Sie selbst war sehr erstaunt, da es für sie doch ganz einfach gewesen war und fragte sich, warum ich sie dafür lobe. Ob ich es ihr nicht zugetraut hätte?!

Elternsein ist nicht einfach

Gerade in der heutigen Zeit ist es nicht einfach den eigenen Weg in der Erziehung zu finden. Und wir alle dürfen Fehler machen. Wir lernen aus Fehlern und Misserfolgen. In einem Seminar wurde uns damals von Dr.Jan Uwe-Rogge (Erziehungsberater und Autor) folgender Tipp für Eltern mitgegeben:

Am Abend sollten Eltern sich einen guten Schluck Rotwein für jeden Erziehungss"Fehler" gönnen. Ein schlechtes Gewissen sei kein guter Ratgeber.

Ich hoffe, ich habe den ein oder anderen Denkanstoß geben können. Das Lob und Tadel System betrifft uns alle.

pixabay

Ich wünsche euch und mir ein schönes Wochenende!

Mein Wort zum Sonntag:

Episode 1 Was ist ein Mensch wert?
Episode 2 Wem nutzen Froh-Sinn und Spiel-Chaos auf Steemit?
Episode 3 Steemit - Quo Vadis?
Episode 4 Mensch - Quo Vadis?
Episode 5 Bildung - Quo Vadis?
Episode 6 Die Kunst des Schreibens - Erwische den richtigen Flow
Episode 7 Prioritäten - Flow oder Perfektion?
Episode 8 Alles Leben kommt aus der Natur
Episode 9 Der Ton macht die Musik
Episode 10 Kinder als Zielgruppe im Visier
Episode 11 Regenbogen und Zebra als Freund und Helfer bei Stimmungstiefs
Episode 12 Train your brain
Episode 13 Urlaub - Steem ON und Steem OM
Episode 14 Thanksgiving - Erntedank Einmal im Jahr dankbar sein
Episode 15 Egal was kommt, mach was draus!
Episode 16 Große und kleine Abschiede fordern
Episode 17 Naturwissenschaft braucht Beziehung zur Natur
Episode 18 Leere
Episode 19 Schule spielen
Episode 20 Klarheit fordert mich
Episode 21 Was ist bloß los mit mir?
Episode 22 Warum ich mir Tags für Kommentare wünsche
Episode 23 Human Beings oder Human Doings
Episode 24 Sätze, die zurück ins Leben bringen können
Episode 25 Abschiednehmen mit Herman Hesse, Echt und mehr...