Individualismus und Heuchelei

in #deutsch6 years ago (edited)

Die Globalisierung der Welt bringt Vor- und Nachteile. Für die Menschen ist es ein Kampf um ihre Individualität, da es so viele Menschen auf diesem Planeten gibt und diese Erkenntnis anscheinend allmählich in die Köpfe sickert. Um nicht im Sumpf der Masse unterzugehen, nehmen Menschen somit Meinungen, Haltungen und Lebensstile an. Sie werden vegan, entdecken eine Intoleranz oder Allergie gegen Gluten, Laktose, Fruktose oder anderes und entschließen sich, zu artgerechter Haltung, fairer Bezahlung in Entwicklungsländern, ökologischer Lebensweise, Geldverschwendung in Großprojekten, politischen Richtungen, ungerechter Behandlung der Geschlechter und Diversität innerhalb der Geschlechter Stellung zu beziehen. Wenn man das nicht tut, gilt man schnell als langweilig, wird komisch angesehen und/oder ignoriert. 

Gleichzeitig werden die Positionen immer krasser. Es reicht nicht nur, dass man keine Milch verträgt, nein, man braucht einen Mix. Je extremer, desto besser. Die Menschen haben das Gefühl, ihrem Leben mit diesen Begriffen mehr Tiefe zu geben und sich interessanter zu machen. Sie wollen als gute, anständige Menschen gelten und verfolgen Ökologie und Tierschutz, unterstützen soziale Einrichtungen und Tierheime.

Hier wird jedoch instrumentalisiert. Begriffe wie "Veganismus" oder "Gluten-/Laktose-Intoleranz" nehmen immer mehr Menschen in den Mund, und obgleich es gut ist, dass sie darauf aufmerksam geworden sind und durch ihre Stimme auch wieder und weiter darauf aufmerksam machen, werden die Worte hohl. Die Probleme mancher Menschen sind psychosomatischer Natur, also eigentlich eingebildet und dennoch gibt es Symptome, als hätte man die Krankheit; anderer Menschen Probleme sind echt. Zugegeben, das ist nur eine Behauptung meinerseits, und ich stelle sie gern zur Diskussion. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Menschen, deren Probleme "nur" psychosomatisch sind, den Menschen, deren Probleme real sind, zu einem gewissen Grad auch die Medikation erschweren. Auch zu diesem Zweck sind Placebos sicher vorteilhaft. Aber ich schweife ab.

Neuerdings scheinen immer mehr Menschen nach der Maxime "Fordere veganes Essen, fordere Bio-Kleidung, fordere faire Herstellung und fairen Anbau, dann bist du ein guter Mensch" zu leben. Ich fände es schöner, wenn die Menschen das auch meinen und nicht nur sagen würden. Unser Planet hat Probleme und die sollten wir langsam mal angehen. Dafür muss am besten jeder mit anpacken und da bilden Kleinigkeiten wie der Konsum von regionalen Lebensmitteln die Grundlage, denn jeder Schritt in diese ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Macht des Einzelnen wird hier unterschätzt und gleichzeitig droht, dass man nicht ernst genommen wird, weil die Menschen ihr Interesse an diesen Dingen unter Umständen nur heucheln, damit sie sich besser darstellen können. Der Lebensstil, der fair, regional und bio ist, wird zu einer Religion stilisiert und das finde ich gefährlich. Das sieht man auch daran, dass Erwachsene ihre Kinder teilweise vegan ernähren, was schlichtweg nicht gut für die Entwicklung ist. Als Erwachsener kann man diese Entscheidung gern für sich treffen, aber sie für kleine Lebewesen, die einen ganz anderen Stoffwechsel haben und die Nährstoffe von tierischen Produkten brauchen, zu treffen, ist falsch.

Gegenüber einem Freund formulierte ich folgendes (und leider finde ich keinen guten Übergang, es einzubinden, deshalb jetzt mal so; ist das vielleicht ein TL;DR?): Durch die Globalisierung können sich Menschen, Gruppen, Nationen miteinander vergleichen und um im Einheitsbrei nicht unterzugehen, will man etwas Besonderes sein und macht eben eine Paleo-Diät, ernährt sich low oder high carb, kauft regional, kauft fair und bio, setzt sich für Menschenrechte und gerechte Bezahlung in Südostasien ein. Die Gesellschaft wandelt sich, ja. Aber daran können wir nichts ändern. Das hat auch nichts mit "älter werden" per se zu tun. Es ist nur so, dass die Welt sich permanent ändert und wir einfach durch das Internet ganz vorn dabei sind.

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.

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Schöner Artikel und ein super Ansatz. Die Globalisierung weckt den Wunsch nach Individualisierung. Ich sehe es auch als wichtig an, dass jeder Mensch sich selbst wahrnimmt - als Individuum, als jemand, der etwas bewirken kann. Allergien, Ernährungs"religionen" und andere "Klassifizierungen" erschaffen aber noch keine Identität. Wir Menschen haben so viele Möglichkeiten, uns als wirksam zu erfahren - wir nehmen diese nur sehr selten wahr.

Wer bist du - im Sinne der "alten Griechen" als "Erkenne dich selbst" - fragt heute kaum einer. Es geht eher um "materielle Dinge" wie "Was machst du beruflich? Hast du Familie? Wohin geht's in den Urlaub?...

Natürlich hat mein Lebensumfeld direkt mit mir zu tun - aber das Interesse am Menschen hinter seiner "Rolle" ist nicht sehr groß. Da kann ich mich mit einer Allergie, einer besonderen Ernährungsform o.ä. ganz einfach von anderen "absetzen". Ich habe selbst Allergien, und war eine Zeit lang sehr ökologisch-ideologisch unterwegs. Ist alles ok - nur muss ich mich selbst nicht darüber "definieren". Heute bin ich alt und weise haha und mache immer mein Ding - dies fördert meine Identitätsfindung und weckt Gelassenheit für die Globalisierung. ;-)

Wandel und Veränderung beginnen in mir selbst...
ein Dankeschön an @taldor für den Resteem, sonst hätte ich hier gar nicht gelesen ;-)

Vielen Dank für deinen Kommentar! Es freut mich, dass ich scheinbar nicht die einzige bin, die so denkt.
Ich lade dich gern ein, auch in Zukunft meine Beiträge zu lesen. Vielleicht ist noch einmal etwas für dich dabei (:

Gerne doch - du hast ja einen kurzen ausgefallenen Namen wie ich, das merkt sich gut ;-) Und das follow hatte ich ja bereits "gedrückt".

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