Köthen, Wölfe und ein Toter

in #deutsch6 years ago

Eigentlich habe ich ja die Nase voll von dem Thema. Und was soll man schon zu Chemnitz schreiben, außer Kopf → Tisch.

Aber jetzt ist etwas fast in Steinwurfreichweite von mir passiert, und da der Fall auch recht ungewöhnlich ist, doch ein paar Worte von mir.

Was ist denn nun eigentlich in Köthen passiert?

Ein junger Mann, der schwer herzkrank war, ist während eines hochemotionalen Streites an Herzversagen gestorben. Es ging um die Frage, wer der Vater eines Kindes wäre.

Normalerweise hätte das als Kuriosität gerade mal einen 10-Zeiler in der Seitenspalte eingebracht. Die BILD hätte vielleicht noch in üblicher Manier einen schlechten Witz draus gemacht: Hätte er sich nicht so aufgeregt! Dann hätte er nach der Geburt nachschauen können!

Doch es waren ja neben den beiden Deutschen auch Ausländer involviert. Daher:

Köthen.jpg

Alles geht nur darum, dass ein Afghane beteiligt war.
Der Bruder des Verstorbenen ist übrigens ein bekannter Rechtsextremer. Vielleicht war der Herzpatient von gleicher politischer Richtung und daher besonders aufgeregt, als sein Nebenbuhler sich als Ausländer herausstellte. Das wäre dann: Hass tötet, manchmal einen selbst.

Jetzt haben sich die Rechtsextremen natürlich wieder an diesem Fall aufgegeilt. Nach einem Video auf Twitter kam dabei auch wieder der Spruch von den Wölfen und Schafen.

Rassenkrieg.jpg
Video für die mit gutem Magen.

Ob der Thügida-Chef das wohl vom Geschichtslehrer Höcke plagiiert hat, oder gleich von Goebbels?

Von wem geht hier eigentlich eine Gefahr aus? Vielleicht ist die Wolfsgefahr doch größer als gedacht?

Problemwolf.jpg

Aber der Afghane hat doch den Deutschen zu Boden geschubst! Höre ich sie schon sagen.
Ja, das stimmt. Das dürfte relativ normal sein bei einem akuten Vaterschaftsstreit, auch bei Deutschen. Und ob das schubsten jetzt Angriff oder Verteidigung war: die Verletzungen davon haben nichts mit dem Herzversagen zu tun.
Es ist also nicht mal ein Totschlag, geschweige denn ein Mord. Aber aus einer Körperverletzung kann man nur schlecht einen „Rassenkrieg“ konstruieren.

Überhaupt Gefahr: Die Wahrscheinlichkeit, von einem betrunkenen und zu schnell fahrenden deutschen Autofahrer getötet zu werden, ist ungefähr hundert Mal größer als die, als Deutscher von einem Ausländer ermordet zu werden.

Dennoch habe ich noch keinen wutschnaubenden Mob „besorgter Bürger“ gesehen, die „Autofahrer raus!“ schreiend durch die Straßen ziehen. Auch eine stärkere Alkohol- und Tempokontrolle stößt bei den um ihre fahrerische Freiheit besorgten Bürgern eher auf „Widerstand! Widerstand!“

Ein chinesische Sprichwort sagt: Bevor du ausziehst um die Welt zu verbessern, gehe drei Mal durch dein eigenes Haus.

Aber chinesische Weisheit dürfte bei Thügida auch eher unbeliebt sein.

Sort:  

Das ist wieder mal ein echter @lennstar0de

Man lässt einfach ein bisschen was weg und schon sieht es nicht mehr so schlimm aus.

Lassen wir doch mal die Zeugin zu Wort kommen

Wir brachten meinen Freund nach drinnen in Sicherheit", zitiert die Zeitung die Frau. Als sie wieder aus der Wohnung kam, habe sie gesehen, wie der 18-Jährige auf das spätere Todesopfer einschlug. Als der 22-Jährige zu Boden ging, habe der 18-Jährige weiter gegen seinen Kopf getreten, behauptet die Zeugin dem Bericht zufolge.

Quelle

Nicht schlimm oder?
Ein bisschen gegen den Kopf treten.
Macht doch jeder, oder?
Selber schuld, wenn man sich mit Herzschwäche gegen den Kopf treten lässt, oder?

Und wenn man schon erwähnt, das der Bruder des Opfers ein Rechtsextremer war (Sippenhaft?), sollte man auch folgendes nicht unerwähnt lassen:

Nach dpa-Informationen waren die beiden Afghanen polizeibekannt, einer wegen mehrerer kleinerer Delikte und Körperverletzung. Einer hatte eine Duldung. Der zweite sollte eigentlich abgeschoben werden, was aber wegen laufender Ermittlungen auf Eis lag.
Quelle

Deine Verharmlosungspropaganda ist genauso ekelhaft, wie die Nazis die wegen solcher Vorfälle mit Hitlergruß durch die Stadt laufen.

Das mit dem Treten wusste ich nicht, falls das wirklich so war.
Für mich sieht die erste Überschrift eher so aus, als ob das wieder mal so ein Gerücht war, dass sich als Luftnummer herausgestellt hat. So wie der zweite Tote in Chemnitz.

Aber trotzdem war das nicht die Todesursache.

Deine Verharmlosungspropaganda ist genauso ekelhaft,

Was habe ich denn verharmlost?
Das einer mit ein paar kleinen Sachen vorbestraft war, hat doch nichts mit dem Herzinfarkt zu tun. Und auch nicht mit dem rechten Aufmarsch.
Die sollten doch froh sein, dass er jetzt abgeschoben werden sollte, nachdem die Ermittlungen nicht ergaben, dass er die Tat begangen hat.

Was ich ekelhaft finde ist die Ungleichbehandlung.

Fast zur selben Zeit wurde 40km entfernt in Aschersleben ein Oberarzt verurteilt - wegen Vergewaltigung mehrerer und Ermorderung einer Frau.

Vor etwa einem Jahr wurde 20km von Köthen entfernt eine chinesische Studentin vergewaltigt und ermordet.

Beide Fälle sind viel schlimmer als ein Tot, der mehr oder weniger ein Unfall war (nur passiert wegen der Vorerkrankung) und der Fall sonst einer, wie er täglich mehrmals in Deutschland passiert.

Aber da ist niemand "besorgt" durch die Straßen gezogen, hat von Rassenkrieg geredet oder Ähnliches.

Das mit der Chinesin wurde überall thematisiert.

Die Reaktionen waren alle viel "kleiner"

Die Reaktionen waren auch bei vergangenen Morde oder Vergewaltigungen viel kleiner.
Das ist ganz normal, nur irgendwann reicht es denn Menschen und das Fass läuft über.
Die meisten Menschen hatten auch die DDR während ihrer ganzen 40 jährigen Geschichte satt.
Aber es dauert einfach bis sich genug Unmut aufgestaut hat.
Gerade in Deutschland dauert es im Vergleich zu anderen Ländern in Europa, sehr lange bis die Menschen auf die Straße gehen.

Gerade in Deutschland dauert es im Vergleich zu anderen Ländern in Europa, sehr lange bis die Menschen auf die Straße gehen.

Manchmal dauert es zu lange,
manchmal gehen sie gar nicht.

Richtig. Aber da hat z.B. die AfD gar nichts zu gesagt, geschweige denn zu Demo etc. aufgerufen. Die Reaktionen waren alle viel "kleiner".

Übrigens update:
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/justizministerin-zu-koethen-afd-ignoriert-gesicherte-fakten,R3M0Wnc

"Das Verletzungsbild spricht nicht dafür, dass es so passiert ist, wie es in dem Tondokument geschildert wird. Morphologische Spuren für Fußtritte ins Gesicht und an den Kopf konnten von den Gerichtsmedizinern nicht festgestellt werden"

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