Bohemian Rhapsody oder „Ich bin Performer und kein Schweizer Zugschaffner“

in #deutsch6 years ago

Seit gestern läuft er in den Londoner Kinos und ich wollte wissen: Ist er so gut, wie es der Trailer verspricht. Ausgestattet mit einer Imax-Karte, einer großen Tüte Popcorn und einem Cider saß ich im vorderen Drittel des Kinosaals und es kam, wie es kommen musste. Ein Mann wacht auf, der Rolls Royce steht vor der Tür, Mann steigt ein und wird durch London gefahren. Man beginnt zu ahnen, dass es zum Wembley Stadion geht.

Und man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass der Mann, der da zum Wembley-Stadium fährt, Freddie Mercury ist.
Keine Sorge, ich erzähle hier nicht den Film und will auch nicht zu viel verraten. Aber jeder, der sich in der Pop-Musik ein wenig auskennt weiß, dass Queen damals 1985 ihren wohl mit Abstand besten Live-Act zelebrierten. 16 Stunden Musik vom Feinsten, wobei ich selbst den Fernseher auf die Terrasse im Garten gestellt mit Freunden einen unvergessenen Tag hatte.

Aber zurück zum Film, der die Momente zeigt, wie Queen gegründet wurde und erste Erfolge hatte. Im Mittelpunkt natürlich Freddie Mercury, hervorragend gespielt von Rami Malek, mit seinen Höhen und Tiefen, seinem Realitätsverlust, der streckenweise an Ludwig II. von Bayern erinnert und seiner tiefen Liebesbeziehung zu Mary Austin. Die Geschichte von Queen in fast zweieinhalb Stunden darzustellen und zu erzählen ist fast nicht möglich, wobei es der Film schafft, nicht nur die Konflikte innerhalb der Band aufzuzeigen, sondern sich auch mit dem Problem Freddies und seiner Homosexualität auseinanderzusetzen. Kein einfaches Thema im England der 70er Jahre.

Gleichzeitig ist da die Familie von Freddie, die aus Sansibar fliehen musste und nun im England der 60er und 70er Jahre lebte, weit entfernt vom Lebensstil auf Sansibar. Der Vater, traditionell, konservativ, der es für keine allzu gute Idee hält, dass sein Sohn in die Clubs der Stadt abtaucht, die Mutter, zu Hause, immer darauf bedacht, die Spannungen aus der Familie zu nehmen. Die Darstellung der Familie, deren parsische Vorfahren aus Indien stammten, ist derart brillant, dass ich mich an einige indische Familien hier in London erinnert fühlte.
Einiges wird ausgelassen, allerdings wäre es dann wohl ein Mehrteiler geworden, hätten Bryan Singer, als Regisseur und McCarten und Morgan als Autoren weitere Details einfließen lassen.
Mike Myers (Studio 54, Austin Powers, The Love Guru) brilliert als Plattenboss, „der in die Geschichte eingehen wird, dem Queen durch die Finger rann“.

Einzig schade, dass dem Schluss des Films mehr authentisches Material gutgetan hätte, denn hier in Wembley auf der Bühne war Freddie dann doch ausdrucksstärker als Malek.

Anschauen? Ja, in jedem Fall! Man muss dafür kein Queen-Fan sein, um diese 140 Minuten Film mit seinen Geschichten und der Musik zu genießen. Vergesst die Scheisse, die im Rolling Stone fabuliert wird (https://www.rollingstone.de/reviews/queen-bohemian-rhapsody-kritik/), wem kommt es bei solch einem Film auf die exakte zeitliche Darstellung an, hier geht es um etwas Anderes.

Gleiches gilt für Beiträge, die behaupten, der Fil sei homophob. Wer solche Kritiken äussert, sollte sich einmal fragen, ob er oder sie anders nicht mehr wahrgenommen wird und ob es nicht das ewig gleiche und immer abgenutzter werdende Klischee desselben, genauso wie #metoo ist.

Karte kaufen, ansehen, mitwippen und Spaß haben! Das ist meine Meinung zum Film.

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Zum Drüberstreuen ;)

Hallo Zwayne, danke für die tolle Besprechung. Macht Lust auf den Film. Liebe Grüße Alexa

gerne, und Grüße aus London

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