Der dramatische Anstieg psychischer Erkrankungen / The dramatic increase in mental illnesses

in Deutsch Unpluggedlast year

english below...

Ich stolperte die Tage über einen Bericht im "Ärzteblatt", der auf den aktuellen Psychoreport der DAK zurückgeht. In dieser turnusmäßig veröffentlichten Erhebung wird der Anteil psychischer Erkrankungen an den Krankschreibungen der gesetzlich versicherten Arbeitnehmer ausgewiesen.

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https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/141222/Arbeitsausfall-durch-psychische-Erkrankungen-steigt-auf-neuen-Hoechststand

Es ist schon länger bekannt, daß diese Erkrankungen, die eben nicht durch ein klinisches Verletzungsbild oder organische Auffälligkeiten, nicht durch bedenkliche Blutwerte oder andere Laborbefunde, sondern schlicht durch innerlich empfundene oder auch nach außen offensichtliche Probleme mit der Bewältigung des alltäglichen Lebens zutage treten. Ich sage bekannt, dabei meine ich eher: es handelt sich um einen gefühlten Eindruck, der gerne relativiert wurde durch Argumente wie: erst nach und nach werden Psychosomatik und psychologische Störungen von der Medizin ernst genommen, sie gelten weithin als Tabu-Themen und werden möglichst verschwiegen, die Hemmschwelle, sich Hilfe zu suchen, wäre oft zu groß... Und alle diese Aussagen dürften den Tatsachen entsprechen. Dennoch ist der ermittelte Anstieg der psychischen Erkrankungen nicht allein der Zunahme der tatsächlichen Inanspruchnahme von Behandlungen geschuldet. Auch nicht der steten Erweiterung des Katalogs der anerkannten psychischen Erkrankungen.

Nein, da gibt es einen realen Anstieg der Fallzahlen, der nicht mit diesen statistischen und formellen Erklärungen abgetan werden kann.

Nicht nur, daß sich laut dem oben erwähnten Report die Anzahl und Länge der Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen (und damit ist kein starker Liebeskummer oder unbewältigte Trauer gemeint, sondern ernsthafte und manifestierte Störungen!) über die letzten Jahre signifikant steigert. Dazu kommen nämlich noch die Menschen, die in vorgenannter Statistik gar nicht mehr auftauchen (Krankschreibungen mit Arbeitsausfalltagen), weil sie bereits wegen psychiatrischer Diagnosen in die frühe Erwerbsunfähigkeit ausgestiegen sind. Tendenz auch hier: extrem ansteigend. Das "Ärzteblatt" berichtete schon früher auch hierüber:

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https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/129540/Immer-mehr-Menschen-wegen-psychischer-Krankheiten-erwerbsunfaehig

Wenn man sich international umschaut, erkennt man schnell die Übereinstimmung dieses Trends weltweit. In Deutschland gehen wir den Pfad mit wehenden Fahnen voran, aber das schreibe ich tatsächlich der Art und Weise der Erfassung zu. Allgemein konstatiere ich einfach 'mal, daß die Menschen psychisch immer anfälliger, labiler und gestörter zu werden scheinen. Wer von uns mag das bei genauer Betrachtung der Umwelt, der Nachrichten, des Weltgeschehens, des eigenen Bekanntenkreises und der persönlichen Befindlichkeit noch abstreiten?

Man könnte nun meinen: Problem erkannt, Problem gebannt. Weit gefehlt. Kein Mensch, keine Studie, keine Forschergruppe fragt ernsthaft nach den komplexen Ursachen für dieses Phänomen. Es wird mit Schlagworten wie Erhöhung des Behandlungsangebots, Akzeptanzschulung, niedrigschwellige Hilfen, Achtsamkeitsgebot etc. nur so um sich geworfen. Was wiederum ein Herumdoktern an oberflächlichen Symptomen bedeutet, aber keine Heilung und schon gar nicht Beseitigung der Gründe für unsere allgemeine "Syndromisierung"...

Kann es sein, also nur ganz eventuell, daß die neuen gesellschaftlichen Wege, die so vollmundig präsentiert und propagiert werden, eben nicht mit den menschlichen Bedürfnissen übereinstimmen? Daß die Individuen, die doch in ihrer Gesamtheit die Gesellschaft ausmachen, als deren Grundbausteine unter der übergestülpten Last zusammenbrechen - weil es eben wirklich nicht um sie geht, sondern um ein abstraktes Gebilde, das dem Menschen Individualität, Freiraum, Selbstgenügsamkeit, Eigenliebe etc. abspricht?
...

Das Pandemie-Management, die Summe der verhängten Maßnahmen in den meisten Ländern, hat sich als starker Treiber dieses Schubs an psychischen Neuerkrankungen erwiesen. Wie viele Beweise braucht es noch, um kurz inne zu halten und über die allgemeine politische, wirtschaftliche und soziale Ausrichtung noch einmal nachzudenken? Wenn uns das nicht gelingt, wird in ein paar Jahren nur noch ein immer größeres Elend verwaltet.

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english version:

The other day I stumbled across a report in the "Ärzteblatt", which is based on the current Psychoreport of the DAK. In this survey, which is published on a regular basis, the share of mental illnesses in the sick leave of employees with statutory health insurance is shown.

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https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/141222/Arbeitsausfall-durch-psychische-Erkrankungen-steigt-auf-neuen-Hoechststand

It has been known for a long time that these illnesses, which are not caused by a clinical injury or organic abnormalities, not by alarming blood values or other laboratory findings, but simply by problems with coping with everyday life that are felt inwardly or are also obvious to the outside world. I say known, by which I rather mean: it is a felt impression, which was gladly put into perspective by arguments such as: psychosomatics and psychological disorders are only gradually being taken seriously by medicine, they are widely regarded as taboo subjects and are kept quiet as far as possible, the inhibition threshold to seek help would often be too high... And all these statements are likely to correspond to the facts. Nevertheless, the identified increase in mental illnesses is not solely due to the increase in the actual use of treatment. Nor is it due to the constant expansion of the catalogue of recognised mental illnesses.

No, there is a real increase in the number of cases that cannot be dismissed with these statistical and formal explanations.

Not only that, according to the above-mentioned report, the number and length of sick leaves due to mental illnesses (and this does not mean severe lovesickness or unresolved grief, but serious and manifested disorders) has increased significantly over the last few years. In addition, there are people who no longer appear in the above statistics (sick leave with days of absence from work) because they have already left the labour market early due to psychiatric diagnoses. Here, too, the trend is extremely upward. The "Ärzteblatt" reported on this earlier:

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https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/129540/Immer-mehr-Menschen-wegen-psychischer-Krankheiten-erwerbsunfaehig

If you look around internationally, you can quickly see the consistency of this trend worldwide. In Germany, we are leading the way with waving flags, but I actually attribute that to the way we record it. In general, I simply state that people seem to be becoming more and more psychologically vulnerable, unstable and disturbed. Who of us can deny this when we take a closer look at the environment, the news, world events, our own circle of acquaintances and our personal state of mind?

One might think: problem recognised, problem solved. Far from it. No one, no study, no research group is seriously asking about the complex causes of this phenomenon. Catchwords such as increasing the number of treatments, acceptance training, low-threshold support, the need for mindfulness, etc. are just thrown around. Which in turn means treating superficial symptoms, but not a cure and certainly not eliminating the reasons for our general "syndromeisation"....

Can it be, just possibly, that the new social paths, which are presented and propagated in such a grandiose way, do not correspond to human needs? That the individuals, who in their totality make up society, as its basic building blocks, are collapsing under the imposed burden - because it is really not about them, but about an abstract structure that denies people individuality, freedom, self-sufficiency, self-love, etc.?
...

Pandemic management, the sum of the measures imposed in most countries, has proved to be a strong driver of this surge in new mental illnesses. How much more evidence do we need to stop for a moment and think again about the general political, economic and social direction? If we fail to do so, in a few years we will only be managing ever greater misery.

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 last year (edited)

Wenn eine auf Konkurrenz und Gewinn orientierte Gesellschaft immer mehr Arbeit auf immer weniger Buckel lädt, muss sich niemand wundern, dass Menschen mit Überlastung reagieren.

Das Schlimmste daran: Ihre Kinder müssen die Suppe auslöffeln. Ich rede dabei nicht alleine vom Erbe der Staatsschulden, leeren Rentenkassen, sinkender Kaufkraft und Klimachaos. Die Kinder bezahlen es bereits mit Leid von kaputten Familien bis hin zu steigender Gewalt. Die Pandemie hat in der Hinsicht wie ein Turbolader gewirkt auf einem Plan des radikalen Sparens am falschen Ende. Man muss nur in Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Altenheime schauen, um deutlich zu erkennen, wie eine verelendende Gesellschaft Stück für Stück auseinanderfällt.

 last year 

Siehst Du noch eine Möglichkeit, das aufzufangen und gerade zu biegen...? Ich war immer der Meinung, daß es gezielter Veränderungen bedarf, und dann läuft es wieder rund. Mittlerweile denke ich, wir haben den Point of no Return schon hinter uns...

Abschaffung des Sozialstaates mit allem was dazu gehört - und Reduktion des Staatsapparates um mindestens 90%

 last year 

Problemen, die über Jahrhunderte stetig akkumulierten, kommst du nicht mit einer genialen Idee bei. Bedenke, dass auf dem von dir geschilderten Elend eine mächtige Clique ganz prächtig und völlig sinnfrei aus dem Vollen schöpft.

Mit den irrationalen Forderungen des einen Prozent aus Wirtschaftsgewinnlern und den 49% von ihnen existentiell abhängigen Lakaien, die auch jede menschenfeindliche Forderung des reaktionären Systems in die von ihnen verwunde Welt hinaus posaunen, werden die ungerechten Verhältnisse weiter gefestigt.

Du fragst nach Heilung und die Egomanen antworten mit Mittlen, die zu noch größerem Leid führen. Eine Frau fordert sogar hier im Thread den Abbau von Sozialstaat und die radikale Reduktion der Verwaltung. Weitere Verelendung der Chancenlosen und noch weniger Kontrolle obskurer Geschäftspraktiken ist ihr erklärtes Ziel.

Liebe Rabenfrau, ich kann nur erkennen, was ist. Die Aktien der Rüstungsindustrie steigen, wenn genug Menschen sich bekriegen. Die Aktieninhaber finden, dass es zu viele Menschen gibt und dass die Welt deshalb mit jeder tödlichen Katastrophe besser dasteht.

Ich kann erkennen, woher das teuflische Denken kommt. Ich kann auch erkennen, wie die Besitzstandsbewahrer dementsprechend agieren. Ich kann aber wahrlich nicht wissen wie man es anstellt, diesen Egomanen all die Vermögen zu entreißen, die sie durch die düsteren Jahrhunderte des offenen Unrechts angehäuft haben.

Ich vertraue darauf, dass Karl Marx die Zukunft des Kapitalismus richtig gesehen hat. Fleißig und wissenschaftlich genug hat er ja gearbeitet. Dann wird die Menschheit sehen, wie und ob es weiter geht. Planen kannst du sowas nicht.

 last year 

We live in turbulent times. Many events happen every day, we consume a lot of information. Everything is happening in a completely different way than it has been throughout the history of mankind. Now everything is very concentrated. It is not surprising that the human psyche cannot cope with this.

Ich habe 5 Jahre in eine psychiatrische Klinik, gearbeitet, unter anderem auch in der Patientenaufnahme. Was ich da beobachtet habe, einige stationär da waren, um die Erwerbsunfähigkeitsrente durchzubekommen.
Grund, Depressionen, Antriebslosigkeit usw...

Kein Mensch, keine Studie, keine Forschergruppe fragt ernsthaft nach den komplexen Ursachen für dieses Phänomen...

Warum auch, sind doch die Scheinintellektuellen und Kleptokraten, die Apparatschkis und Taugenichtse die Profiteure des von ihnen verursachten Leids.

Während die einen ums Überleben kämpfen pressen die Sozialisten und das faschistische Staatsgebilde die Masse aus, ja mehr noch spritzt sie wenn es sein muss sogar zu Tode.

Man schaue sich nur an was der Verbrecherstaat mit seiner Räuberbande mit den Kindern und Jugendlichen anstellt.

Irre ...

 last year 

Gute Güte , jaja , hihi , davon ist schon öfters die Rede gewesen , also in der nicht nur näheren Vergangenheit , dass #LONGCOVID auch erhebliche psychische Folgen haben kann , kommt das auch irgendwo vor ??

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 last year 

Ja, tatsächlich sind verschiedene Persönlichkeitsveränderungen in der Besprechung. Insgesamt wäre eine viel gründlichere und umfassende Analyse nötig, welche Umstände zu welchen Störungen führen. Aber... Weißt schon.

 last year 

Puha , jaja , scheint als wäre "alles" nicht mehr so wichtig , und was !man früher wusste völlig falsch ?

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 last year 

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