Mythos? Trümmerfrau, revisionistische Geschichtsschreibung (2)

in #deutsch6 years ago

Nachdem am Tag der dt. Einheit mit dem Tag der Vielfalt und Einfalt ein „Anschlag“ auf „die dt. Seele“ bereits vorübergezogen ist, will ich nun über einen weiteren berichten.

Seit einigen Jahren kann man unter den Wörtern „Mythos Trümmerfrau“ zahlreiche Einträge finden. Beinahe scheint „Mythos Trümmerfrau“ zu einem ebenbürtigen Schlagwort zu „Trümmerfrau“ zu werden.

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Quelle

Ich habe dazu keinen emotionalen Bezug und hatte vorher keine spezifischen Kenntnisse. Trümmerfrauen - für mich mal gehört und ein selbsterklärendes Wort.
Nicht:

„Die Trümmerfrau gehört zum festen Repertoire nahezu jeder historischen Darstellung der Nachkriegszeit, ganz gleich, ob in TV- und Printmedien, in Schulbüchern oder in Ausstellungen der historischen Museen.“

Ich kann mich da an nichts aus meiner Schulzeit erinnern, aber gut, vieles vergisst man bekanntlich, manches eventuell komplett und ich kenne auch Leute aus meiner Generation, die nie von Vichy gehört haben. Zudem gibt es zu den Trümmerfrauen diverse Denkmäler.

Bevor ich auf diese Einträge Mythos Trümmerfrau stieß, war Trümmerfrau eines dieser Phänomene, die prima facie (auf den ersten Blick) Sinn ergeben: Direkt nach dem Krieg räumten hauptsächlich Frauen Schutt und Trümmer weg. Viele Männer waren tot, andere in Kriegsgefangenschaft. Etepete oder nicht die Hände schmutzig machen anzunehmen für die Frauen dieser Zeit wäre absurd. Diese Frauen, die maßgeblich zum Aufräumen beitrugen wurden schließlich Trümmerfrauen genannt.

Konkreter ist mein Bild nicht, da müssen andere Wort ergreifen.

Maßgeblichen Einfluss auf diese Artikel hat wohl ein Buch von Leonie Treber aus dem Jahr 2014. Die Bewertungen sprechen eine deutliche Sprache, wie es von der Bevölkerung rezipiert wird.

Sie hatte wohl Vorläufer, von einem Alleingang kann man also nicht sprechen, wie man z.B. dieser Rezension aus der Fachwelt entnehmen kann.
wissenschaft.de hat ebenso einen Eintrag Mythos Trümmerfrauen wie planet schule. Damit wird auch deutlich, dass das im Schulunterricht Verbreitung findet. Auch die bpb hat einen Eintrag von Frau Leonie Treber persönlich zu „Mythos Truemmerfrau“.

Der General Anzeiger Bonn berichtet

[...] die aktuelle Ausstellung im Bonner Haus der Geschichte zu "Deutschen Mythen seit 1945". Im Fokus stehen dieses Mal die Trümmerfrauen.
Von Dennis Sennekamp, 25.07.2018

Weitere Berichte aus der Presse dazu der ndr dieses Jahr, die waz 2015, die Welt 2014, der Spiegel dieses Jahr 2018, die Süddeutsche 2014 in mehreren Beiträgen, der Focus in einer Serie über Mythen deutscher Nachkriegszeit 2016, der deutschlandfunk 2015 in einem Beitrag über Trebers Buch.

Bereits vor Beginn des Luftkrieges etablierten die Nationalsozialisten zentral gelenkte Maßnahmen zur Trümmerräumung [...] Zum Einsatz kamen neben Bauhandwerkern [u.a.] [...] vor allem Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Der massive Einsatz von Zwangsarbeitern konnotierte die Trümmerräumung deutlich als Strafarbeit. Diese Idee wurde in der Nachkriegszeit von den alliierten Militärregierungen und deutschen Stadtverwaltungen weiter fortgesetzt [...]

bpb

Woher kommt nun also das Bild Trümmerfrau ?

[...] Medienkampagnen in Berlin und der SBZ
Insgesamt ist demnach festzuhalten, dass Frauen bei der Trümmerräumung eine deutlich nachgeordnete Rolle zukam. Dennoch stellen die in Berlin und der SBZ eingesetzten Bauhilfsarbeiterinnen den Kern dar, von dem aus sich der Mythos der Trümmerfrauen entspinnen lässt. Denn zeitgleich mit der Zulassung von Tageszeitungen und Frauenzeitschriften in Berlin und der SBZ 1945 beziehungsweise 1946 avancierte die enttrümmernde Frau dort zum Medienschlager. Vor allem die Berliner Berichterstattung zeichnete das Bild von den heldenhaften Berliner Frauen, die selbstlos damit begannen, die Stadt aufzuräumen. Und so waren es auch diese Zeitungsartikel, die den Begriff der "Trümmerfrau" aus der Taufe hoben und ihn mit vielen der noch heute gängigen Stereotypen aufluden [...]

bpb

In ebenso einfachen Worten wie zu Beginn könnte man nun sagen: Das Aufbauschen einzelner Bilder in Zeitungsartikeln und (literarischen) Büchern führte zu einem sinngebenden freuderfüllenden Bild.

Völlig abwegig finde ich das keinesfalls, man könnte ja auch fragen: Wieso glauben so viele Menschen türkischer Herkunft in Deutschland daran, ihre Eltern hätten Deutschland wiederaufgebaut?

Spannend ist das ganze zudem, weil:

  • Zeitzeugen gibt es noch
  • es kommt schon in die Schulen und Schulbücher

Zum Lesen empfehlen für die Fraktion Mythos würde ich den bpb Beitrag und Mythos Trümmerfrauen Süddeutsche in die Suchmaschine eingeben. Wie gesagt, mehrere Artikel.
Was auffällt, ist, dass eine Kritik an Trebers Arbeit i.d.R. ausbleibt. Jedenfalls ist mir keine dazu in den Mythos Artikeln aufgefallen. Falls das einmal anders aussieht, kann man mich da gerne berichtigen.
Für Kritik muss man die 1-Sterne Rezensionen auf amazon lesen oder die Kommentare unter diesem ARD YouTube-Video. Da (amazon) wird dann auch noch einmal heftig darüber diskutiert

  • was war überhaupt eine Trümmerfrau, um damit erst einmal sagen zu können
  • was soll der entsprechende Mythos sein.

Fazit ist jedenfalls: Es gab Trümmerfrauen.
Ob sie maßgeblich Trümmer weggeräumt haben, wurde in den letzten Jahren schwer in Frage gestellt und ihre Rolle eher als eine kaum bedeutende, aber aufgeblähte herausgestellt.

mielia

Sort:  

Nun ja - damals war es wie heute: das richtige Bild macht Dinge anschaulich und interessant. Wen interessiert ein Foto, ein Bericht über eine Gruppe Bauarbeiter die ihren Job tun? Aber wenn 50 Meter weiter eine Gruppe Frauen ähnliche Arbeit macht, vielleicht das Bild noch einen netten Kontrast ergibt zwischen unzweckmäßiger Kleidung (weil's eben nichts anderes gab) und der Tätigkeit - dann werden die Frauen abgelichtet und vielleicht noch kurz befragt. Wenn dann ein Großteil aller Publikationen zum Thema Frauen zeigen und fast nur von ihnen die Rede ist - schwupps steckt das Bild in den Köpfen fest.

Natürlich haben auch Männer Trümmer weggeräumt und natürlich haben Frauen auch andere, mehr traditionelle Arbeiten gemacht - aber das war ja Alltag und somit nichts worüber geschrieben wurde. Heute würde ein Chefredakteur einer Zeitung auch abwinken bei einem Artikel darüber dass Männer in der Straßenreinigung arbeiten. Aber ein Artikel über eine Frau in dem Job - wie viele Worte, wann kannst du liefern?

So könnte man sich das versuchen vorzustellen, ja.
Wobei es vermutlich doch noch deutlich anders abgelaufen ist und andere Motive als Sensation/berichtenswert Rollen gespielt haben dürften.

So ist das mit der Geschichte. Heute top, morgen flop. Meist dauert es lang, bis alles auf den Tisch kommt. Dann interessiert es aber keinen mehr. In der Zwischenzeit pickt man sich rausl, was denjenigen, die vermeintlich das Kommando haben, gerade passt.
War schon immer so.

Ich möchte dazu nur erwähnen, dass meine Mutter, meine 3 Tanten Trümmerkinder waren und meine Großmutter eine waschechte Trümmerfrau war. Mein Großvater ist im KZ Mauthausen ums Leben gekommen. Das Haus meiner Großeltern war bis auf den Keller niedergebombt. Da waren keine Strafgefangenen. So wie ich es erfahren durfte, hatte das ganze Viertel keinerlei Hilfe außer die Frauen und die Kinder.
Ich finde es traurig, dass man heute versucht diese Geschehnisse Kleinzureden bis sie am Schluss verschwunden sind.
Wenn man die ewige Schuld postuliert, plädiere ich dafür, die Trümmerfrauen hoch zu halten. Es ist unglaublich, was sich der Intellektuelle Mop so alles einfallen lässt.

Nur gut, dass meine Mutter noch sehr viele alte Fotos besitzt. Es scheint so als sollte man diese im Tresor verschließen um das auch meinen Enkelkindern noch einen Einblick vermittelt werden kann.

Vielen Dank für den Input.

Schade, dass ich meine Großeltern nie fragen konnte, ob sie sich an "Trümmertürken" erinnern können...

Ein weiterer Mythos ist der Marshall-Plan, den sogar die ARD(!) aufgezeigt hat:

Du Hund! Damit nimmst du mir etwas vorweg, dass ich demnächst kurz mit einer eigenen (wohl die gleiche wie ich sehe) öR Video-Empfehlung aufgreifen wollte :D.

Oh Pardon :-(

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