Die Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, Teil 2: Deutschland in revolutionären Wirren

in #deutsch6 years ago (edited)

Die ist der zweite Teil meiner Serie über die Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts. Diesmal befassen wir uns mit der Vorgeschichte der Tat und den politischen Irrungen und Wirrungen zu Beginn der Weimarer Republik. Die anderen Teile sind, bzw. werden sein:

Die verschiedenen politischen Gruppierungen und Strömungen

Beginnen möchte ich hier mit einer kurzen Übersicht über alle wichtigen politischen Gruppierungen und Personen, die bei der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts eine Rolle spielten. Die politischen Strömungen nach dem Untergang des deutschen Kaiserreiches lassen sich grob in zwei konträre Richtungen aufteilen: die revolutionären und die konterrevolutionären Kräfte. Die einen wollten die Schaffung einer sozialistischen Republik durch die Revolution, die anderen die Erhaltung der militaristischen Grundstrukturen des vergangenen Regimes mit den schwachen Regeln einer Parteiendemokratie der Weimarer Verfassung.

Bei den Konterrevolutionären Kräften handelte es sich um den Zusammenschluss der MSPD (Mehrheits-Sozialdemokratische Partei Deutschlands) und den alten kaiserlichen Militärs. Führende Politiker bei der MSPD zu dieser Zeit waren Friedrich Ebert – ab 11.02.1919 Reichspräsident – und der dem 'rechten Rand' der Partei angehörende Volksbeauftragte Gustav Noske – ab Februar 1919 Reichswehrminister. Die Spitze der alten kaiserlichen Militärs bildete die Oberste Heeresleitung (OHL), führende Persönlichkeit innerhalb der OHL waren: Generalleutnant von Hofmann und General Walther Freiherr von Lüttwitz. Der OHL unterstanden mehrere Divisionen, eine tragende Rolle spielte die Garde-Kavallerie-Schützen-Division (GKSD) unter Leitung des 1. Generalstabsoffiziers Waldemar Pabst, der den Mord and Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht beschloss. Mehrere Soldaten und Offiziere führten diesen Mord aus; dabei übernahmen folgende Offiziere eine wesentliche Rolle: Hauptmann Horst von Pflugk-Harttung, einer der Mörder Liebknechts, und Leutnant zur See Hermann W. Souchon und Oberleutnant Kurt Vogel; einer der beiden war der Todesschütze Rosa Luxemburgs. Zum genauen Tathergang gibt es in späteren Teilen mehr.

Die revolutionären Kräfte entstanden, als sich die USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) aufgrund einer politischen Debatte über die Bewilligung weiterer Kriegskredite für den 1. Weltkrieg von der SPD, von da an MSPD, abspaltete. Die Mehrheit der SPD Mitglieder befürwortete diese Kredite, jedoch wehrte sich ein kleiner Kreis innerparteilicher Oppositioneller dagegen und aus diesem ging dann die USPD hervor. Der Spartakusbund formierte sich um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht und bildete den linken radikalen Flügel der USPD. Später spaltete man sich auch von diesen ab und gründete die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).

Revolutionäre Kräfte der frühen Weimarer Republik

Matrosenaufstand Demonstranten des Matrosenaufstandes, Bild Wikipedia

Während des ersten Weltkrieges waren Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht längere Zeit wegen Hochverrats inhaftiert, sie hatten Reden gegen die Regierung und den Krieg gehalten. Am 23. Oktober 1918 wurde Karl Liebknecht und am 9. November Rosa Luxemburg aus der Haft entlassen. Von da an hatten beide noch ungefähr zwei Monate zu leben und in diesen zwei Monaten überschlugen sich die Ereignisse. Die Novemberrevolution brach aus und scheiterte, die Spannungen und Differenzen zwischen den Spartakisten und den Konterrevolutionären nahmen drastisch zu. Es wurden immer wieder neue Revolutionsansätze von den Spartakisten und Putschversuche von den Militärs gestartet.

Republik Philipp Scheidemann ruft die Weimarer Republik aus, Bild Wikipedia

Am 24. Oktober 1918 endete der Flottenbefehl, sich der britischen Marine in einer Entscheidungsschlacht zu stellen, ob der aussichtslosen Lage in einer Meuterei der Matrosen. Die Matrosen erhielten weiter Unterstützung der Kieler Arbeiterschaft und es kam zu einem allgemeinen Aufstand, der in der reichsweiten Novemberrevolution mündete. Diese bedeutete das Ende der Monarchie und die neue Weimarer Republik wurde am 9. November 1918 gleich zweimal proklamiert, sowohl von MSPD Politker Philipp Scheidemann vom Balkon des Reichstag Gebäudes aus als auch etwa zwei Stunden später von Karl Liebknecht im Lustgarten des Berliner Stadtschlosses.

Erste Spannungen unter den Sozialdemokraten

Nach den Matrosenaufständen herrschte ein Gefühl der Einheit unter den beiden Strömungen der SPD. MSPD und USPD fühlten sich beide als Sieger über die alten militärischen Kräfte, man blickte gemeinsam in eine neue Zukunft, die es zu formen galt. Doch binnen kurzer Zeit traten Spannungen auf, die MSPD forderte eine parlamentarische Demokratie und näherte sich den alten militärischen Kräften an, die USPD aber forderte eine Räterepublik. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht kritisierten das Handeln der MSPD in ihren Artikeln in der Roten Fahne, dem Presseorgan des Spartakusbundes, scharf. Sie zeigten die Missstände und die Risiken des Bündnisses zwischen der MSPD und den alten militärischen Kräften auf. Luxemburg und Liebknecht forderten weitere revolutionäre Schritte, die Novemberrevolution sollte erst der Anfang einer proletarischen Revolution sein und nicht ein Wegbereiter für eine parlamentarische Demokratie unter Ebert und Scheidemann, den beiden Spitzenpolitikern der MSPD. Binnen eines Monats wandelte sich das Gefühl der Einheit zu tiefem Hass.

rote-fahne Zeitung des Spartakusbundes, Bild Wikipedia

Anfang Dezember prangten Plakate an Anschlagssäulen mit folgendem Wortlaut:

"Arbeiter, Bürger! Das Vaterland ist dem Untergang nahe. Rettet es! Es wird bedroht nicht von außen, sondern von innen: von der Spartakusgruppe. Schlagt ihre Führer tot! Tötet Liebknecht! Dann werdet ihr Frieden, Arbeit und Brot haben! Die Frontsoldaten!" (Haffner 1981, S.153)

Jedoch war die Unterschrift "Die Frontsoldaten" lediglich ein Pseudonym, die heimkehrenden Soldatentruppen hatten sich fast gänzlich aufgelöst (vgl. Hannover/Hannover-Drück 1967, S.23). Der Ursprung dieser Schriften geht zurück auf den Berliner Stadtkommandanten Wels. Sein Stellvertreter schrieb zwei Jahre später nieder, dass es das Ziel der Politik seines Amtes war, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu töten und sie an jedwedem politischen Handeln zu hindern (vgl. Haffner 1981, S.153). Somit planten die konterrevolutionären Militärs schon Anfang Dezember 1918 die Ermordung Luxemburgs und Liebknechts.

Der Putschversuch der Konterrevolution

Weil man die Stadt von den kommunistischen Kräften befreien wollte, zog General Groener nach geheimer Absprache mit Ebert – die MSPD zeigte sich den Vorstellungen der Obersten Heeresleitung "dem Räteunwesen ein Ende zu machen und die Ordnung in Berlin wiederherzustellen" (Hannover/Hannover-Drück 1967, S.23) sehr aufgeschlossen – die verbliebenen kaiserlichen Elitedivisionen, darunter auch die GKSD, in Berlin zusammen. Am 6. Dezember gab es einen Putschversuch der militärischen Kräfte, sie erklärten die Arbeiter- und Soldatenräte für abgesetzt und riefen Friedrich Ebert zum Präsidenten der Republik aus. Gleichzeitig wurde auch die Redaktion der Roten Fahne von einem Garderegiment gestürmt mit der Absicht Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu ermorden. Dabei wurden 16 Spartakusdemonstranten niedergeschossen, jedoch konnten die Soldaten Luxemburg und Liebknecht nicht finden. Letztendlich schlug der Putsch fehl, erhöhte aber die Spannung zwischen Revolutionären und Konterrevolutionären beträchtlich.

Vom 16. bis 21. Dezember berieten die Arbeiter- und Soldatenräte über die Machtübergabe der Judikative und Exekutive an die Volksbeauftragten der MSPD bis eine Nationalversammlung zusammentreten sollte. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden von diesem Kongress ausgeschlossen. Da die Mehrheit der Abgeordneten MSPD-Mitglieder waren, wurde der Antrag angenommen. Damit hatten die Arbeiter- und Soldatenräte sich selbst entmachtet. Es war also das, was einige Tage zuvor die Militärs gewaltsam versucht hatten, auf legalem Wege geschehen. Karl Liebknecht forderte daraufhin auf einer Massendemonstration die Auflösung der Regierung und die Entwaffnung der konterrevolutionären Kräfte (vgl. Hannover/Hannover-Drück 1967, S.24).

Das war der zweite Teil und die Fronten zwischen den revolutionären und konterrevolutionären Strömungen der jungen Republik verhärten sich weiter. Im nächsten, dritten Teil eskalieren die Spannungen zwischen Spartakisten und der Regierung in der Blutweihnacht und dem Spartakusaufstand. Wie immer gilt, Kommentare, Resteems und Upvotes sind natürlich gerne gesehen.

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Toll dass du die Geschichten hier teilst, freue mich schon auf die nächsten Teile.

Danke, ja der nächste Teil kommt in 2 bis 3 Tagen

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