Wie der Klimawandel den Menschen nach Europa trieb

Bekanntlich stand die Wiege der Menschheit in Afrika. Dort bildete sich vor rund 200 000 Jahren der "verständige Mensch" - Homo sapiens - heraus und verbreitete sich anschließend über die ganze Erde. Doch sein Vormarsch gerade Richtung Europa war kein schneller Ritt in einem Zug.

Im ersten Anlauf, das haben Forscher der Universität Bonn anhand von Pollenanalysen aus dem Toten Meer nachgewiesen, stoppte die Wanderung zunächst im östlichen Mittelmeergebiet. Verantwortlich dafür waren aber nicht ausgedehnte Wüsten, die es den frühen Menschen unmöglich machten, weiter voranzukommen, schreiben sie im Magazin "forsch" der Universität Bonn. Sondern dichte Urwälder, von denen in der betreffenden Region heute kaum noch eine Spur geblieben ist.

Die Hauptzugroute des Homo sapiens verlief nach Norden über die sogenannte Levante, dem östlichen Küstenstreifen und Hinterland des Mittelmeers, in dem sich heute die Krisenregion rund um die Türkei, Zypern, den Libanon, Palästina, Syrien und Ägypten befinden. Im nördlichen Teil verzweigte sich die Wanderung dann nach Europa und nach Asien. "Im Gebiet des heutigen nördlichen Israel gab es eine Art Flaschenhals", berichtet Thomas Litt vom Steinmann-Institut der Universität Bonn. Wie archäologische Funde dokumentieren, stockte genau an diesem Engpass entlang des Jordangrabens vor rund 100 000 Jahren die Weiterwanderung des Menschen.

Lange glaubten Forscher, eine Klimaverschlechterung mit zunehmender Trockenheit sei für die Wanderpause verantwortlich, die vermutlich mehrere tausend Jahre dauerte und die Besiedlung Europas entsprechend weit nach hinten schob. Doch der Paläobotaniker Litt kommt nach umfangreichen Bohrungen im Toten Meer und Analysen der darin befindlichen Pollen zu einem ganz anderen Schluss: Vor rund 90 000 bis 130 000 Jahren befand sich weiter nördlich im heutigen westlichen Syrien und Libanon ein undurchdringlicher Urwald, den der Homo sapiens mied. Thomas Litt: "Die Menschen jagten Wild als ihre Lebensgrundlage - und das fanden sie vor allem in Steppenlandschaften."

Da es südlich des "Flaschenhalses" in Israel und Jordanien viele solcher offenen Landschaften mit Gräsern, Steppen-Beifuß und einzelnen Baumgruppen gab, wie Litts Team herausfand, schwächte sich der Drang, weiterzuziehen, ab. "Die Bedingungen waren für die Wildjagd ideal", beschreibt Litt. Der undurchdringliche Wald weiter nördlich dagegen sei den Menschenwohl weit weniger paradiesisch erschienen. Er wirkte wie eine Barriere.

Das änderte sich dem Bericht zufolge nach Untersuchungen von Andreas Hense vom Meteorologischen Institut der Uni erst, als das Klima im ostmediterranen Raum vor 50 000 bis 60 000 Jahren trockener wurde, der Wald verschwand und die Steppe im heutigen Israel und Jordanien sich über die gesamte Levante auszudehnen begann.

Ab diesem Zeitraum waren die ökologischen und klimatischen Bedingungen gegeben, die Verbreitung des modernen Menschen von Afrika aus zu befördern. Deshalb setzte die Weiterwanderung nach Norden ein, wie sich auch anhand von datierten Homo-sapiens-Skeletten in Höhlen und weiteren Funden belegen lässt. Erst zu diesem Zeitpunkt begann die Ausbreitung des Homo sapiens nach Norden, der Weg nach Europa war offen und der frühe Mensch siedelte von Afrika aus nach Europa über, wo er sesshaft wurde.