Debattieren wir ernsthaft wieder über Kapitalismus vs. Sozialismus?

in #deutsch4 years ago

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von Jeffrey A. Tucker

Wir diskutieren wieder ernsthaft über Kapitalismus vs. Sozialismus. So sollte es ja auch sein. Dies ist der Silberstreif am Horizont eines der alarmierendsten Trends unserer Zeit: Die Nominierung der Demokratischen Partei könnte von einem selbsternannten Sozialisten gewonnen werden.

Fast 100 Jahre lang haben sich Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Amerika mit der sozialistischen Ideologie befasst, von ihr gelernt, sie in begrenztem Umfang praktiziert, eine in ihrer Logik verwurzelte Politik durchgesetzt und sich von einem Kriegsethos inspirieren lassen, wonach die Märkte von Natur aus ausbeuterisch, ungerecht und unausgewogen seien. Die Tatsache, dass man auf den höchsten politischen Ebenen des amerikanischen Lebens endlich einmal sagt: " Wir alle sind ja jetzt eine Art Sozialisten", klingt irgendwie einleuchtend.

Um diesem Anspruch zu widersprechen, muss man das Problem des Sozialismus sehen, und dieses Problem zu sehen, führt dazu, die Logik der Märkte und der Wirtschaft zu durchdenken, was wiederum dazu führt, die Tugenden der wirtschaftlichen Freiheit zu sehen. Doch dies würde die ideologische Infrastruktur der Demokratischen Partei selbst untergraben. Für Politiker in dieser Position ist es gefährlich, Knappheit, Kreativität, Preise und Handel zu verstehen. Vielmehr hat sich ein Ethos des "kein Feind der Linken" herauskristallisiert, durch den die Extremisten den Inhalt der politischen Forderungen kontrollieren können.

Der Autor David Brooks schrieb in der New York Times, dass der Grund, warum Bernie Sanders die Oberhand gewinnt, darin besteht, dass er eine eindeutige (wenn auch völlig realitätsferne) Weltanschauung präsentiert, die von den anderen akzeptiert wird, so dass sie seine Ansichten nicht wirklich bekämpfen können:

Sanders und seine progressiven Mitstreiter haben in den letzten fünf Jahren große Teile der Demokratischen Partei dazu gebracht, durch das Bernie-Objektiv zu blicken. Man merkt dies daran, dass jeder Kandidat auf dieser Bühne die entsprechenden Positionen und die geistige Einstellung hat, um einen Milliardär wie Bloomberg zu zerfleischen. Auf der anderen Seite hat niemand die Positionen und die geistige Einstellung, um einen Sozialisten wie Sanders auszuschalten.

In diesen Debatten wird Sanders als unberührbar betrachtet, da den anderen Kandidaten die mythische Plattform fehlt, von der aus sie einen Angriff starten können. Die Aussage, seine Vorhaben seien zu teuer, ist eine erbärmliche Antwort auf einen erfolgreichen Mythos.

Die Macht des Mythos reicht aus, was auch an Michael Bloomberg gesehen werden kann, der ihn dafür kritisierte den Sozialismus in einem Land zu fördern, in dem der berühmteste Sozialist drei Häuser besitzt. Tatsächlich stellt dies für jemanden wie Sanders keinen Widerspruch dar. Für die Diktatur des Proletariats ist immer eine avantgardistische Elite notwendig, um die Interessen und Energien der Arbeiterklasse zu kanalisieren; diese Elite durfte sich schon immer an mehr weltlichen Freuden erquicken als andere Menschen. Das war schon immer so.

Hierbei kann auch gesehen werden, dass der Sozialismus keine Bewegung der Arbeiterklasse, sondern der Eliten ist, geboren aus Arroganz, Snobismus und absurdem Schein. Er wird nicht durch gelebte Erfahrung lebendig gehalten, sondern durch die erstaunliche Fähigkeit eines ideologisch durchtränkten Gehirns, in der Verleugnung der Realität zu leben.

Doch was ist mit dem Gegenbegriff des Kapitalismus? Kann er wirklich als Synonym für die Marktwirtschaft gelten, wenn er doch eine Erfindung der Marxisten war, und einen bestimmten Sinn hat: Der Begriff beschreibt eine Wirtschaft, die von den Kapitalisten beherrscht wird. Was Kapitalismus genannt wird ist in Wirklichkeit nichts anderes als die Entwicklung einer Gesellschaft, die das Privateigentum, den Frieden und die Versammlungs- und Handelsfreiheit respektiert. Er wird nicht aufgezwungen und ist selbst auch kein System; er beschreibt, was passiert, wenn sich gewalttätige Akteure aus dem Prozess der gesellschaftlichen Entwicklung heraushalten.

Viele meiner klassisch-liberalen Freunde würden diesen Begriff deshalb lieber nicht mehr verwenden.

Andererseits geht der Begriff auf die Hauptdebatte ein: Soll die öffentliche Hand die produzierten Betriebsmittel (das Kapital) unbehelligt lassen und erfolgreichen Unternehmen die Möglichkeit bieten, es zu akkumulieren? Anti-Kapitalisten aus der politischen Klasse wollen die Unternehmen zerschlagen und ausbeuten, da sie groß sind. Außerdem wollen sie die Reichen besteuern, einfach nur deshalb, weil sie reich sind. Die Problematik besteht darin, dass dies der Weg zur Verarmung ist.

Auf der anderen Seite ist es nicht zu übersehen, dass das Kapital für komplexe Produktionsstrukturen und Arbeitsteilung institutionell unverzichtbar ist. Darauf kann man nicht verzichten, auch wenn viele Gesellschaften es versucht haben.

Manche Sozialisten werden nun sagen, dass sie nicht gegen das Privateigentum als solches sind, sondern nur gegen den privaten Besitz der Produktionsmittel. Die Debatte zwischen Kapitalismus und Sozialismus ist in gewisser Weise ein Streit über die Zukunft der Freiheit. Hier geht es nun daraum eine logische Wahrheit zu finden: Gibt es Freiheit und Privateigentum oder gibt es sie nicht? Diese Debatte muss geführt werden. Vermutlich wird sie nie aufhören.

Nach 1989 war ich mir persönlich ziemlich sicher, dass der Streit für alle Zeiten und Ewigkeiten beigelegt war. Ich war teilweise enttäuscht, weil ich mich während des Kalten Krieges in dieses Thema verbissen hatte. Möglicherweise könnte ich nur noch historisches Interesse mit meinem gesamten Wissen erzeugen, dachte ich mir. Dem war nicht so: Schon die nächste Ausgabe einer akademischen marxistischen Zeitschrift titelte "Der Zusammenbruch des Stalinismus" - nur 40 Jahre zu spät.

Der intellektuelle Kampf geht also weiter. Hier kann ich diesen Film und zwei Bücher empfehlen: The Best of Marx und The Best of Mises.

Published through AIER, written by Jeffrey A. Tucker, licensed under CC 4.0 and translated by @orionvk.
This work is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 International License, except where copyright is otherwise reserved.

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Hayek ist auch sehr zu empfehlen. ;)

Servus.

"Gleichheit oder Freihei?" von Erik Ritter von Kühnelt-Lehddin (oder so ähnlich) würde ich empfehlen.

Lg

Ja, doch!

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