Antisemitismus - Im Zweifel rechts

in #deutsch6 years ago (edited)

Antisemitismus - Im Zweifel rechts

Die Anne-Will-Sendung vom 27. Januar zum Thema Antisemitismus in Deutschland hat für reichlich Diskussionsstoff in Medien und sozialen Netzwerken gesorgt. Im Zentrum stand dabei Sawsan Cheblis Behauptung, 90 % aller antisemitischer Straftaten würden von Rechten verübt.

Sebastian Rollman hat im Artikel bei Philosophia Perennis [1] die Sendung wunderbar analysiert. Dringende Lese-Empfehlung!

Hier nur noch ein paar Bemerkungen von meiner Seite.

Die vom Innenministerium herausgegebene Studie "Antisemitismus in Deutschland – aktuelle Entwicklungen" [2] scheint Frau Chebli zunächst recht zu geben.

»Hinsichtlich der politischen Motivation antisemitischer Straftaten lässt sich sowohl bei den Straftaten generell wie auch bei den Gewalttaten ein klares Übergewicht »rechtsmotivierter politischer Kriminalität« erkennen. Straftaten aus anderen Motiven machen dagegen nur einen sehr kleinen, von Jahr zu Jahr allerdings variierenden Anteil von ca. zehn Prozent aus (siehe aber auch die oben formulierten Probleme in der Zuordnungspraxis)«

Doch einige Zeilen später muss selbst in dieser Studie verwundert festgestellt werden:

»Die für den zweiten UEA 2016 unter Juden in Deutschland durchgeführte Befragung zeigt jedoch ein anderes Bild. Gefragt »Was war das für eine Person oder Gruppe, von der die jeweilige Tat ausging?«, wird die Kategorie »eine muslimische Person/Gruppe« hinsichtlich aller drei angefragten Tatformen (versteckte Äußerungen, verbale Beleidigung/Belästigung, körperlicher Angriff) weitaus am häufigsten genannt, gefolgt von »mir unbekannte Person«, erst dann folgen in gleicher Quantität linksextreme und rechtsextreme Personen/Gruppen. Für diese Differenz zwischen der in der PMK vorgenommenen Zuordnung der erfassten Straftaten und der Wahrnehmung seitens der Betroffenen gibt es derzeit keine plausible Erklärung.«

Laut Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus »(...) wurden [besonders häufig] muslimische Personen als Täter angegeben: 48 Prozent der versteckten Andeutungen, 62 Prozent der Beleidigungen und 81 Prozent der körperlichen Angriffe gingen nach dieser Einschätzung von muslimischen Personen aus.« [3]

Der Bericht gibt gleich ein Indiz darauf, warum die Angaben aus den Umfragen und den Kriminalstatistiken so weit auseinander gehen: »Fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten werden grundsätzlich immer dann dem Phänomenbereich PMK-Rechts zugeordnet, wenn keine weiteren Spezifika erkennbar sind (z. B. nur der Schriftzug »Juden raus«) und zu denen keine Tatverdächtigen bekannt geworden sind.« Sprich, im Zweifel rechts.

Hier noch ein Beispiel für eigenwillige Einordnungen aus der Studie des Innenministeriums:

»Den Straftaten im Unterthemenfeld »Israel-Palästinenser-Konflikt« (Abb. 3.4) wird nur jeweils zu einem Teil eine antisemitische Motivation zugeschrieben.«
Die anderen Straftaten werden wohl dem Motiv "legitime Israel-Kritik" zugeordnet.

[1] https://philosophia-perennis.com/2018/01/29/anne-will-chebli/
[2] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/2017/expertenbericht-antisemitismus-in-deutschland.pdf?__blob=publicationFile
[3] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/119/1811970.pdf

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Stimmt, hätte ich eigentlich in die Quellen mit aufnehmen können.

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