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RE: Recht einfach #1: Recht haben und Recht bekommen

in #deutsch5 years ago (edited)

Sehr aufschlussreich und sachbezogen ist Dein Beitrag! In § 146 GVG heißt es ganz klar und unmissverständlich, sogar für Nicht-Juristen: "Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen." Hier ist keine Ausnahme definiert :-). Wenn der Vorgesetze demnach etwas fordert, was nicht zwingend dem Gesetz folgt, muss der Staatsanwalt gehorschen. Dem Wesen nach ist ja die Staatsanwaltschaft dann auch nicht ein eigenständige Teil der Judikative. Der Richter ist unabhängig, der Staatsanwalt nicht. Nach meinem Rechtsempfinden passt das nicht zusammen, um dem Recht insgesamt Eigenständigkeit zu verleihen.

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" Hier ist keine Ausnahme definiert :-) "
Das ist richtig. In der Praxis ist es wohl dennoch so, dass Anweisung in einzelnen Fällen die absolute Ausnahme sind. Zumindest meinte das meine ausbildende Richterin. Sie wusste nur von einem Fall, in dem das problematisch war. In den nächsten Wochen bekomme ich bei der Staatsanwaltschaft einen Einblick, da kann ich bei meiner zuständigen Staatsanwältin ja einmal nachfragen :)

"Wenn der Vorgesetze demnach etwas fordert, was nicht zwingend dem Gesetz folgt, muss der Staatsanwalt gehorschen."
Im Grundsatz stimmt das wohl. Die Grenze ist spätestens die offensichtliche Rechtswidrigkeit. Wie @hatoto beschrieben hat, können das Strafvereitelung im Amt bzw. Verfolgung Unschuldiger sein.

"Der Richter ist unabhängig, der Staatsanwalt nicht. Nach meinem Rechtsempfinden passt das nicht zusammen, um dem Recht insgesamt Eigenständigkeit zu verleihen."

Mich würde interessieren, wie das in anderen Ländern ist. Die Befürchtung, die ich habe, ist, dass es dann Zufall ist, welchen einzelnen Staatsanwalt man hat, ob ein Verfahren eingestellt wird oder nicht. Das fände ich ziemlich problematisch.

In der Theorie hört sich das alles sehr schön an :-), allein die Praxis ist maßgeblich. Wenn ich z.B. lese, dass jährlich 7000 Menschen eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, wegen Schwarzfahren, weil sie kein Geld haben, um die Strafe zu bezahlen. Auf der anderen Seite haben wir schwerste Straftaten, die mit sehr milden Bewährungsstrafen "geahndet" werden. Dann halte ich gewisse Zweifel am Funktionieren der Rechtsstaatlichkeit für legitim. Wie sagte man früher: Da ist etwas faul im Staate. Nur ein Beispiel unter vielen: https://www.ndr.de/kultur/Risse-im-deutschen-Rechtsstaat,gedankenzurzeit1268.html

Ja, das mit Ersatzfreiheitsstrafen für Schwarzfahren finde ich auch schrecklich. Da sehe ich die Verhältnismäßigkeit einfach nicht mehr gewahrt. Generell sollte man das als Ordnungswidrigkeit einstufen. Allerdings ist das eher eine Aufgabe für die Politik.

Ich habe eben gelesen, dass es durchaus Stimmen dafür gibt, dieses Weisungsrecht abzuschaffen und dass das in anderen Ländern sogar bereits geschehen ist.

"Für eine von der Regierung unabhängige Staatsanwaltschaft haben sich nach Italien (28) unter dem Eindruck überwundener Diktaturen Ungarn (29), Kroatien (30), Lettland (31), Litauen, Estland, Slowenien und die Slowakei entschieden."
Quelle

Ah, vielen Dank!

Zumindest was die Weisungsbefugnis des jeweiligen Justizministers angeht, fordert auch der Deutsche Richterbund eine Abschaffung.

https://www.drb.de/positionen/verbandsthemen/amtsrecht-staatsanwaelte/

"Wenn der Vorgesetze demnach etwas fordert, was nicht zwingend dem Gesetz folgt, muss der Staatsanwalt gehorschen."

Allerdings gilt das nicht unbegrenzt.
Aus § 152 II StPO ergibt sich, dass der Staatsanwalt unabhängig von allen Weisungen einem Verfolgungs- und Anklagezwang unterliegt, sofern bei einem Verdächtigen die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet einzuschreiten, wenn zureichende Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten vorliegen. Schreitet sie nicht ein, kann sie sich wegen Strafvereitelung im Amt strafbar machen. Schreitet sie im umgekehrten Fall ein, obwohl gar keine Anhaltspunkte vorliegen, so läuft sie Gefahr sich wegen Verfolgung Unschuldiger strafbar zu machen.

Nur innerhalb dieser Grenzen können Weisungen erteilt werden, da sich sonst auch der Vorgesetzte wegen derselben Taten strafbar machen kann.

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