Ich habe ja nichts zu verbergen!

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Eigentliche halte ich mich bei politischen Themen ja sehr zurück hier, da meine Ansichten komplex sind und ich nicht in irgend eine Schublade gesteckt werden möchte. Damit ist hier eben niemanden wirklich geholfen und es gibt sicherlich auch bessere Leute hier auf der Plattform um sich über politische Themen auszutauschen.

Dennoch muss ich nun aber einmal etwas loslassen, wo mir wirklich die Galle hochkommt. Die Justizminister unserer Ländern fordern nun ein, dass Strafverfolger ein „Betretungsrecht“ erhalten sollen. Dies ist eine sehr freundliche Formulierung für staatlichen Hausfriedensbruch. Die Kern Idee ist, dass sich Behörden Zugriff in Wohnungen verschaffen dürfen, um dort im Rahmen der bereits ermöglichten Maßnahmen des „Großen Lauschangriffs“ oder eben auch über jene Maßnahmen rund um den Staatstrojaner Zugriff auf die Elektronik eines Verdächtigen zu verschaffen, um diesen dann gezielter Überwachen zu können.

Dies ergänzt sich wunderbar mit dem bereits im letzten Jahr beschlossene Quellen-Telekommunikationsüberwachung einher geht mit der man bereits die heimliche „Online-Durchsuchung“ ins Gesetz gegossen hat und es staatliche Behörden damit erlaubt legal zu „hacken“. Zu dem Zeitpunkt schmunzelten viele Leute noch und athestierten der Bundesregierung eine enorme Unwissenheit in dem Thema. Dies scheint man nun auch einzusehen und schafft sich damit direkten Zugang. Dabei gilt festzuhalten, dass aus Hackersicht der physikalische Zugriff auf ein System als einer der problematischsten überhaupt gilt, wenn es um eine Abwehr von Gefahren geht.

Ferner noch gehen sowohl Bayern als auch nun Niedersachsen noch weiter und wollen Spähsoftware auch bei „drohender Gefahr“ präventiv nutzen dürfen. D.h. noch bevor eine Person eine Straftat begangen hat, soll man Spähsoftware installieren dürfen um einen „Fernzugriff“ auf Festplatten zu realisieren.

Soweit also als kurze Einleitung zu dem, was man gerade wieder versucht durch die öffentliche Diskussion zu peitschen, während gefühlt die Hälfte der Bevölkerung sabbernd mit nem Bier vor dem TV hängt um sich irgend einen Sport in Russland anzusehen.

Der Artikel 13, Absatz 1 des Grundgesetztes besagt (wir lesen gemeinsam):
„Die Wohnung ist unverletzlich.“
Ich danke den Gründervätern der Bundesrepublik für ihre Fähigkeit mit sehr wenig Worten sehr präzise zu werden. Kein Gericht, kein Jurist oder irgend jemand sonst der nicht in einer staatfürsorglichen Obut gehört, wird hier benötigt um die Intention hinter diesem Satz zu verstehen. Und wir behalten im Hinterkopf, dass dies im Artikel 13 ist und damit in dem Teil des Grundgesetzes der als besonders schützenswert angesehen wird.

Wir lesen weiter... Artikel 13, Absatz 2:
„Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.“
Ein Richter kann die Durchsuchung einer Wohnung anordnet. Und keine Strafverfolgungsbehörde, sondern ein Richter. Dies hat einen guten Grund, wieso man dies so handhabt. Die Exekutive neigt nämlich oft dazu ihre Aufgaben zu weit zu stecken und Befugnisse auszubauen. Es hat sich daher im Laufe des 18. Jahrhunderts in modernen Staaten etabliert, dass es eine unabhängige (!) Judikative gibt, die über eben diese Exekutive wachen und korrigierend eingreifen kann. Eine solche Korrektur kann nur dann erfolgen, wenn diese auch umgehend darüber in Kenntnis gesetzt wird. Dies ist bei der aktuellen Gesetzesvorlage NICHT der Fall.
Ferner darf eine Ausnahme nur erfolgen, wenn „Gefahr im Verzug“ besteht. Hierunter wird verstanden, dass eine Gefahr abgewendet werden soll bei der es bei weiterer Verzögerung zu einem Schaden der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eintritt. Also der Verdächtige hat Kenntnis über seine Erfolgung erlangt und beginnt Beweise zu vernichten. Hier steht nichts von präventiver, eigenständiger Aufnahme von Ermittelungen!

Artikel 13, Absatz 3:
„Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden. „
Dies sind die Maßnahmen der 90er Jahre bei denen der großer Lauschangriff bereits durchgepeitscht wurde. Man stellt fest, dass hier eine technische Überwachung nur dann erfolgen darf, wenn andere Rechtsmittel bereits ausgenutzt sind. Wir stellen auch fest, dass man diesen Eingriff als so schwerwiegend anssah, dass man nicht einen, sondern gleich 3 (!) Richter mit einer entsprechenden Anordnung beauftragte!

Nun aber will man eigenständige und präventive Ermittelungen seitens der Exekutive zulassen um teilweise nicht näher spezifizierte technische Maßnahmen durchzuführen. Gegen die der Betroffene anschließend nicht einmal mehr Rechtsmittel einlegen kann, weil die Arbeitsweise als „geheim“ eingestuft wird. Applaus Der Große Bruder wäre absolut begeistert.

Nein, meine lieben Herren Justiz und Innenminister. Was ihr dort fordert ist nicht anders einzustufen als angedrohter und öffentlicher Aufruf zur Abschaffung der demokratischen, freiheitlichen Grundordnung dieser Bundesstaates. Der Einbruch und die Durchsuchung der Wohnung ohne Rechtsbeistand oder Information des Betroffenen ist eine Maßnahme, die es nur in Unrechtsstaaten gibt. Diese Mentalität hat die STASI in Ostdeutschland an den Tag gelegt und auch die Gestapo.

Betrachten wir also einmal näher, woher diese Idee des Wohnungsschutzes eigentlich kommt. Erstmals wurde die Unversehrtheit der Wohnung in Deutschland im §140 der Paulskirchenverfassung 1849 garantiert und drohte auf eine belgische Idee aus dem Jahr 1831. Eine Hausdurchsuchung wurde als schweren Eingriff in bürgerliche Rechte eingesehen und durfte daher nur unter sehr engen Vorraussetzungen durchgeführt werden.

Die Grundidee dahinter ist, dass bis dato gerne Oppositionelle und Kritiker von Staaten mundtod gemacht wurden in dem man schlichtweg ihnen Beweise unterschob. Schnell nochmal ein paar Objekte positionieren, eine „öffentliche Durchsuchung“ durch den Mob und der Prozess war bereits so gut wie gelaufen. Aus diesem Grund versuchte man dafür zu sorgen, dass sowohl der Betroffene als auch seine Vertretung bei einer Durchsuchung anwesend sein müssen und nach strengen Vorgaben eine Kontrolle erfolgte, damit Verstöße dokumentiert und ggf. angefochten werden können.

Auf diese Weise versuchte man Kritiken zu begegnen, dass es staatliche Willkür geben würde. Dadurch das man eben versuchte von beiden Seiten der Parteien Menschen zu involvieren sollte eine unabhängig der Gerichtsbarkeit gewährleistet werden. Somit sollte das Vertrauen der Bevölkerung gestärkt werden. Dies ist z.B. auch der Grund, wieso wir uns in Deutschland auch immer noch Schöffengerichte leisten um sicher zu stellen, dass auch wirklich im Namen des Volkes gesprochen wird und sich nicht ein kleiner elitärer Zirkel über Recht und Ordnung wacht.

Wer nun also genau diese Rechtsordnung versucht abzuschaffen, wird damit sorgen, dass der Glaube in eine Unabhängigkeit ins Wanken gerät. Es wird gar keine Rolle mehr spielen, ob der Verdächtige nun schuldig ist oder nicht. Es reicht, wenn er behauptet, dass ihm etwas untergeschoben wurde, damit ein Teil der Bevölkerung es ihm glauben wird und zunehmend die Gerichtbarkeit in Frage stellen wird.

Und spätestens dann, wenn der erste Fall bekannt wird über dem über eine dubiose Netzquelle jemanden per „Fernzugriff“ nachweißlich pornografisches Material zweifelhaften Rechtsstatus aufgespielt wird, bricht das ganze System wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Man wird die Urteile nicht mehr voneinander unterscheiden können und es geht nicht mehr darum die wirklichen Täter zu fassen.

Aus genau diesen Grund hat man die Gesetze in unserer Verfassung so eng gesteckt, damit der Staat nie in eine solche Zwickmühle begibt. Gerade in einer immer technologisch anspruchsvolleren Gesellschaft in der die meisten Menschen gar nicht mehr verstehen, wie eine Beweissicherung überhaupt durchgeführt wird, müsste man als Gesellschaft alles menschenmögliche tun um das Vertrauen zu schärfen. Noch strengere Verfahren, noch engere Richtlinien, noch mehr Experten aus allen Kreisen, die athestieren, dass alles Ordnungsgemäß durchgeführt wurde und ein Täter auch wirklich schuldig ist!

Doch hier wird nicht für Sicherheit gesorgt, sondern es wird ganz massiv an den Grundfesten unserer Demokratie gesägt. Ob dies aus schier unendlicher Dummheit oder tatsächlich einer Verfassungsfeindlichkeit heraus geschieht, vermag ich nicht zu sagen. In jedem Fall sollte jeder Politiker der solche Forderungen stellt und mit Blut erkämpfte Schutzmaßnahmen der Demokratie ausholt mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt werden und umgehend unter Aufsicht des Verfassungsschutzes gestellt werden.

Ferner noch würde ich sie persönlich regresspflichtig nehmen für jeden nachweislich Unschuldigen, der auf Grund dieser Maßnahmen zu Schaden kommt. Den eine Durchsuchung der Wohnung kann bereits bei einem Unschuldigen das Leben zerstören, wenn das Umfeld nur beginnt zu tuscheln, weswegen diese den wohl erst dagewesen sind.

Und wie förderlich wird es wohl für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt sein, wenn die Nachbarn sehen, dass plötzlich die Polizei in der Abwesenheit einer Person an der Wohnung zu schaffen macht. Was wenn diese Person dies der anderen mitteilt? Vielleicht werden dann wirklich Beweise vernichtet. Vielleicht wird die Person aber auch nur den Alptraum ihres Lebens durchleben. Wie passend, dass ausgerechnet der Vorstoß sich auch noch um eine Neuregelung des PsychG beschäftigt und etwaige „Gefährder“ gemeldet werden sollen.

Das ist keine verantwortungsvolle Politik, dies ist sozialer Vandalismus der schlimmsten Form, der am Ende mehr Schaden anrichten wird als man durch diesen lösen wird. Wem also wirklich etwas an einer demokratischen Grundordnung liegt, sollte wirklich sich das Thema sehr zu Herzen nehmen und den Druck auf die Unterstützer dieser Initiative steigern. Dies sind wir all jenen Leuten schuldig, die sich diese Rechte früher erkauften unter Einsatz ihres Lebens. Achtet also darauf, wenn es im Sommer Demos gibt und macht den Mitgliedern des Bundes klar, dass ihr auf absehbare Zeit niemanden wählen werdet, der einem solchen Entwurf zustimmt... und dies ggf. auch präventiv gleich für die ganze Partei gilt, die sich nicht klar dagegen positioniert.

So genug polemische Aufregung über Menschen, die wir viel zu sehr bereits in unser Leben lassen und sich mit antiquierten, weltfremden Gedankenkonstrukten befassen. Lasst es nicht erst soweit kommen wie bei 1984, dass ihr billigend in Kauf nimmt, wenn Euer neuer Nachbar wieder einmal „vaporisiert“ wird. Dies darf keine Gleichgültigkeit werden, den nimmt man uns die Möglichkeit dies zu kontrollieren, ist es bereits viel zu spät!

Aktiven Widerstand leistet man gegen so etwas in dem man die Diskussion in die Gesellschaft hinein trägt und den Menschen klar macht, wieso es so gefährlich ist und die Argumente der Gegenseite pseudohaft sind. Man erreicht dieses Ziel nicht, wenn man "über die da oben!" lamentiert und pauschal anprangert. Damit unterstützt man sie noch ungewollt!

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Vielen Dank für Deine klaren Äußerungen.
Allen Sprücheklopfern sei zur Kenntnis gegeben: Ich habe etwas zu verbergen. Und wenn es nur die Weihnachtsgeschenke sind.

Ja, in der Tat! Das Argument ist so gesehen schon so oft zerrupft worden und auf so vielen Ebenen dämlich, dass man sich wundern muss, es doch immer noch wieder zu hören. Besonders perfide das "Transparenz"-Argument, was man auch oft hört. Die Forderung muss sein "Transparenter Staat, nicht transparente Bürger!". Hätte der sich in den letzten Jahren aber so den technischen Möglichkeiten angepasst, wie das was er vom Bürger erwartet, wir wären schon ein guten Schritt weiter.

Was solls! Müssen wir es lang genug wiederholen bis es wirklich jedem Kopf erreicht! ;)

Danke, dass du dir die Arbeit mit dem Beitrag gemacht hast, aber ich denke, dass die breite Masse diese Informationen dann doch über die Öffentlich-Rechtlichen erhalten wird.

(War'n Scherz.)

ps: Alter Schwede, das ist echt 1:1 das Aufleben der Stasi.

Keine Ursache. Auch wenn wir über die Organisation des Staates in wirtschaftlicher Sicht unterschiedliche Meinungen haben sollten, für die gesellschaftliche Ordnung sind wir klar auf der gleichen Seite. Jeder Staat der dies Grundrechte der Menschen mit den Füssen getreten hat, ist auf Dauer klar gescheitert.

Was die Informationspolitik angeht, glaube ich nicht an Massenmedien. Es ist dort ein Kampf um die Köpfe die man führen muss. Den jeder Freund und Bekannte wird gerade von uns als Individuum gekannt und wir können für ihn auf sein Wissen und Kenntnisstand zugeschnitten die Problematik erklären. Da muss man sich auch als Studierter mal herablassen dem Hauptschüler mit einem "Ey alter krass!" entgegen kommen ;)

Und ja, der Stasi-Vergleich ist nicht soweit her geholt. Vielleicht sollte man viel häufiger mal den Mielke abspielen im Bundestag... Wenn man Dinge lang genug wiederholt, muss es irgendwann ja auch dort eine Wirkung entfalten ;)

Danke!
Gerne öfter.

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