Recht einfach #7: Was darf Religion? Und wie funktionieren Grundrechte?

in #deutsch5 years ago

Nach einer gefühlten Ewigkeit habe ich es mal wieder geschafft, eine Ausgabe von "Recht einfach" zu schreiben. :)

@taldor hat (vor einiger Zeit) geschrieben:
"Schreibe doch bitte mal etwas zur Religionsfreiheit! Steht diese über dem Rechte; darf Religion alles/vieles? Dürfe beispielhaft ein Maya oder Azteke Menschenopfer gem. seines Glaubens in der BRD erbringen?"

Das will ich gerne beantworten. Soviel vorweg: Nein, natürlich darf Religion nicht alles. Menschenopfer sind daher selbstverständlich verboten. Und die Religionsfreiheit steht auch nicht über dem Recht, sondern ist als Grundrecht des Grundgesetzes ein Teil des Rechts.

A) Allgemeine Grundrechtslehre

Zum besseren Verständnis will ich etwas weiter ausholen und allgemein etwas zu Grundrechten und ihren Einschränkungen erzählen. Keine Angst, ich werde dabei (hoffentlich?) nicht zu sehr ins Detail gehen:

Der erste Abschnitt des deutschen Grundgesetzes handelt von den Grundrechten. Falls ihr das noch nicht getan habt, empfehle ich euch, das ruhig einmal durchzulesen.

Vielleicht ist euch dabei unter anderem aufgefallen, dass es bei einigen Grundrechten Einschränkungen gibt. Z.B.

Art. 2 I GG (Allgemeine Handlungsfreiheit): Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

Art. 5 II GG (Zu Meinungsfreiheit etc.): Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Daraus kann man schließen, dass diese Grundrechte nicht grenzenlos gelten. Aber was ist dem den Grundrechten, bei denen eine solche Einschränkung nicht ausdrücklich vorgesehen ist? Gelten diese deswegen unbeschränkt?

Nein! Und der Grund liegt auch auf der Hand: Das Grundgesetz schützt verschiedenen Interessen, die oft auch einander entgegenstehen. Daher stellen auch andere Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte eine Schranke dar. Deswegen gelten auch Grundrechte, die nicht ausdrücklich beschränkt werden, nicht unbeschränkt.

In unserem Beispiel mit den Menschenopfern steht z.B. das Recht auf Leben der zu opfernden Person der Religionsfreiheit der Maya bzw. der Azteken gegenüber. Der Staat kann schon denk-logisch nicht beide Grundrechte unbeschränkt wahren.

Eingriffe in Grundrechte können also grundsätzlich gerechtfertigt sein.

Das einzige Grundrecht, das unbeschränkt gewährleistet wird, ist die Menschenwürde. Diese ist tatsächliche unantastbar! Das wird aber ein bisschen dadurch relativiert, dass man bei der Prüfung, was eigentlich geschützte Menschenwürde ist, einigermaßen streng ist.

Um zu prüfen, ob etwas eine Grundrechtsverletzung darstellt, prüft man daher folgende 3 Schritte:

  • Schutzbereich: ist das in Frage stehende Handeln von einem Grundrecht umfasst?
  • Eingriff: Greift der Staat darin ein?
  • Rechtfertigung: Ist der Eingriff verhältnismäßig und daher gerechtfertigt?

B) Die Religionsfreiheit und ihre Grenzen (Art. 4 I GG)

Jetzt zur Religionsfreiheit. Um die Frage zu beantworten, wie weit der Schutz der Religionsfreiheit im Grundgesetz geht, wollen wir uns das Schema von oben noch einmal ansehen.

I. Schutzbereich

In diesem Schritt muss man sich überlegen, was eigentlich durch Art. 4 I GG geschützt wird. Geschützt wird die Religion sowie über Absatz 2 auch die Religionsausübung.

In manchen Fällen ist es umstritten, ob etwas “Religion” ist. So urteilte z.B. das Bundesverfassungsgericht, dass die “Spag­hetti­monster-Kirche” nicht als Religion zählt und daher die Ankündigung der “Nudelmesse” nicht von der Religionsfreiheit umfasst ist. Die “Pastafari” wollen jetzt vor den EuGH ziehen.

Hinweis: Im Rahmen der negativen Religionsfreiheit hat man auch das Recht, keiner Religion anzugehören und nicht zu glauben.

II. Eingriff

Meist ist es offensichtlich, wenn der Staat in den Schutzbereich eines Grundrechts eingreift. Es gibt aber Grenzfälle.

Wenn der Staat Kreuze, Kopftücher oder Kippa verbieten würde, wäre das ein eindeutiger Eingriff in die Religionsfreiheit. Aber wie ist es, wenn er z.B. vor bestimmten “Jugendsekten” warnt?
Das Bundesverfassungsgericht hat einmal entschieden, dass die Bezeichnung als “Sekte”, “Jugendsekte” und “Psychosekte” noch keinen Eingriff in die Religionsfreiheit darstellt. Demgegenüber hätten die Attribute “destruktiv” und “pseudoreligiös aber einen klar diffamierenden Charakter, wahren daher das Neutralitätsgebot des Staates nicht mehr und stellen daher einen Eingriff dar.


Anmerkung: Die Grundrechte binden grundsätzlich nur den Staat. Als normaler Bürger kann man daher keine Grundrechte verletzen. (Art. 1 III GG: Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.)


III. Rechtfertigung

Dieser Teil ist eigentlich der schwierigste und dennoch mein liebster:

Bei der Prüfung, ob ein Eingriff gerechtfertigt ist, geht es hauptsächlich um eine Abwägung der verschiedenen Belange. Es gibt eindeutige Fälle, aber auch viele, in denen eine überzeugende Argumentation wichtig ist.

Bei der Frage, ob Rastafari (nicht zu verwechseln mit den oben erwähnten Pastafari!) straflos kiffen (bzw. Cannabis anbauen) dürfen, musste das Bundesverfassungsgericht zwischen der Religionsfreiheit und der "Volksgesundheit" abwägen und hat entschieden, dass die "Volksgesundheit" überwiegt.

C) Das Menschenopferbeispiel

I. Schutzbereich

Die Religion der Maya würde wohl als Religion gelten. Sofern Menschenopfer ein wesentlicher Bestandteil dieser Religion sind (da kenne ich mich tatsächlich nicht wirklich aus^^) wären auch diese zunächst einmal vom Schutzbereich umfasst.

II. Eingriff

Das Verbot, Menschenopfer durchzuführen, stellt einen klassischen Eingriff dar.

III. Rechtfertigung

Jetzt müssen wir nur noch überlegen, ob der Eingriff wegen des damit verbundenen Schutzes des Lebens gerechtfertigt ist:

Einerseits ist es wohl so, dass diese Menschenopfer einen wichtigen Bestandteil des Glaubens der Maya/Atzteken darstellen. Die Menschenopfer zu verbieten, würde vermutlich in grundlegende Strukturen dieser Religion eingreifen und sie dadurch vielleicht sogar komplett sinnlos machen. (Tatsächlich kann ich nicht sagen, inwieweit die gesamte Religion auf diese Menschenopfer aufbaut ^^)

Auf der anderen Seite steht aber das Recht auf Leben und vielleicht sogar die Menschenwürde der zu opfernden Person. Auch wenn die Menschenwürde nicht betroffen ist, steht dem Recht auf Leben doch ein enorm wichtiger Rang zu. Selbstverständlich darf eine Person nur in den extremsten Ausnahmefällen getötet werden. Ausser bei dem “finalen Rettungsschuss”, also der Tötung eines Täters (z.B. Geiselnehmers) zum Schutz eines oder mehrerer potentiellen Opfer, kenne ich keine Fälle, in denen ein Eingriff gerechtfertigt wäre.

Deswegen kommt man in unserem Beispiel auch zu dem Ergebnis, dass das Recht auf Leben der Religionsfreiheit hier überwiegt. Das Verbot von Menschenopfern stellt zwar einen Eingriff in die Religionsfreiheit dar, ist aber verhältnismäßig und daher gerechtfertigt.


Ich hoffe, es war ungefähr nachvollziehbar, wie die Grundrechte und besonders die Religionsfreiheit funktionieren. Ich weiß, dass das ein kompliziertes Thema ist, das ich nur ganz grob darstellen konnte. Wenn ihr also Fragen hierzu oder zu anderen rechtlichen Themen habt, stellt sie bitte :)

Sort:  

Ich zeige mich entrüstet darüber, dass Menschenopfer scheinbar nicht mehr erlaubt sind. Dies erklärt vermutlich, wieso einige Religionen auf dem Rückzug befinden ;)

Die Azteken und Mayas haben vorwiegend Gefangene geopfert. Vermutlich würden sie zumeist argumentieren, dass man es hier halt mit Straftätern zu tun hätte, die gegen Sitte und Gebräuche verstoßen haben oder eben Terroranschläge (Spanier) verübt haben. ;)

Wirklich genau wird man dies vermutlich nicht sagen können, da eben viele der Opfergeschichten von Christen berichtet werden und man nicht sagen kann in wie weit diese ausgeschmückt wurden. Immerhin unterhielten die Maya Spezialkräfte, die mit nicht-lethalen Waffen ausgestattet waren. Es lag ihnen also irgendwie am Herzen einige Gefangene durchaus lebend zu fangen.

Interessante finde ich Sozialhacks wie z.B. "Copyism". In dem erklärt wird, dass es zu seinem Glaubensgründsätzen gehört Kultur mit anderen Menschen zu teilen. Der eine sagt, es sei seine Religion. Der andere sagt, dass es eine Urheberrechtsverletzung ist. Mir ist bisher nicht bekannt, dass einer dieser Anhänger bisher vor Gericht gelandet ist. Vermutlich weil man dabei einige unangenehme Fragen miteinander aufwiegen müsste oder wie würdest Du die Lage beurteilen?

Sorry, dein Kommentar ist mir irgendwie durchgerutscht ^^

Ich kenn mich mit "Copyism" nicht aus. Aber vielleicht finde ich dazu etwas :)

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Rechtfertigung: Ist der Eingriff verhältnismäßig und daher gerechtfertigt?

Hier vermisse ich "notwendig". Dann hätte ich noch Fragen zur Menschenwürde:

  1. Was ist das überhaupt?
  2. Was heißt, dass sie unantastbar ist?
  3. Wenn gegen jemanden Gewalt initiiert wird, z. B. in Form von Gewaltandrohung, wird dann dessen Menschenwürde angetastet?
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In einer Zeit, in der wir uns in Deutschland mit so schönen Sachen wie Blutrache, Ehrenmorden, Zwangsheirat und Genitalverstümmelung insbesondere von Frauen ÜBERHAUPT BESCHÄFTIGEN ist das Beispiel des Menschenopfers schon arg weit hergeholt. Die Einschläge sind viel näher als die Maya.

Der Staat muss den Religionen, insbesondere dem durch Zuwanderung erstarkenden Islam, KNALLHARTE GRENZEN aufzeigen, sonst können wir hier bald einpacken! (Das passt aber auch ganz gut, denn wenn die Kraftwerke demnächst alle abgeschaltet werden, können wir unsere nutzlosen Grundgesetzbüchlein dann gleich zum Heizen verwenden.)

Es stimmt, wenn ein Grundrecht mit anderen Grundrechten in Konflikt gerät, so müssen die betroffenen Rechte möglichst schonend zum Ausgleich gebracht werden. Das hat bisher in Deutschland auch immer halbwegs vernünftig funktioniert. Wenn wir es aber mit importierten archaischen Kulturen zu tun haben, die "schonend" mit "schwach" verwechseln, führt das auch nicht weiter.

Das Spannungsfeld zwischen freier Religionsausübung und dem Vorrang der freiheitlichen (demokratischen) Selbstbestimmung war nie wirklich einfach. Mit einer demografischen Verschiebung zum Vorteil der importierten Neubürger ist es allerdings nur eine Frage der Zeit, bis sich das Schwergewicht permanent von "Freiheit" nach "Religion" (insbes. Islam mit s. SCHARIA) verschiebt.

Das Grundrecht auf Religionsfreiheit muss JETZT in seinem Rang, oder besser gesagt, seiner Nachrangigkeit gegenüber wichtigeren Grundrechten direkt im Grundgesetz zurechtgestutzt und FESTGESCHRIEBEN werden, am besten mit Ewigkeitsgarantie. Anderenfalls regiert hier bald wieder das finsterste Mittelalter.

Das sehe ich nicht so. Ich denke, dass wir mit der Religionsfreiheit, wie sie momentan im Grundgesetz festgelegt wurde, schon ganz gut hinkommen. Ehrenmorde, Zwangsheirat und wohl auch Genitalverstümmelungen stehen ohnehin schon andere Grundrechte entgegen.

Dass sich der Schwerpunkt von Freiheit in Richtung "Scharia" verschiebt, sehe ich nicht.

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Scharia ... sehe ich nicht

Das ist das Problem. Viele sehen es nicht, bis es zu spät ist. Schau' nach GB, die sind schon etwas weiter als wir.

Religionsfreiheit ... schon ganz gut hinkommen

Ja, gerade noch. Ich rede von der Zukunft. Die entsprechenden Leitplanken müssen aber JETZT eingezogen werden, solange wir es noch können. Die Demographie arbeitet hier gegen uns. Dazu kommt dann noch unsere eigene dekadente Dummheit, ergibt dann "a perfect storm".

Danke für deinen ausführlichen Artikel und herzlichen Glückwunsch zu deinem Gewinn! Lieben Gruß Kadna

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Ich bin ein Testbot, wenn ich alles richtig gemacht habe, findest du deinen Beitrag in meinem Report wieder.

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Mikrobi

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