In Gedenken

in #deutsch6 years ago

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Kurzer Rückblick zur Geschichte meines Opas.

Mein Opa, der war mein Fels in der Brandung, mein bester Freund und mein großes Vorbild. Es gab nichts auf dieser Welt, was mein Opa nicht konnte und auf ihn war immer Verlass.

Wir lebten damals alle zusammen in einem Mehrgenerationenhaus (so wie es schon seit den frühen 1920er Jahren üblich war). Es funktionierte gut, mein Opa hatte uns ein wahres Paradies geschaffen und wir lebten auf dem schönsten Fleckchen Erde, das es nördlich des Nord-Ostsee Kanals gab.

Mein Opa war ein Macher, der Unverwundbare. Bis zum Sommer 2012. Er erzählte mir, dass er Schmerzen in der Rippengegend hätte, das er nachts schwitzen würde, kaum schlafen könnte und schwerer Luft bekommt.
Für mich als Arzthelferin war das ein kleines Alarmzeichen.

Wir schickten ihn zu mehreren Untersuchungen mit dem Ergebnis Lungenkrebs.

Mein Opa war doch verwundbar. Er hatte in seiner beruflichen Laufbahn viel mit Asbest gearbeitet. Dies hatte sich tief in seinen Lungen angesammelt und dafür gesorgt, dass die Lungenbläschen verklebten und ein Tumor entstehen konnte.

Ich war am Boden zerstört und die ganze Familie befand sich wochenlang in Schockstarre. Die vielen Untersuchungen und die Chemotherapie machte meinen Opa zu einem anderen Menschen. Nicht weniger liebenswürdig aber anders.
Ich werde euch nicht mit dem weiteren Verlauf der Erkrankung langweilen, denn jeder weiß, wie das Leben eines Krebskranken ist.

Mein Opa und ich kamen uns in dieser Zeit noch näher als zuvor. Wir unternahmen viele Familienausflüge und führten viele ernste Gespräche.

Mein Opa war nie ein besserer Lehrer für mich, als in seinen dunkelsten Stunden.

Alles was er sagte, saugte ich auf wie ein Schwamm. Ich wollte so viel wie möglich mitnehmen können, bevor der Krebs uns die Möglichkeit miteinander zu reden nehmen würde.

Zu meinem Geburtstag im August 2014 schenkte mein Opa mir eine Orchidee und jetzt kommen wir zu der eigentlichen Geschichte, die mich heute noch zu Tränen führt.

Ich hab keinen sonderlichen guten grünen Daumen und alle Orchideen, die ich mir zuvor gekauft hatte, leben heute leider nicht mehr.
Mein Opa schenkte mir also nun eine weiße Orchidee und ich hoffte, dass ich diesmal mehr Erfolg haben würde.

Am 08.11.2014 starb mein Opa gegen Mittag in einem Kieler Krankenhaus an den Folgen seiner Krebserkrankung. Er ging friedlich von dieser Welt, so wie er es sich gewünscht hatte.

,,Deern, ich will zu Hause sterben."

Diesen Wunsch konnten wir ihm nicht erfüllen. Er fiel zu Hause in einen tiefen Dämmerschlaf, also ist er für mich zu Hause gestorben. Alles was ihn ausmachte, seine Seele und sein Wesen blieb im Haus. Er war nicht mehr ansprechbar, als er in die Klinik eingeliefert wurde.

Das Datum ist genauso prägend wie diese Orchidee. Am 11.08. bin ich geboren und am 14.08. meine Cousine. Seine Enkelkinder waren für meinen Opa immer der wertvollste Besitz. Gestorben ist er am 08.11.14 und alle Daten wiederholen sich in seinem Todesdatum.

Als ich an diesem Tag mittags nach Hause kam, atmete mein Opa noch, war aber nicht mehr ansprechbar. Ich betrat mein Wohnzimmer und mein erster Blick fiel auf diese wunderschöne Orchidee, die noch in voller Blüte war.

Ich ging duschen, packte ein paar Sachen zusammen und ging in die Küche. Dann klingelte das Telefon und mein Vater war dran.

,,Janina, dein Opa ist gerade eingeschlafen."

Ich brach zusammen. Als ich dann einige Zeit später das Wohnzimmer betrat, lagen alle Blüten auf dem Fußboden. Wie konnte das sein? Ich hatte doch gerade gesehen, dass alle Blüten frisch aufgegangen waren. Ich berührte eine Blüte. Sie war noch feucht, ganz frisch.

Dieser Moment wird mich wohl bis auf ewig begleiten und zeigt mir, dass es Dinge gibt, die der Mensch nicht erklären kann.
Die Orchidee hält bis heute. Und immer wenn sie blüht, dann ist da ein Strahlen in meinem Gesicht und auch diese unendliche Trauer wieder da.
Ich liebe diese Blume und könnte es mir nie verzeihen, wenn auch sie alle Lebensgeister verliert. Es ist das Letzte, das mein Opa mir gegeben hat, das noch lebt.
Und genau in diesen Tagen blüht sie wieder und wird es hoffentlich auf ewig tun.

Um diese unsagbare Trauer tief in mir loszuwerden, habe ich begonnen ein Buch zu schreiben (schon während Opa noch lebte). Ich hoffe ich habe eines Tages die Kraft es zu veröffentlichen.

Habt ihr nach dem Tod eines geliebten Menschen auch solche Dinge erlebt? Wie seit ihr damit umgegangen?

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(Zum Schutz meiner Familie sind alle Familienmitglieder ausgeschwärzt, bitte habt Verständnis)

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Vielleicht ein wenig off-topic, aber schön zu sehen, dass es noch "funktionierende" Familien mit männlichen Vorbildern gibt. Derartiges wird ja immer seltener und beim Fehlen von positiv besetzten männlichen Bezugspersonen führt das unter Anderem bei Mädchen/Frauen oft zu Misandrie ... und die Männer/Jungen geraten meist "vollkommen" ins Hintertreffen ... Toller Beitrag!

Ja das ist wirklich schade. Ich denke, dass es eine männliche Bezugsperson braucht, für jedes Kind, egal wer sie nun verkörpert.
Mein Opa war mein größtes Vorbild. Wenn ich es nur ansatzweise schaffe so zu sein wie er, dann habe ich viel erreicht!

Ich danke dir für dein Kommentar :)

Wow was für eine Gefühlswelt sich da beim lesen öffnet. Leider hatte ich keine nur annähernd ähnliche Beziehung zu meinem Grossvater oder einem anderen Familienmitglied.
Die Zeichen die uns die Natur und der Geist sendet sind definitiv Signale, da es irgendeine Form des Fortgehens gibt. Auch das Auferstehen in einer anderen Form oder Hülle wird in vielen Kulturen ja gefeiert und gelebt.
Vielleicht hat dein Opa dir einen letzten Gruss hinterlassen und die Blüten beim Vorbeiziehen abgestreift.

Danke für diesen tiefen Einblick in deine Seele

Oh das ist natürlich traurig, wenn man nicht so die Beziehung zu der Familie aufbauen kann (aus welchen Gründen auch immer). Du wirst sicher deinen Frieden damit geschlossen haben.

Die Natur und auch die Umgebung sendet mir so viele Signale im Bezug auf meinen Opa. Ja manchmal höre ich sogar sein Lachen, seinen schlurfenden Gang und Dinge, die er gehasst hat (wie den Holztorbogen im Garten) gehen kaputt oder fallen einfach um. Ist schon der Wahnsinn.

Danke dir für dein Kommentar und das du dir die Zeit genommen hast, den Beitrag zu lesen :)

wieder einmal hast du es geschafft mein herz zu erwärmen .... lot's of love to you

Danke meine Liebe..Fühl dich gedrückt!!

diene Beiträge sind besonders und einzigartig, danke das du erzählst

Vielen lieben Dank :)

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