Die Avocado-Sünde

in #environment6 years ago (edited)
«Wenn allen klar wäre, dass Chilenen wegen den Avocados ohne Wasser leben müssen, dann müsste Europa aufhören Avocados zu importieren.»

Mit diesem Satz beginnt die Weltspiegel-Reportage „Avocado – Umweltkiller Superfood“, welche nur zu gut die Missstände in Chile beschreibt. So lecker und gesund die Avocado zu sein scheint, so zerstörerisch ist ihr Import in die Schweiz für die Umwelt und die Menschen der Produktionsländer. Ein kleiner Faktenüberblick zum beliebtesten Superfood unserer Zeit;

Urheber: Ich, mit Kamera bewaffnet im Supermarkt ;)

Sie ist reich an ungesättigten Fettsäuren und eine wahre Vitaminbombe, zu welchen unter anderem die Vitamine A und E zählen. Ausserdem ist sie reich an Antioxidantien und soll den Cholesterinspiegel positiv beeinflussen. Jaja, dass die Avocado äusserst gesund ist, wissen wir längst. Doch wie ungesund sie für unseren Planeten ist, ist eher unbekannt. Vielleicht verdirbt dieser Blogeintrag dem einen oder anderen den Appetit auf diese exotische Frucht. Es wäre nicht schade drum.  

4 Stunden Recherche-Arbeit, nur für eine einzige Frucht. Was dabei herausgekommen ist, hat mich nicht nur erschüttert, sondern mir auch die Augen geöffnet. Sorry meine liebe gesunde Avocado, du kommst mir nicht mehr auf den Teller. 

Ich versuche mich kurz und prägnant zu halten, was ist denn nun das Problem mit der Avocado?    

  • Der Wasserverbrauch: Die Produktion von 1kg Avocados verbraucht sage und schreibe 1’000L Wasser! 1kg? Das sind doch viele Früchte? Nope, das sind gerade einmal 2.5 Avocados (eine einzige Frucht hat also einen Wasserverbrauch von rund 400L). Zum Vergleich, 1kg Kartoffeln haben einen durchschnittlichen Wasserverbrauch von 290L. 1kg Tomaten benötigen lediglich 180L.

  • Die Pestizidbelastung: 200-500L des Wasserverbrauches beruhen auf dem Frischwasser, mit welchem die Avocados getränkt werden. 500-1’000L werden alleine benötigt um die Pestizide zu verdünnen, welche dann dafür sorgen, dass der Baum in Ruhe gedeihen kann. Diese Pestizide und Düngemittel sickern in den Boden und verpesten dann das Grundwasser bzw. das Trinkwasser. Ausserdem sind sie schlecht abbaubar und bleiben in der Natur eine (zu) lange Zeit bestehen und gefährden somit das Ökosystem.

  • Die Reichen werden immer reicher: Chile ist eines der grössten Avocado-Exporteure, welches den grössten Teil seiner Plantagen in der Provinz Petorca stehen hat. Aufgrund der Wasserknappheit (ausgelöst durch den grossen Durst der Avocados) mussten die kleinen Farmen den grossen Konzernen weichen, da die Kleinbauern ihre Pflanzen schlichtweg nicht mehr tränken konnten. Das Wasser für die Menschen ist so knapp, dass die ärmere Bevölkerungsschicht durch staatliche LKW’s mit Wasser versorgt werden müssen. Die grossen Firmen hingegen pumpen aufwendig das Grundwasser ab. In Chile ist das Wasser nämlich kein Allgemeingut, sondern ein Wirtschaftsgut, welches sich im Privatbesitz befindet und womit gehandelt werden kann. Die Staaten vergeben Wasserrechte auf Lebenszeit, welche dann teuer weiterverkauft werden können. Die Reichen verdienen sich mit dem Wasser eine goldene Nase, während die arme Bevölkerung allmählich verdurstet. (Mehr dazu findet man in der Reportage von Weltspiegel.)

  • Illegale Abholzung: 40% der weltweit angebauten Avocados findet man im Bundesstaat Michoacán in Mexiko. Hier finden ständig illegale Abholzungen des Waldes statt, pro Jahr werden 1’500-4’000 Hektar Wald gerodet (das sind bis zu 5’600 Fussballfelder!). Durch die Rodungen verlieren nicht nur Tiere ihren Lebensraum, die ökologische Vielfalt weicht ausserdem immer mehr den überdimensionierten Monokultur-Plantagen. Die Böden sind völlig verpestet und ausgelaugt und bekommen keine Zeit mehr um sich zu erholen. Ich glaube es ist klar, dass eine solche Ausbeutung unserer Umwelt nicht lange gut gehen kann. Das Ökosystem wird früher oder später kollabieren.

  • Die Mafia: Bleiben wir in Mexiko. Tancítaro gilt als die Avocado-Hauptstadt im Bundesstaat Michoacán, hier werden täglich Avocados in einem Wert von 1 Million Dollar abtransportiert. Logisch, dass sich da auch andere eine Scheibe abschneiden wollen. Zum Beispiel die Drogenbarone. Sie fordern von den Farmern nicht nur Schutzgeld, nein, die Avocado-Bauern werden entführt, misshandelt, gefoltert und getötet. Alles nur für das „grüne Gold“.

  • Die Asiaten: Der Avocado-Konsum wächst hier immer weiter und weiter. In Asien hat man jedoch erst begonnen, auf den Geschmack dieser leckeren Frucht zu kommen. Obwohl China im Jahr 2012 noch „wenige“ 154 Tonnen Avocados importierte, schnellte die Zahl innerhalb von 4 Jahren auf stolze 25’000 Tonnen im Jahr 2016! Die erhöhte Nachfrage nach Avocados in asiatischen Ländern, wird in Zukunft noch grössere Umweltprobleme mit sich bringen.

  • Der Transport: Der Übersee-Transport der Avocados von Mexiko nach Rotterdam in den Niederlanden dauert 26 Tage (also fast einen Monat). Die Früchte werden in speziellen, strombetriebenen Containern auf das Schiff verfrachtet. Neben dem immensen ökologischen Fussabdruck, den diese lange Reise sowieso schon mit sich bringt, werden die Avocados in ihren Containern bei einer konstanten Temperatur von 6°C gelagert. Die einmonatige Sicherstellung von konstanter Temperatur, Luftfeuchtigkeit und CO2-Gehalt benötigt extrem viel Energie. Ausserdem ist die Avocado eine sehr empfindliche Frucht. Um dunkle Flecken auf der Reise zu vermeiden, wird eine Menge Polster- und Verpackungsmaterial benötigt. Dadurch entsteht Abfall und noch mehr Abfall. Im Zielland angekommen, werden die Früchte in spezialisierten Reifekammern mit Ethen begast um ihren Reifeprozess zu beschleunigen, natürlich wieder bei optimierter Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Ein hoher Energieverbrauch, nur damit wir unsere Avocado „essreif“ im Laden kaufen können.

  • Food-Waste: Wem ist das nicht selbst schon mal passiert. Die Avocado ist steinhart und muss noch bisschen reifen. Sobald man sie dann aber essen will, ist sie bereits braun und matschig. Die Frucht landet dann im Müll. Unnötig. Noch viel schlimmer sind die grossen Mengen an Avocados, die im Supermarkt-Regal vergammeln und nicht mehr gekauft werden. Ich bin mir sicher, ein Grossteil der Avocados findet nie den Weg in unsere Mägen.

  • Die steigende Nachfrage: Ja, man soll alles in Massen geniessen. Schön und gut, die Importzahlen der Schweiz zeigen aber alles andere als „in Massen“ (Quelle: NZZ am Sonntag). Der Import hat sich von 2010 auf 2016 mehr als verdoppelt. Bitte chillt mal und esst regionales Gemüse. Ist auch gesund und viiiieel besser für unsere Umwelt.

Auf der Grafik zu sehen ist der jährliche Avocado-Import in die Schweiz. Das sind Zahlen, welche die eidgnössische Zollverwaltung erhoben hat. Quelle: NZZ am Sonntag, siehe Quellenangaben.

Erschreckend, nicht? Was können wir also tun? Die radikalste Version wäre natürlich gleich komplett auf Avocados zu verzichten. Wer das nicht tun möchte, dem lege ich ans Herz einfach ab und zu seinen Einkauf zu überdenken. Vielleicht braucht es nicht zu jedem Salat eine Avocado und nicht bei jedem Filmabend Guacamole. Und kauft auch mal die Bio-Avocados. Ja sie sind teurer und ja sie sind kleiner. Ihr werdet aber einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass unsere Erde ein bisschen weniger ausgebeutet wird. Ausserdem findet man manchmal auch Avocados aus Spanien, sie sind zwar nicht weniger durstig aber der Transportweg verkürzt sich so ungemein. Da die meisten Bio-Lebensmittel so gut wie nicht pestizidbelastet sind, wird da auch weniger Wasser benötigt und der Boden bleibt gesünder. Und ihr auch. 


Quellenangaben: 

Weltspiegel-Reportage „Avocado – Umweltkiller Superfood“

Huffingtonpost „Wie die Umwelt unter dem weltweiten Avocado-Boom leidet“

Zeit Online „Das Märchen von der guten Avocado“

NZZ am Sonntag „Fluch der Avocado“

Umweltnetz Schweiz „Avocado – Gesund für den Körper jedoch nicht für die Umwelt“

SRF „Avocado – Trend-Frucht mit miserabler Ökobilanz“  


Den Hauptartikel findet ihr auf meinem Blog https://rapsolutgenial.ch/  

Ich freu mich sehr, wenn ihr auch da vorbeischaut und vielleicht den einen oder anderen Kommentar hinterlässt. 

Danke fürs Lesen und bis bald :-)

@msjsch

Sort:  

Nicht nur Europa, aber ansonsten hast Du recht.

Sad side story:
Ich hole ja Essen von der Tafel.
In den letzten Wochen gab es auch Avocados. Als frühere Lebensmittelretterin (die aber nicht containert hat) dachte ich mir: gut, nimmste eine oder zwei mit. So groß sind die eh nicht ...
Lerneffekt ist inzwischen: es ist egal, ob ich die nach 2 oder 5 Tagen aufmache. Es gibt immer schwarzbraune Stellen (über leicht bräunliche mit halbwegs akzeptabler Konsistenz sehe ich ja schon hinweg), die die Mehrzahl des Fruchtfleisches einnehmen. Bei der letzten, die ich dann eben eher essen wollte, dasselbe - und zusätzlich Schimmel am Stielansatz. Also landete von jeder der Avocados mindestens 2/3 im Müll. :( Und "Klein Anni" weiß jetzt auch, wie man im Mittelalter gern stärker gewürzt hat bzw. daß das heute durchaus noch funktioniert. ;o)

Ja, das ist mir auch so oft passiert! Die Avos sind einfach so empfindlich und man kann so schlecht abschätzen wann die reif sind bzw. sogar schon verschimmelt. Immerhin hast du 1/3 der Frucht retten können, besser als wenn alles im Müll gelandet wäre! :-)

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Huhu auch hier. Ich denke das mit dem Wasserverbrauch muss man relativ sehen. Es kommt ja stark darauf an, wo das Wasser verbraucht wird. In gemäßigten Klimazonen, wo das Süßwasser so gewöhnlich ist, dass wir es die Flüsse runter rinnen lassen, ist das nicht weiter tragisch. Dort, wo die Avocados angebaut werden, ist Wasser halt wesentlich wertvoller, das ist das Problem dabei.
Cooler Post auf jeden Fall. Quelle des Bildes bitte nachliefern.

Auch hier, hab ich natürlich noch einmal den Post überarbeitet. Hoffe, jetzt ist es besser?
Da hast du vollkommen recht, im Einklang mit der Natur ist ein erhöhter Wasserverbrauch natürlich nicht weiter dramatisch. Leider findet man diese riesigen Monokulturen meist da, wo die Einheimischen meist selbst schon nicht genug (oder zumindest nicht wie wir zuviel) haben. Regionaler zu essen würde da schon sehr viel helfen.

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